Personal wandert ab, Chefärzte gehen in Teilzeit, Pfleger leiden an Burnout – Deutschlands Krankenhäuser sind am Limit. Der aktuelle AOK-Krankenhausreport gibt Einblicke.
Ambulantisierung, Notfallversorgung, Finanzierungsfragen – im Grunde gehört jeder strukturelle Teilaspekt der Krankenhausarbeit generalüberholt, um eine optimierte bedarfsgerechte Versorgung im Sinne der Patienten zu gewährleisten. Dass diese Mammutaufgabe im Bundesministerium bereits in vollem Gange sei (kommende Woche steht die nächste Bund-Länder Tagung an) und gute Ansätze enthält, betont die AOK – deutet mit ihrem aktuellen Krankenhausreport jedoch auch auf weitere kritische Aspekte und Herangehensweisen hin.
„Es geht darum, eine qualitätsorientierte Reform zu schaffen. Das Herzstück muss dabei die Zuweisung von Leistungsgruppen und -bereichen sein. Diese können die Grundlage dafür sein, Strukturanforderungen zu definieren, klare Versorgungsaufträge zu gestalten und an den Bedarf der Bevölkerung anzupassen“, erklärt die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Dr. Carola Reimann.
Mit dieser Qualitätssteigerung ist auch eine Optimierung der Arbeitssituation gemeint, die zu besseren Behandlungsmöglichkeiten führen soll. „33.000 Lebensjahre könnten gerettet werden, 4.700 Krebs-Sterbefälle könnten vermieden werden, wenn die Versorgung in zertifizierten Zentren stattfindet. Auch Folgeschäden von Schlaganfällen könnten minimiert werden, wenn Patienten automatisch in Häuser mit Stroke-Units gebracht würden“, gibt Reimann als Beispiel.
„Es bedarf Krankenhausstrukturen, die sinnvollere Personaleinsätze ermöglichen. Eine qualitätsorientierte Zentralisierung von Leistungen und größere und personell besser ausgerüstete Krankenhäuser führen dazu, dass diese flexibler agieren können“, ergänzt Prof. Jürgen Wasem, Lehrstuhlinhaber für Medizinmanagement der Universität Duisburg-Essen und Mitherausgeber des Krankenhaus-Reports.
Der Mediziner nimmt dabei Bezug auf das Schwerpunktthema „Personal“ des diesjährigen Krankenhausreports und macht auf den Stellenwert der Personalfrage aufmerksam, die allein bereits mannigfaltige Probleme mit sich bringt. Leiharbeit, Teilzeitmodelle, Überlastung, Abwanderung, demografischer Wandel, zu hohe Fallzahlen – die Liste an zu lösenden Problemen ist schier unendlich.
Doch es gibt sie, die Zahnrädchen, die gedreht werden müssen, um zu Lösungen zu kommen. Laut Wasem sind diese jedoch nicht in Gänze kongruent mit dem, was derzeit in Berlin zur Disposition steht. „Feste Versorgungsstufen lassen keine ausreichende Differenzierung zu. Wenn die Vorgaben nur von oben nach unten weitergegeben werden, ist es eine kalte Strukturbereinigung. Unnötige Vorhaltung von Fachpersonal müsse ebenfalls unbedingt vermieden werden. Viel eher muss eine Konzentration von Krankenhausleistungen stattfinden“, so Wasem. Auf diese Weise könne die Behandlungsqualität durch gut geschultes, eingespieltes Personal und das nötige technische Equipment vor Ort jeder Zeit garantiert werden. Ein weiterer Lösungsansatz des Papiers ist die Bereitstellung von fachübergreifenden Personalpools in den Krankenhäusern – was bei punktuellen Engpässen hilft, flexible Arbeit ermöglicht und die Personalsituation entspannt.
Und die Empfehlungen gehen weiter: In Sachen Ambulantisierung könne die Hebung des gesamten Potenzials bereits rund 4 % aller Krankenhausbelegungstage überflüssig machen, wenn man allein die „Top-Kurzlieger“ aus dem AOP-Katalog in den ambulanten Bereich übertrage. Leider gebe es in Deutschland noch zu viele Faktoren, die Patienten unnötigerweise in die stationäre Behandlung treiben. „In Deutschland gilt ja, wer bei 3 nicht auf den Bäumen ist, ist bei 5 im Bett. Das muss sich eindeutig ändern. Gleichzeitig warne ich davor, zu denken, dass man alles ambulantisieren könne. Es gibt Eingriffe, die sind an der Klinik ambulant machbar, können den Niedergelassen allerdings so nicht garantiert werden, weil das Equipment fehlt oder es eines Teams oder der Kooperation mit Krankenhäusern bedarf.“
Zuletzt sei neben den politischen Rahmenbedingungen aber auch das Krankenhausmanagement selbst gefragt, dem Personal entgegenzukommen. Bedeutet konkret: Die Arbeitsmodelle müssen so attraktiv und lebensnah gestaltet werden wie möglich. Bessere Angebote zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf müssen gemacht werden, Teilzeitmodelle müssen möglich gemacht werden, Weiterbildungen sollten machbar sein, die Arbeitsbelastung muss minimiert werden. Eine Erhöhung des Anteils ausländischer Arbeitskräfte müsse zudem als unterstützender Faktor in Erwägung gezogen werden – ohne jedoch die Gesundheitssysteme der Herkunftsländer zu sehr zu belasten.
„Es liegt letztlich nicht am Geld, sondern an den Arbeitsbedingungen und -verhältnissen, dass die Menschen den Gesundheitssektor verlassen. Viele Aussteiger finden die Situation zu schwierig. So ist auch der Anteil an Teilzeitkräften unter Ober- und Chefärzten gestiegen“, erklärt Wasem.
Wie die Ausgestaltung der Krankenhausreform nun aussehen wird, inwieweit die Praktiker Gehör fanden und welche Punkte übernommen wurden, zeigt sich spätestens Ende Juni, wenn Bund und Länder gemeinsame Eckpunkte vorlegen. Fest steht für die AOK, dass eine Reform allerdings nur mit „umfangreichen Investitionen der öffentlichen Hand“ gelingen könne, die für den Umbau der Krankenhaus-Strukturen erforderlich seien.
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