REFRESHER | Die Pollensaison ist im vollen Gange – Zeit für ein Therapie-Update! Welche Wirkstoffe ich in der Apotheke empfehle und was man bei der Anwendung beachten muss, lest ihr hier.
Da die Pollensaison wieder viele Patienten in die Apotheken spült, kommt hier ein Beratungsupdate zu allen apothekenpflichtigen systemischen und topischen Medikamenten, die leitliniengerecht empfohlen werden können. In diesem Teil des Refreshers befasse ich mich mit der topischen Therapie, in Teil 2 nehme ich die systemische Therapie unter die Lupe.
In den vergangenen Jahren stieg der Anteil der Menschen immer stärker an, die unter einer saisonalen Rhinokonjunktivitis leiden. Warum ist das so? Hier gibt es viele verschiedene Erklärungsversuche. Zum einen hat sich die Pollensaison durch die Klimaerwärmung verlängert. Das liegt am früheren Blühbeginn der Vegetation und längeren Pollenflugzeiten. Wahrscheinlich ist es ebenfalls so, dass bestimmte allergene Pflanzen gesundheitliche Konsequenzen durch Sensibilisierung oder Kreuzallergien nach sich ziehen. Beispiele dafür sind Ambrosia-, oder auch Olivenpollen. Auch beim Thema Kreuzallergien bietet sich viel Beratungsspielraum – denn häufig haben die Patienten darüber entweder gar nichts gehört, oder sie schränken sich viel zu stark ein, und verzichten beispielsweise als Birkenpollen-Allergiker komplett auf Äpfel oder Mandeln, obwohl diese erhitzt bzw. geschält keine Probleme verursachen würden.
Besonders relevant für die Beratung in der Apotheke sind sowohl die ARIA-Leitlinie (Allergic Rhinitis and its Impact on Asthma), als auch die US-amerikanische Leitlinie.
Die Apotheke steht hier also noch vor dem Hausarzt, was die Versorgung mit der Medikation für Betroffene mit saisonaler Rhinokonjunktivitis angeht. Das liegt vor allem daran, dass freiverkäufliche Medikamente im deutschen Gesundheitssystem grundsätzlich nicht zulasten der gesetzlichen Krankenversicherungen verordnungsfähig sind, wenn der Patient über 12 Jahre alt ist. Die meisten Medikamente bei Heuschnupfen, also viele Antihistaminika, intranasale Kortikosteroide (INCS) mit Fluticason, Beclometason und Mometason, die Mastzellstabilisatoren und die kurzzeitig einzunehmenden Alpha-Sympathomimetika sind nicht verschreibungspflichtig und fallen unter diese Regelung.
Trotzdem gilt weiterhin, dass vor dem Einsatz kortisonhaltiger Nasensprays die Diagnose der allergischen Rhinitis durch einen Arzt zwingend erforderlich ist, und der Patient volljährig sein muss. Zum Glück für viele schwer betroffene Patienten hat der gemeinsame Bundesausschuss bereits 2018 beschlossen, dass eine Verordnungsfähigkeit von INCS auf Kassenrezept „zur Behandlung bei persistierender allergischer Rhinitis mit schwerwiegender Symptomatik“ möglich ist.
Mometason- und fluticasonhaltige Nasensprays können einmal täglich, beclometasonhaltige Sprays zweimal täglich zur Anwendung empfohlen werden. Auch wenn die ein oder anderen Patienten schon zwölf Stunden nach der ersten Applikation eine Linderung der Symptome bemerken, setzt die volle Wirkung üblicherweise erst nach zwei bis drei Behandlungstagen ein. Das sollte bei der Beratung mitgeteilt werden, um für die ersten Behandlungstage überbrückend – falls nötig – ein schnellwirksames Antihistaminikum oder ein abschwellendes Nasenspray zusätzlich zu empfehlen. Wenn die Patienten vorher wissen, dass es ein bis drei Tage dauern kann, bis das Nasenspray wirkt, dann ist die Compliance außerdem besser. Bevorzugt sollten außerdem Mometason und Fluticason aufgrund ihrer längeren Verweildauer im Gewebe eingesetzt werden.
Wichtig ist außerdem immer wieder zu betonen, dass es sich bei den INCS um Suspensionssprays handelt, die vor der Anwendung geschüttelt werden müssen. Das Naseputzen vor dem Einsprühen ist zudem obligatorisch, wie auch das sogenannte Überkreuzsprühen in Richtung Augenwinkel. Dabei wird ein Nasenloch zugehalten und mit der linken Hand ins rechte Nasenloch, mit der rechten Hand ins linke Nasenloch gesprüht, um eine Nasenseptumperforation und Nasenbluten zu vermeiden. Während des Sprühvorgangs sollten die Patienten leicht einatmen. INCS können während der gesamten Pollensaison kontinuierlich angewendet werden; manchmal ist eine geringere Tagesdosis möglich, wenn sich ein stabiler Gesundheitszustand eingestellt hat.
