Ich bin wirklich gerne PTA. Aber wenn die Halbgötter in Weiß mal wieder an meiner Kompetenz zweifeln, reichts mir irgendwann. Diese Respektlosigkeit kotzt mich an.
Ich mache meinen Beruf wirklich gerne. Ob in der Apotheke oder in der PTA-Schule, er macht mir Freude, weil ich überall etwas Positives bewirken kann. Aber manchmal hasse ich es auch, PTA zu sein und nichts „Ordentliches gelernt“, sprich, etwas studiert zu haben. Gerade wieder in der vergangenen Woche hatte ich so einen Tiefpunkt, aufgrund des Verhaltens eines an sich wirklich freundlichen Arztes.
Ich war mit meiner Kollegin unterwegs, um einem netten älteren Herren, der etwas dement und mobilitätseingeschränkt ist, Kompressionsstrümpfe anzumessen. Voraus ging hier zur Abklärung eines Hausbesuchs ein Telefonat mit dem Sohn, der eigentlich gerne mit unserem Chef gesprochen hätte. „Ich bin Proktologe aus München, wissen Sie?“ Der Chef war aber nicht im Haus, so durften wir doch den Termin machen. Als wir zur vereinbarten Zeit klingelten, öffnete der Sohn mit den Worten: „Ach, Hallo! Wart ihr vor einer Stunde auch schon da?“
Ich war etwas irritiert ob der jovialen Ansprache – wir kennen uns schließlich nicht – schluckte es aber. „Wir hatten doch 8:45 Uhr ausgemacht, oder?“
Er lachte und tätschelte mir gönnerhaft auf die Schulter. „Ja ja, ihr seid schön pünktlich. Ich frage nur, weil es schon mal geklingelt hat heute. Ich dachte, ihr wärt das. Immer rein, mein Vater sitzt im Wohnzimmer. Ich lass euch dann zum Messen alleine, ne? Dann geht das schneller. Ich habe ja ein ganz anderes Fachgebiet, ich bin Proktologe und habe eine Praxis in München.“
Der Messvorgang nahm seinen üblichen Verlauf und wir sprachen noch die Strumpffarbe ab. Der alte Herr schwankte noch zwischen zwei Möglichkeiten, als sein Sohn wieder ins Wohnzimmer kam: „Ja nun, Vati, dann entscheide dich mal. Die Mädels haben ja auch nicht den ganzen Tag Zeit. Die müssen noch weiter zum nächsten Strumpf, ne?“ Er zwinkerte uns zu und grinste. Ich war fassungslos, aber einfach zu höflich und zu feige, um sinnvoll zu reagieren. Ich hätte ihn ja auch duzen und fragen können, ob er nicht auch schon auf dem Weg sein müsste zur nächsten Hämorrhoide, der Bub ….
Ich kann ja nicht mal sagen, dass er irgendwie unfreundlich war, aber es ist einfach respektlos und fühlt sich für mich als Mittvierzigerin nicht gut an, als „Mädel“ bezeichnet zu werden. Mit Sicherheit wäre der Herr Proktologe auch mit der Hausärztin seines Vaters oder mit unserem Chef nicht so umgegangen. Ich kann mir aber ungefähr vorstellen, wie er mit seinen angestellten MFA spricht.
Ich ärgere mich über so viel Herablassung, obwohl mir gleichzeitig klar ist, dass sich das nicht ändert, indem ich das so schlucke. Ich ärgere mich über dieses Hierarchiedenken, bei dem der Halbgott in Weiß meint, alle „Arbeiter“ einfach duzen zu dürfen. Ich ärgere mich über meine Entscheidung, die Klappe zu halten und damit abzunicken, dass diese Art des Umgangs in Ordnung ist. Ich hoffe, ich sehe ihn wieder, den Proktologen. Ich bin jetzt gewappnet und werde sein Verhalten definitiv spiegeln. Und ich freue mich doppelt, dass ich ein Studium begonnen habe.
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