Forscher haben den Importweg des Inhalations-Anästhestikum Isofluran untersucht und herausgefunden, wie dieses die Blut-Hirn-Schranke beeinflusst. Die Ergebnisse könnten nun zur Behandlung von Hirntumoren beitragen.
Die Blut-Hirn-Schranke verhindert, dass körperfremde Stoffe ins Gehirn eindringen und dieses schädigen. Doch es gibt Ausnahmen: Betäubungsmittel können aufgrund ihrer biophysikalischen Eigenschaften die Schranke passieren. Zusätzlich zu dieser physikalischen Barriere, besitzt die Blut-Hirn-Schranke zahlreiche Transportmechanismen, die benötigte Substanzen passieren lassen und körperfremde Stoffe ausschleusen.
In Patienten, die an Erkrankungen des Nervensystems wie etwa Hirntumoren leiden, stellt sie allerdings ein Problem dar: Die strikte Zugangskontrolle verhindert, dass Medikamente wie Chemotherapeutika an ihren Wirkort gelangen. Eine pharmakologische Therapie von Hirntumoren ist daher oft wenig wirksam.
Seit Langem wird vermutet, dass Inhalationsanästhetika, wie beispielsweise Isofluran, auch direkt auf diese Barriere einwirken. Wie ein Forschungsteam jetzt in Experimenten aufdeckte, schaltet Isofluran einen speziellen Importweg über die Blut-Hirn-Schranke an. Mithilfe hochauflösender Mikroskopie konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass Isofluran bestimmte Membranbereiche verändert, die besonders reich an Cholesterin sind. Ein Schlüsselprotein dieser Membrankompartimente ist das Caveolin. Es ist unter anderem daran beteiligt, Substanzen aus dem Blutstrom ins Gewebe zu transportieren.
„Wir wollten herausfinden, ob Isofluran direkt auf diesen Caveolin vermittelten Transport wirkt und über diesen Mechanismus die Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke erhöht“, erklärt Forschungsgruppenleiterin Gesine Saher. Dazu narkotisierten Saher und ihr Team gentechnisch veränderte Mäuse, in denen Caveolin mit Isofluran ausgeschaltet war. Anders als in normalen Artgenossen, wurde in diesen Tieren die Blut-Hirn-Schranken nicht durchlässiger. „Dies bestätigt, dass Isofluran in diesen Transportprozess eingreift“, so Saher.
Elektronenmikroskopische Aufnahme von Endothelzellen des Gehirns: Durch die Exposition mit Isofluran werden mehr Transportcontainer (Pfeile) gebildet. Credit: Lena Spieth & Gesine Saher.
„Wichtig für die sichere Anwendung war die Konzentration und Dauer der Anästhesie“, berichtet die Gruppenleiterin. Erhielten die Nager das Isofluran über längere Zeit in hoher Dosis, lagerte sich Flüssigkeit um die Blutgefäße ihres Gehirns an und bildete Ödeme. In Maßen angewandt, regenerierte die Blut-Hirn-Schranke sofort bei Abschalten der Betäubung. „Wenn wir den Mäusen das Isofluran in mittleren Dosen verabreichten, konnten wir die Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke wie mit einem Schalter steuern“, erklärt Lena Spieth, Erstautorin der Studie.
Tumorzellen (grün) wachsen entlang von Blutgefäßen (rot) invasiv ins Gehirngewebe ein. Credit: Lena Spieth & Gesine Saher.
Besonders interessant: In Mäusen, die an einem Hirntumor litten, wurde die Chemotherapie durch gleichzeitige Narkose mit Isofluran gefördert. „Inhalations-Anästhetika könnten zukünftig neue Wege eröffnen, Erkrankungen des Nervensystems mit Medikamenten zu behandeln“, sagt Saher.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Wilhelm Sander-Stiftung. Hier findet ihr die Originalpublikation.
Bildquelle: Lachlan Gowen, unsplash