Patientenorientierte Apps eröffnen im Healthcare-Bereich völlig neue Perspektiven. Vor allem Ansätze zur Arzt-Patienten-Kommunikation bieten einen Mehrwert für die Markteilnehmer. Auch in der Pharmawerbung sorgt dies für neue Möglichkeiten, mit den Patienten in Kontakt zu treten.
Die sogenannte „Quantified-Self“-Initiative ist ein noch relativ neues Phänomen, welches den Healthcare-Markt sowohl herausfordert als auch neue Chancen eröffnen kann. Ziel dieser Initiative sind Selbstbeobachtung und Selbstmotivation. Hierzu messen die Anhänger des Trends ihre personenbezogenen Daten, wie Blutdruck, Schlafdauer oder die an einem Tag zurückgelegten Schritte, um das eigene Verhalten zu beobachten und zu optimieren. Entstanden im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung, ist der Trend mittlerweile zur massentauglichen Bewegung geworden, die auch vor dem Gesundheitsbereich nicht Halt macht. Schon vor der Entstehung der Bewegung als solche überprüften und dokumentierten chronisch Kranke oder auch Spitzensportler regelmäßig ihre Vitalwerte wie etwa Blutzuckerwert und Pulsfrequenz sowie die über den Tag verteilten Aktivitäten. Die zunehmende Verbreitung von „Wearables“, kleinen elektronischen Geräten in Schmuck oder Kleidung, ermöglicht den Nutzern neuerdings eine noch lückenlosere Selbstkontrolle – aktuellstes Beispiel ist die Apple Watch, die vor wenigen Tagen vorgestellt wurde. Sie können dazu mittlerweile aus einer ganzen Bandbreite von Sensoren schöpfen, die ihre körperlichen Daten erfassen und aufzeichnen. Begeisterte Sportler können mit einer Jogging-App ihre Route, Zeit und Kalorienverbrauch aufzeichnen oder per Bluetooth ihre Pulsfrequenz im Training messen und das eigene Schlafverhalten aufzeichnen. Auch chronisch Kranke profitieren von dieser Entwicklung: So bieten spezielle Apps für Diabetiker die Möglichkeit zur Zuckerberechnung von Nahrungsmitteln oder eine Erinnerungsfunktion für die Blutzuckermessung an. Dazu gibt es für persönliches Medikamenten-Management mittlerweile smarte Alltagshelfer, die ihren Nutzern eine einfachere Kontrolle während der Therapie ermöglichen sollen. Im Mobilsektor hat sich daraus ein Trend entwickelt, der neben der reinen Datenerfassung noch eine Community-Komponente hinzufügt. So können chronisch Kranke etwa Erfahrungswerte anderer nutzen, um sich selbst und ihre Erkrankung besser einzuschätzen und gegebenenfalls besser einzustellen. Außerdem wird natürlich verstärkt davon Gebrauch gemacht, den Austausch zwischen den Betroffenen zu fördern, um alltagsrelevante Fragen und Tipps auf „kurzem Dienstweg“ zu klären.
Seit der Markteinführung des ersten iPads von Apple im Jahr 2010 liegen mobile Anwendungen auch im Gesundheitssektor ungebrochen im Trend. So erhöhte sich die Anzahl an gesundheitsorientierten Apps in den beiden großen App-Stores von Apple und Google alleine im letzten Jahr um über 40 Prozent.1 Die ersten Anwendungen, die den Mehrwert der mobilen Geräte richtig ausschöpfen konnten, wurden vorrangig für den Außendienst von Pharmaunternehmen entwickelt. Gerade in der Business-to-Business-Kommunikation mit Ärzten und Apothekern können mobile Folder-Anwendungen ihre Präsentationsstärke voll ausspielen. Daneben etablierte sich nach und nach eine Gruppe von Informationsanwendungen für Ärzte, die das Nachschlagen von wichtigen Informationen erleichtern und beschleunigen soll, wie beispielsweise die Nachschlage-Reihe „multeBook Herold Innere Medizin“ von DocCheck, die einen bereits etablierten Medizinklassiker erstmals auf Smartphone und Tablet zur Verfügung stellt. „multeBook Herold Innere Medizin“ von DocCheck Auch die direkte Schnittstelle zwischen Arzt und Patient wird mittlerweile von mobilen Anwendungen gefüttert, die häufig der besseren Datenverarbeitung dienen sollen. Als Beispiele lassen sich hier etwa „SmartPatient“ oder „WoundDesk“ nennen, die in direkter Zusammenarbeit zwischen Arzt und Patient ihre Möglichkeiten entfalten. Den Patienten werden mittlerweile Anwendungen angeboten, die ihnen einen direkten Mehrwert innerhalb der Anwendungen selbst bieten. Wie könnte so ein Beispiel aussehen? Die App „Hula“ geht hier recht forsch voran: So soll sie ihren Nutzern die Möglichkeit bieten, sich bei dem Testen auf eventuelle Geschlechtskrankheiten helfen zu lassen und die Ergebnisse der Tests nachher diskret und sicher zu teilen – mit Partnern und sogar Kliniken.2
Diese Entwicklung im mobilen Anwendungsbereich sorgt natürlich für neue Herausforderungen, denen sich der gesamte Healthcare-Markt jetzt stellen muss – aber gleichzeitig eröffnet sie auch völlig neue Möglichkeiten für die Business-to-Business- und Business-to-Consumer-Kommunikation. Dabei gilt es, rechtzeitig auf den Trend zu setzen: „Gerade im Bereich der patientenorientierten Apps ist es wichtig, zu den First Movern zu gehören. Hat der Patient einmal eine bestimmte App installiert, so ist die Nutzungstreue recht hoch, höher als bei vergleichbaren Websites“, weiß Thilo Kölzer, Vorstand Digital bei der Kölner Healthcare-Agentur antwerpes. „Wir sehen uns da als mobile Vordenker, indem wir mit unseren Kunden möglichst früh auch in neue Märkte gehen“, so Kölzer weiter. Als eigenes Beispiel dient dem Kommunikationsfachmann die in Zusammenarbeit mit Biogen Idec entwickelte App „BeActive“, die sich direkt an Multiple Sklerose-Patienten richtet und ihnen helfen soll, körperliche Fähigkeiten zu verbessern oder im besten Fall ganz zu erhalten. „BeActive“-App von antwerpes für Biogen Idec War es früher ausreichend, neue Innovationen erst einmal abwartend zu betrachten, um mit genügend Erfahrung in neue Produkte zu investieren, so reicht dies heute oft nicht mehr aus. Die zunehmende Digitalisierung sorgt für eine Beschleunigung der Prozessabläufe, eröffnet aber auch neue Chancen. So bietet der Trend hin zu patientenorientierten Apps die Möglichkeit für eine neue Schnittstelle direkt zum Patienten, die vorher so nicht gegeben war und für zusätzliches Kommunikationspotential sorgt. 1 Jede 23. App weltweit ist eine health-App, HealthOn, 11. November 2013 2 STD Tests: There’s an App for That, TIME Online, 07. Januar 2014