Der Zustand in den Apotheken wird kritisch: Nach den Fiebersäften gibt es nun keine Antibiotikasäfte mehr. Was können Ärzte und Apotheker dagegen tun?
Derzeit graut es wohl den meisten Apothekern vor dem Nacht- und Notdienst. Sie müssen viele Anrufer und auch die real vor ihnen stehenden Eltern unverrichteter Dinge abweisen, selbst wenn es dem Kind wirklich schlecht geht. Nach den Fiebersäften, die zwar nicht in Hülle und Fülle wieder vom Großhandel beziehbar sind, die aber vereinzelt immer wieder geliefert werden, sind es derzeit die Antibiotika-Säfte, die nicht zu bekommen sind. Für eine Flasche Amoxi-Saft fahren die Eltern kranker Kinder derzeit viele Kilometer, wenn sie den Saft überhaupt noch irgendwo bekommen. Was dagegen unternommen wird und wie die Rezeptur wieder in die Bresche springen kann, erfahrt ihr hier.
Am 19. April wurde vom Bundesministerium für Gesundheit ein offizieller Versorgungsmangel festgestellt und am 25. April im Bundesanzeiger veröffentlicht. Nun dürfen die zuständigen Behörden der Länder im Einzelfall befristet von den Vorgaben des AMG abweichen, heißt es dort. Die Pharmazeutische Zeitung (PZ) nennt dazu folgende konkrete Beispiele:
Aber ob das auf Dauer genügt? Fehlt es in den anderen europäischen Ländern nicht ebenso an kindgerechten Antibiotika-Darreichungen? Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte warnt in einer Pressemitteilung nicht nur vor den Folgen der akuten Situation, sondern auch vor Versorgungsengpässen, die im Herbst auf uns zukommen könnten.
„Wir behandeln schon jetzt fernab der Leitlinien, und der nächste Herbst steht vor der Tür. Wir werden wieder in eine Versorgungsnot geraten, die noch schlimmer werden könnte als zuletzt“, sagt Verbandspräsident Thomas Fischbach der Neuen Osnabrücker Zeitung. Dort wird von einem Offenen Brief berichtet, den Kinderärzte aus Deutschland, Frankreich, Südtirol, Österreich und der Schweiz an die Gesundheitsminister der Länder gerichtet haben. Darin wird für die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen, welche durch den Medikamentenmangel europaweit gefährdet ist, eine schnelle, zuverlässige und dauerhafte Lösung gefordert.
Die Engpässe der vergangenen Monate hätten dazu geführt, dass weder kindgerechte noch an Therapierichtlinien ausgerichtete Behandlungen möglich seien, was die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen nachhaltig gefährdet. Man kann nur hoffen, dass die Politik diese Hilferufe rechtzeitig umsetzt und kein Kind aufgrund des Mangels bleibende Schäden behält, oder gar sein Leben verliert.
Wie kann man dem Mangel aber schon heute etwas entgegensetzen? Denn egal was die Politik nun in die Wege leitet – bis zur erfolgreichen Umsetzung vergeht viel Zeit. In Schleswig-Holstein hat die Kassenärztliche Vereinigung sich am 28. April mit den Apothekerkammern und den Arzneimittelgroßhändlern ins Vernehmen gesetzt, und eine laut eigener Worte konstruktive und engmaschigere Zusammenarbeit begonnen. Die Notdienstapotheken übermitteln nun täglich ihre Warenbestände für die von der KVSH benannten antibiotischen Wirkstoffe an die jeweiligen Notdienstpraxen ihres Einzugsbereichs. Weitere Schritte zur Verbesserung der Versorgung in Zusammenarbeit mit den Beteiligten werden ständig geprüft.
Staatssekretär Dr. Oliver Grundei dazu: „Die Beteiligten des Gesundheitswesens in Schleswig-Holstein zeichnet eine große Bereitschaft aus, gemeinsam Lösungen zu finden, um die Versorgung im Land zu verbessern. Mein herzlicher Dank gilt den Akteuren für die nun eingeleiteten Maßnahmen. Sie löst nicht das Problem des derzeitigen Mangels, dass die Bundesregierung deutlich engagierter angehen muss. Aber sie wird dazu beitragen, im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten die Situation zu verbessern.“ Man kann nur hoffen, dass ein solcher Schulterschluss nun häufiger einmal zum Wohle der Patienten geschieht.
Diese Art Zusammenarbeit ist es, die in den Zeiten der Versorgungsengpässe helfen kann, Lücken zu stopfen – sie ist aber sicherlich nicht die Lösung des Problems. Auch wir in unserer Landapotheke freuen uns jedes Mal, wenn der jeweilige diensthabende Arzt des ärztlichen Bereitschaftsdienstes vor dem Beginn des Nacht- und Notdienstes anruft, um die Antibiotikabestände abzufragen. Das erleichtert so vielen Personen die Versorgung und ist nur ein kleiner Aufwand. Auch vor den Krisenzeiten war ein solcher Anruf aber leider eher eine Seltenheit.
