Ein Forscherteam hat Stammzellen angeregt, die Entstehung des menschlichen Herzens nachzubilden. Das Ergebnis ist ein Organoid, ein Miniatur-Herz. Damit lassen sich die früheste Phase der Entstehung unseres Herzens studieren und Erkrankungen erforschen.
Etwa drei Wochen nach der Empfängnis beginnt das menschliche Herz, sich zu formen. Damit liegt die frühe Phase der Herzentwicklung in einer Zeit, in der viele Schwangerschaften noch unbemerkt bleiben. Auch deshalb sind viele Details der Herzbildung unbekannt. Untersuchungen an Tieren lassen sich ebenfalls nur bedingt auf Menschen übertragen. Ein Organoid, der an der Technischen Universität München (TUM) entwickelt wurde, könnte nun die Forschung voranbringen.
Das Team um Alessandra Moretti, Professorin für Regenerative Medizin kardiovaskulärer Erkrankungen, hat eine Methode entwickelt, um aus pluripotenten Stammzellen ein Mini-Herz herzustellen. Rund 35.000 Zellen werden in einer Zentrifuge zu einer Kugel verdichtet. Über mehrere Wochen werden der Zellkultur dann nach einem festen Protokoll immer wieder neue Signalmoleküle zugesetzt. „Wir imitieren so die Signalwege im Körper, die das entwicklungsbiologische Programm des Herzens steuern“, erläutert Moretti. Das Team stellt das Verfahren in Nature Biotechnology vor.
Die Organoide, die so entstehen, haben einen Durchmesser von etwa einem halben Millimeter. Blut pumpen können sie nicht. Sie sind aber elektrisch erregbar und in der Lage, wie menschliche Herzkammern zu kontrahieren. Dem Team um Moretti ist es weltweit erstmals gelungen, in einem Organoid Kardiomyozyten und Epikard-Zellen entstehen zu lassen. In der jungen Geschichte der Herz-Organoide – die ersten wurden 2021 beschrieben – konnten bislang nur solche mit Herzmuskelzellen und Endokard-Zellen hergestellt werden.
Verschiedene Entwicklungsstufen der Herz-Organoide (Epicardioids); Credit: Alessandra Moretti, TUM.
„Um die Entstehung des Herzens zu verstehen, sind Epikard-Zellen entscheidend“, sagt Dr. Anna Meier, Erstautorin der Studie. „Aus diesen Zellen entwickeln sich weitere Zelltypen des Herzens, zum Beispiel Zellen des Bindegewebes und der Blutgefäße. Das Epikard spielt auch für die Bildung der Herzkammern eine sehr wichtige Rolle.“ Die neuen Organoide hat das Team dementsprechend „Epicardioids“ getauft.
Neben der Methode zur Herstellung der Organoide schildern die Forscher erste neue Erkenntnisse. Durch Einzelzellanalysen haben sie herausgefunden, dass sich ungefähr an Tag sieben der Entwicklung des Organoids Vorläuferzellen bilden, die erst kürzlich in Mäusen entdeckt wurden. Aus diesen Zellen bilden sich die Epikard-Zellen. „Wir gehen davon aus, dass es diese Zellen auch im menschlichen Körper gibt – wenn auch nur für wenige Tage“, sagt Moretti.
Möglicherweise liefern diese Erkenntnisse auch Anhaltspunkte dafür, warum das fetale Herz sich selbständig reparieren kann. Das Herz eines erwachsenen Menschen ist dazu fast gar nicht in der Lage. Dieses Wissen könnte dazu beitragen, neue Behandlungsmethoden für Herzinfarkte und andere Erkrankungen zu finden.
Das Team konnte darüber hinaus zeigen, dass sich anhand der Organoide auch Erkrankungen individueller Patienten untersuchen lassen. Aus pluripotenten Stammzellen eines Menschen, der an dem Noonan-Syndrom erkrankt ist, erzeugten die Forscher Organoide, die Merkmale der Erkankung in der Kulturschale spiegelten. In den kommenden Monaten will das Team weitere angeborene Fehlbildungen des Herzens anhand solcher personalisierter Organoide untersuchen.
Durch die Möglichkeit, Erkrankungen des Herzens in Organoiden abzubilden, könnten Wirkstoffe in Zukunft direkt an diesen getestet werden. „Durch solche Tests könne man perspektivisch die Zahl der notwendigen Tierversuche bei der Entwicklung eines Medikaments reduzieren“, sagt Moretti.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Technischen Universität München. Die Studie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Rodion Kutsaiev, Unsplash