Zu bedenken ist bei der Beratung auch die Frage, ob eine unbehandelte Infektion (beispielsweise eine Herpesinfektion in der Nase) vorliegt, denn der Einsatz von INCS kann diese verschlimmern. Das gleiche gilt im Übrigen für Operationen oder anderweitige Verletzungen im Nasenraum. Auch immunsupprimierte Patienten sind von der Behandlung mit INCS in der Apotheke ausgeschlossen. Sie müssen einen Arzt aufsuchen, der das Risiko des Einsatzes abwägt.
Der Einsatz des Mastzellstabilisators Cromoglicinsäure zur nasalen Anwendung als zweite Wahl ist möglich. Der Nachteil besteht in der Häufigkeit der Anwendung und dem verzögerten Wirkungseintritt, denn Nasensprays mit Cromoglicinsäure sollten bereits 14 Tage vor dem Beginn der Symptome eingesetzt werden. Die Vorteile bestehen in der größeren Patientengruppe, denn Cromoglicin kann auch bei jüngeren Kindern und Schwangeren eingesetzt werden.
Etwas in den Hintergrund gerückt sind levocabastinhaltige Nasensprays, die wie azelastinhaltige Nasensprays ein H1-Antihistaminikum als Wirkstoff enthalten. Beide sind aber laut ARIA-Leitlinie weiterhin für den Einsatz empfohlen und wirken laut Studienlage mit am schnellsten. Kommen die Patienten also akut leidend in die Apotheke, dann sind sie Mittel der Wahl, wobei sich bei Azelastinsprays viele über den bitteren Geschmack beklagen. Bei Levocabastin ist es wichtig zu betonen, dass es sich um ein Suspensionsspray handelt, das vor Gebrauch geschüttelt werden muss.
Schnell gehen muss es auch bei gereizten Augen, die meist noch schwerer zu ertragen sind, als die Heuschnupfennase. Hier teilt sich die Beratungsmöglichkeit wie bei den Nasensprays auch unter den Wirkstoffen Cromoglicin, Azelastin und Levocabastin auf, zusätzlich möglich ist der Einsatz von Augentropfen mit dem Wirkstoff Ketotifen. Ketotifen hat Levocabastin gegenüber den Vorteil, dass es zusätzlich noch eine entzündungshemmende- und mastzellstabilisierende Wirkung hat. Beide wirken deutlich schneller als Cromoglicin – was wie das Nasenspray auch eher zur Prophylaxe, denn zur Akutbehandlung geeignet ist.
Weitere Wirkstoffe wie Glukokortikoide, welche die wirksamste Therapie darstellen, sind im Bereich der Augen immer verschreibungspflichtig, denn hier sind weitere Vorerkrankungen wie ein Katarakt oder ein erhöhter Augeninnendruck zu berücksichtigen. Gegen die akute Augensymptomatik mit geröteten und tränenden Augen sind immer noch die Alpha-Sympathomimetika Naphazolin bzw. Tetryzolin sehr beliebt. Die Blutgefäße in den Augen werden verengt, was die Rötung schnell abklingen lässt und auch das Tränen deutlich verringert. Da sie bei einer Anwendung von länger als 5 bis 7 Tagen zu trockenen Augen führen können und die Bindehaut während der Anwendung schlechter durchblutet wird, sind sie nur für den kurzzeitigen Gebrauch bestimmt – was nicht zu einer allergischen Rhinokonjunktivitis passt, die ja per se länger Probleme bereitet.
Wie bei xylometazolinhaltigen Nasensprays besteht bei dauerhaftem Gebrauch zudem die Gefahr der Gewöhnung. Die Gefäße der Bindehaut weiten sich nach dem Absetzen stark, was zu weiterem unsachgemäßem Gebrauch der Augentropfen führt. Glücklicherweise gibt es hier bei weitem nicht so viele „Abhängige“ wie bei den Nasensprays.
Als Zusatzempfehlung für alle Heuschnupfengeplagten eignet sich eine Nasendusche mit einer salzhaltigen Spüllösung um die allergieauslösenden Pollen aus der Nase herauszuspülen. Die allgemeinen Hinweise, wie abendliches Duschen, Lüften nur am frühen Morgen oder nach einem Regenschauer, Allergenkarenz, das Vermeiden von Tabakrauchexposition, der Einbau eines Pollenfilters im Auto und die passende Hautpflege – denn viele Allergiker sind auch Atopiker –, die Vermeidung eines schimmelpilz-fördernden Innenraumklimas und das Abbauen von Übergewicht bleiben wie in den vergangenen Jahren unverändert.
Bildquelle: Alex Jones, unsplash