Eine weitere Möglichkeit Versorgungslücken kurzfristig zu schließen ist die Rezeptur. Wie bei den Fiebersäften gibt es – wenigstens solange wir noch auf die Tabletten zurückgreifen können – die Möglichkeit, Antibiotikasäfte in der Rezeptur herzustellen. Das DAC/NRF hat hier bereits verschiedene Möglichkeiten der Herstellung beschrieben und empfiehlt als Grundlage entweder die bewährte Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen DAC (NRF S.52.), oder Zuckersirup DAB und Himbeersirup. Wer sich gleich an der Herstellung machen möchte: die Herstellung der „Grundlage für die Rezeptur” wurde beim Thema Fiebersäfte bereits beschrieben. Auch für den Fall, wenn der Gelbildner einmal wieder nicht lieferbar sein sollte.
Es ist möglich, die Filmtabletten zu mörsern und in der Grundlage zu suspendieren. Es ist etwas problematischer als bei den Paracetamol-Tabletten, da Antibiotika in den meisten Fällen einen schlecht zerkleinerbaren Filmüberzug haben. Hier gilt es, mehr Tabletten einzuwiegen als benötigt, die Überzüge abzusieben, und anschließend die Menge Pulver einzuwiegen, die benötigt wird. Wer bereits Ibuprofen-Säfte hergestellt hat, kennt die Vorgehensweise. Meist genügt bei Kleinansätzen die Einwaage einer einzelnen Tablette mehr.
Ebenfalls von Paracetamol-Säften bekannt ist das Problem des bitteren Geschmacks. Dieser wird von der in der Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen DAC (NRF S.52.) enthaltenen Glucose nicht wirksam überdeckt. Laut DAC/NRF führte weder der Zusatz von Natriumchlorid als Entbitterungsmittel, noch die Zugabe von Fruchtaromen oder der Wechsel zu einer anderen Grundlage aus Zuckersirup, DAB und Himbeersirup zu einer wesentlichen Verbesserung des Geschmacks. Aus eigener Erfahrung ist das Contramarum-Aroma der Firma Caelo mit einem karamelligen Vanillearoma noch am besten bei den Kindern angekommen, die Paracetamol-Säfte aus der Rezeptur erhalten haben. Auch der Tipp des DAC/NRF, die Suspension mittels Kolbenpipette in die Wangentasche zu applizieren und unmittelbar nach der Gabe fruchtig-süße Nahrung anzubieten, um den nachhaltenden Bittergeschmack abzuschwächen, ist sicherlich sinnvoll.
Abgefüllt wird die fertige Suspension in eine Braunglas- oder PET-Flasche, deren Volumen mindestens eineinhalbmal bis doppelt so groß sein muss, wie das des Inhaltes, um vor der Entnahme der Einzeldosis ein effektives Umschütteln zu ermöglichen. Die Flasche sollte mit einem passenden Steckeinsatz für eine Kolbenpipette zur volumetrischen Dosierung ausgestattet werden und eine Kolbenpipette ist beizulegen. Optimalerweise empfiehlt das DAC/NRF, die Suspension bei erstmaliger Herstellung wenn möglich einen Tag oder wenigstens einige Stunden lang stehenzulassen, um die Sedimentation und Aufschüttelbarkeit zu beurteilen.
Problematischer als bei der Herstellung der Fiebersäfte ist in jedem Fall die Haltbarkeit. War es bei Paracetamol- und Ibuprofensäften möglich, aufgrund der Haltbarkeit von drei Monaten gleich mehrere Flaschen auf einmal herzustellen und sie bei Bedarf abzugeben, ist das nun anders. Antibiotikasäfte sind nur 14 Tage im Kühlschrank haltbar, was es für viele Apotheken unmöglich macht, gleich fünf oder zehn Flaschen auf Vorrat herzustellen. Und die Herstellung mal eben so nebenbei im Apothekenalltag ist aufgrund der angespannten Personalsituation oftmals schwierig bis unmöglich.
Doch auch hier findet sich eine Lösung, denn die Grundlage für die Rezeptur selbst ist 6 Monate lang haltbar. Hat man sie im Vorrat hergestellt, könnte man die Glasflaschen mit der richtigen Menge an gepulverten Filmtabletten schon einmal auf Vorrat bereitstellen, um sie dann im Falle eines Falles direkt mit der fertigen Grundlage aufzugießen, zu schütteln, bei Bedarf mit dem Aromastoff zu versehen und abzugeben.
Voraussetzung ist jedoch – wie bei den Paracetamolsäften – dass die Kinderärzte mitspielen und eine Rezeptur verordnen. Dafür ist wieder einmal die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothkekern notwendig, ohne die in Zeiten der Medikamentenengpässe leider gar nichts möglich ist. Mein Stoßgebet in diesem Zusammenhang lautet: Sprecht euch mit den Praxen ab, liebe Apotheker. Seid offen für die Lösungen, die euch angeboten werden, liebe Ärzte. Und liebe KV: bitte weder die Rezepte retaxieren, noch die Praxen mit Regressen überschwemmen. Es geht hier um die Gesundheit eurer Versicherten.
Man wird ja noch träumen dürfen!
Bildquelle: ariyan Dv, Unsplash