Frühlingszeit ist Pollenzeit: Geplagte suchen jetzt wieder häufiger die Arztpraxis auf. Welche Therapie macht Sinn, und was gehört in die Tonne? Unser Allergie-Überblick.
Pollen fliegen – je nach Region und Höhenlage – mittlerweile fast immer. Durch milde Temperaturen haben im Westen Deutschlands bereits Ende Dezember Haseln und Purpurerlen geblüht, bei eher geringer Belastung. Nach einer mehr oder weniger ausgeprägten Pause ging es im Februar mit Haseln und Erlen weiter. Und im April begannen Birken, Eschen und Hainbuchen, richtig durchzustarten.
Nasse Tage lindern zwar das Leid von Allergikern. Doch der Frühling mit starkem Pollenflug hat Einzug gehalten – und Heuschnupfen ist alles andere als eine Bagatellerkrankung. Beispielsweise sacken Schüler, deren allergische Rhinitis nicht behandelt wird, während der Pollensaison mit 40-prozentiger Wahrscheinlichkeit um eine Notenstufe ab. Umso wichtiger sind evidenzbasierte Therapien gegen juckende, brennende Augen, Fließschnupfen und Niesattacken; Vermeidungsstrategien allein reichen selten aus.
Dazu ein Blick in die Leitlinie. Medikamente der ersten Wahl sind H1-Antihistaminika wie Cetirizin, Levocetirizin, Desloratadin und Loratadin. Patienten schätzen Cetirizin vor allem wegen seines niedrigen Preises. Doch bei bis zu 10 Prozent passiert der Wirkstoff die Blut-Hirn-Schranke. Betroffene fühlen sich müde und ihre Verkehrstauglichkeit ist eingeschränkt. Ein älterer Vergleich zeigt erhebliche Unterschiede zu Loratadin, was gegen Cetirizin spricht. Für Erwachsene und Jugendliche ab zwölf Jahren steht seit Januar Bilastin als weiteres H1-Antihistaminikum Verfügung. Die Wirkung tritt schnell ein und hält lange an.
Bei mittelschwerem bis schwerem Heuschnupfen empfiehlt die Leitlinie Glucocorticoide. Dazu zählen Budesonid, Flunisolid (Rx), Fluticason oder Mometason als Nasenspray, gegebenenfalls zusammen mit Antihistaminika oder mit Azelastin. Die Wirkung des Glucocorticoids tritt erst nach mehreren Tagen ein; das Antihistaminikum sorgt für eine raschere Linderung der Beschwerden.
Für Patienten ist „das Kortison“ immer noch ein rotes Tuch. Was vielen nicht klar ist: Die topische Langzeitanwendung gilt als sicher, sogar über Jahrzehnte hinweg. Bei nasaler Applikation bleiben Wirkstoffe aufgrund ihrer Lipophilie lange im Gewebe. Zur ersten Wahl zählt auch oral einzunehmendes Montelukast (Rx), ein Leukotrienrezeptor-Antagonist. Der Wirkstoff zeigt eine ähnliche Wirksamkeit wie orale Antihistaminika.
Generell raten die Leitlinienautoren, Patienten sollten ihre Beschwerden regelmäßig, nicht nur zu Therapiebeginn, bewerten. Die Angaben sind für Ärzte eine wertvolle Hilfe, um zu entscheiden, ob Änderungen der Behandlung erforderlich sind. Dazu zählen auch der richtige Zeitpunkt, Pharmakotherapien wieder zu beenden oder bei ausbleibender Wirkung Patienten zum Allergologen zu überweisen.
Gewarnt sei vor den beliebten alpha-Sympathomimetika wie Xylometazolin oder Oxymetazolin als Langzeittherapie. Sie lassen die Schleimhaut rasch abschwellen und beheben die Obstruktion, ohne andere Symptome des Heuschnupfens abzumildern. Mittelfristig können sie zur Arzneimittel-Rhinitis führen. Augentropfen mit Tetryzolin wirken schleimhautabschwellend und blutgefäßverengend. Auch sie eignen sich aber nur zur kurzfristigen Anwendung.
Die bekannte Cromoglicinsäure in Nasensprays ist den Leitlinienautoren keine Empfehlung mehr wert; sie wirkt schwächer als moderne H1-Antihistaminika oder als topische Glucocorticoide. Außerdem halten sich nicht alle Patienten an die mehrfache Anwendung pro Tag, was Effekte weiter abschwächt. Und die Wirkung tritt im Vergleich zu anderen Pharmakotherapien verzögert ein.
Steht die Therapie fest, folgt für viele Patienten ein böses Erwachen. Denn Ärzte stellen ihnen oft ein grünes Rezept aus oder geben nur eine Empfehlung. OTCs können laut V. Sozialgesetzbuch, § 34, lediglich Kindern bis zum vollendeten zwölften Lebensjahr oder Jugendlichen mit Entwicklungsstörungen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr zu Lasten der GKV verordnet werden.
Dennoch gibt es – wenig beachtete – Besonderheiten: Laut Anlage I der Arzneimittel-Richtlinie haben Ärzte die Möglichkeit, nicht rezeptpflichtige Antihistaminika „bei persistierender allergischer Rhinitis mit schwerwiegender Symptomatik, bei der eine topische nasale Behandlung mit Glukokortikoiden nicht ausreichend ist“, zu Lasten der GKV zu verordnen. Das gilt auch für „Glukokortikoide, topisch nasal nur zur Behandlung bei persistierender allergischer Rhinitis mit schwerwiegender Symptomatik“.
Doch welche Patienten gehören zu der Gruppe? Auch hier gibt die Leitlinie Ärzten eine Hilfestellung an die Hand:
Doch solche Pharmakotherapien lindern nur die Beschwerden; kurativ wirken sie nicht. Eine Hyposensibilisierung, auch allergenspezifische Immuntherapie genannt, beseitigt die Ursache – sprich die überschießende Reaktion des Immunsystems.
Die Leitlinienautoren raten zu einem schrittweisen Vorgehen. Generell kommen Patienten mit mittlerer bis schwerer Rhinitis mit oder ohne Rhinokonjunktivitis dafür infrage. Bei ihnen ist die Sensibilisierung auf relevante Aeroallergene per Hauttest oder spezifische IgE-Antikörper nachzuweisen. Sie erhalten initial eine leitliniengerechte Pharmakotherapie. Sprechen Patienten darauf nicht ausreichend an, ist ihre Adhärenz schlecht oder haben sie den Wunsch, kann eine allergenspezifische Immuntherapie in Betracht gezogen werden. Auch diese Behandlung ist von Krankenkassen zu erstatten.
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