Ein Patient stellt sich mit einem Abszess in der Klinik vor. Die Ärzte stehen vor einem Rätsel – womit hat der Mann sich infiziert? Die heiße Spur: Er ist Mykologe.
Der Violette Knorpelschichtpilz (Chondrostereum purpureum) hat Ärzte bislang nicht sonderlich interessiert. Er befällt als Saprophyt meist Laub-, seltener Nadelholz und führt zur sogenannten Weißfäule mit Abbau des pflanzlichen Lignins. Jetzt berichten Forscher in Medical Mycology Case Reports von einem Patienten mit Parapharyngealabszess – sprich Abszess im tiefen Rachen – ausgelöst durch genau diesen Baumpilz.
Violetter Knorpelschichtpilz (Chondrostereum purpureum). Credit: Jerzy Opioła/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0
Mit konventionellen Techniken, sprich direktem mikroskopischem Nachweis, Kultur und histopathologischer Untersuchung, konnten Ärzte den Erreger nicht identifizieren. Erst durch Sequenzierung fanden sie heraus, dass es sich um C. purpureum handelt. Der Fallbericht verdeutlicht, welches Potenzial vermeintlich harmlose Erreger in der Humanmedizin haben. Er zeigt aber auch, dass etablierte diagnostische Technologien mitunter an ihre Grenzen stoßen – und dass die Molekularbiologie auch in der Infektiologie an Bedeutung gewinnt.
Was war passiert? Ein 61-jähriger männlicher Patient aus dem Osten Indiens hatte sich mit Heiserkeit, Husten, rezidivierender Pharyngitis, Müdigkeit, Schluckbeschwerden und Appetitlosigkeit vorgestellt. Er selbst gab an, seit etwa drei Monaten diese Symptome zu haben. Diabetes, HIV-Infektion, Nierenerkrankungen oder andere chronischen Leiden, eine Immunsuppression oder ein Trauma konnten die Ärzte ausschließen.
Eine heiße Spur: Der Patient ist vom Beruf Mykologe. Er hatte im Rahmen seiner Forschungstätigkeit lange Zeit mit verwesendem Holz und mit verschiedenen Baumpilzen gearbeitet.
Zur weiteren Abklärung schickten die Ärzte eine Probe der Flüssigkeit aus dem Parapharyngealabszess ins Labor. Die Gram-Färbung und die Ziehl-Neelsen-Färbung blieben ohne Befund. Jedoch zeigte die Gomori-Färbung Hyphen eines Pilzes. Nachweise auf Bakterien oder auf Mykobakterien fielen negativ aus.
Die Eiterkultur auf Sabouraud-Agar zeigte nach vier bis fünf Tagen cremig-pastöse Kolonien mit blasser Pigmentierung. Das Medium eignet sich gut zur Kultur humanpathogener Pilze. Eine Gram-Färbung sowie eine Färbung mit Lactophenolblau der Kolonien zeigten runde und röhrenförmige Strukturen eines unbekannten Pilzes.
Da sich der Erreger mikroskopisch nicht identifizieren ließ, schickten die Ärzte eine Probe an das WHO Collaborating Centre on Reference and Research on Fungi of Medical Importance in Indien. Erst anhand der DNA-Sequenzierung konnten Biologen den Pilz als C. purpureum identifizieren. Da viele Pilze resistent gegen Antimykotika sind, war dieser Schritt von entscheidender Bedeutung.
Die Infektion wurde mit einer vollständigen Drainage des Eiters und anschließender oraler Gabe von Voriconazol 400 mg zweimal täglich an Tag 1, gefolgt von 200 mg zweimal täglich für insgesamt 60 Tage behandelt. Voriconazol ist ein Triazol-Antimykotikum.
Nach einer Nachbeobachtungszeit von zwei Jahren ging es dem Patienten gut und es gab keine Anzeichen für ein Wiederauftreten der Infektion. Als mögliche Ursache nennen die Autoren eine außergewöhnlich starke Exposition des Patienten mit Pilzmaterial im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit.
Über den Einzelfall hinaus sehen die Autoren des Fallberichts eine generelle Bedrohung, und zwar durch den Klimawandel. Vermutlich können manche Pilze mit pathogenem Potential, aber ohne Hitzetoleranz, die Fähigkeit erwerben, bei Körpertemperatur zu überleben. Sie reagieren auf den Selektionsdruck durch steigende Temperaturen ihrer Umwelt, indem sie sich widrigen Lebensbedingungen anpassen: Die „Büchse der Pandora“ könnte sich also öffnen.
Bildquelle: Lieselot. Dalle, unsplash