Bei soliden, nicht allzu großen Tumoren ergänzen Hitze oder Kälte die therapeutischen Möglichkeiten. Durch gezielte Hyperthermien können Chemotherapien effektiver auf Krebszellen wirken. Durch Kälteeinwirkung lassen sich ganze Tumoren zerstören.
Bereits 1886 berichtete der Chirurg Wilhelm Busch (1826-1881) von heilsamen Effekten von Fieber auf Neoplasien. Darauf baute Manfred von Ardenne (1997-1997) sein Konzept der Ganzkörper-Hyperthermie mit unspezifischer Erwärmung auf. In der modernen Onkologie versuchen Ärzte jedoch, nur solide Tumoren zu erhitzen und das umliegende Gewebe zu schonen.
Was die Behandlung mit Wärmeeinwirkung angeht, nennt das National Cancer Institute unter anderem folgende Verfahren:
Die Verfahren kommen heute vor allem in Kombination mit Chemo- oder Strahlentherapien zum Einsatz. Dadurch verbessern sich die Ergebnisse je nach Erkrankung mehr oder minder deutlich. Beispielsweise verlängerte eine regionale Tiefenhyperthermie zusammen mit einer neo-adjuvante Chemotherapie das Langzeitüberleben von Sarkom-Patienten. Wissenschaftler haben derzeit mehrere Hypothesen, um den Effekt zu erklären. Maligne Zellen sind von Natur aus zwar nicht besonders hitzeempfindlich. Hohe Temperaturen lösen jedoch apoptotische Effekte aus, und Strukturen gehen zu Grunde. Durch Wärmeeinwirkung wird die Durchblutung von Tumoren erhöht, sodass Zytostatika besser wirken. Größere Moleküle können Membranen auch besser passieren. Auch die Empfindlichkeit für ionisierende Strahlung nimmt zu.
Nicht nur Hitze, sondern auch Kälte eignet sich zur Therapie solider, lokal begrenzter Tumoren mit wenigen Zentimetern Durchmesser. Ärzte haben in den letzten Jahren die Kryochirurgie als Therapiemöglichkeit weiterentwickelt. Dabei führen sie unter MRT-Kontrolle dünne Therapiesonden mit Hohlspitze ein und kühlen diese auf minus 170 Grad Celsius. Der Tumor verwandelt sich je nach Ausdehnung mehr oder minder rasch in eine Eiskugel, und Zellen gehen zugrunde. Patienten berichten von leichten bis mittelschweren Schmerzen. Die Gabe oraler Nichtsteroidaler Antirheumatika (NSAIDs) reicht nach dem Eingriff aber meistens aus. Nervenbahnen können durch tiefe Temperaturen in Mitleidenschaft gezogen werden. Onkologen behandeln mit diesem Verfahren gutartige sowie bösartige Tumore nahezu aller Körperregionen. Mittlerweile liegen Erfahrungen zur organerhaltenden Behandlung von Brustkrebs, Knochenmetastasen, Prostatakrebs, Nieren- oder Leberkrebs sowie zu Lungenmetastasen vor. Im dermatologischen Bereich werden schon länger Warzen, Keloide, Aktinische Keratosen oder Basaliome mit tiefen Temperaturen behandelt. Gynäkologen setzen das Verfahren unter anderem bei zervikalen intraepithelialen Neoplasien ein. Giovanni Mauri vom Istituto Europeo di Oncologia in Milano verglich den technischen Erfolg verschiedener Ablationsverfahren bei Brustkrebs. Dabei schnitt die Kryochirurgie ähnlich gut ab wie Mikrowellen oder gepulster Ultraschall. Eine kürzlich abgeschlossene, industriefinanzierte Phase-2-Studie bestätigte den Erfolg anhand pathologischer Befunde. Bei 66 von 87 Patientinnen (75.9 Prozent) gelang Ärzten eine erfolgreiche Ablation. Auch beim lokal begrenzten Prostatakarzinom ist der Einsatz von Kälte sinnvoll. Liang Gao, Forscher an der chinesischen Sichuan University, zeigte mit einer Metaanalyse, dass die Überlebensresultate durchaus mit Strahlentherapien und radikalen Prostatektomien vergleichbar sind. Nicht zuletzt setzten Forscher Kryochirurgien auch in der palliativen Versorgung von Krebspatienten ein. Bei Bronchialkarzinomen verbesserte sich die Lungenfunktion und damit auch die Lebensqualität nach Kältetherapien, berichtet M. Omar Maiwand vom britischen Harefield Hospital.
Doch wie sieht die Realität bei uns aus? In den USA, in Frankreich oder in den Niederlanden gehören solche Verfahren längst zum Standard. Viele Kliniken bieten Patienten mit kleinen, lokal begrenzten Tumoren Kryochirurgien als Alternative an. Eine kürzlich veröffentlichte Befragung von mehr als 200 US-Urologen hat gezeigt, dass entsprechende Verfahren bei Prostatatumoren zur gängigen Praxis gehören. In Deutschland besteht noch gewaltiger Nachholbedarf. „Bei dem tumorzerstörenden Verfahren mittels Kälte gehören wir zu den Pionieren“, sagt Privatdozent Dr. Gebhard Schmid vom Johanna-Etienne-Krankenhaus in Neuss. Kliniken in Marburg oder Heidelberg bieten mittlerweile auch kryochirurgische Eingriffe an. Warum sind heimische Kollegen eher zurückhaltend? „Viele scheuen womöglich den Aufwand“, vermutet Schmid. Gesetzliche Krankenversicherungen sehen den Mehrwert durchaus. „Die Kryotherapie steht jedem Kassenpatienten offen“, ergänzt der Experte.