Die Luftqualität hat einen Einfluss darauf, wie allergen Pollen sind – behauptet zumindest ein Forscherteam. Unabhängige Experten sind sich da aber nicht so sicher.
Für Pollenallergiker verspricht der April nichts Gutes: Die Birken blühen! Städter könnten damit größere Probleme haben, denn möglicherweise sind Birkenpollen an Orten mit hoher Luftverschmutzung allergener als Pollen aus Gebieten mit sauberer Luft. Deswegen könnten Menschen in luftverschmutzten Gebieten häufiger Allergien haben – obwohl sie desensibilisiert wurden. So lautet zumindest das Ergebnis einer Studie, die in Plos One erschienen ist.
Die Wissenschaftler untersuchten dazu die Birkenblüten von mindestens 3 Bäumen (Betula pendula) an 7 Standorten mit unterschiedlicher Luftqualität. Die Orte, an denen sie jeweils Proben von mindestens 3 Bäumen nahmen, verteilten sich über das Stadtgebiet Krakau in Polen und drei kleinere Städte. Ein Waldgebiet diente als Referenz für wenig vermutzte Luft. Im Labor untersuchten die Forscher den entnommenen Pollen anschließend auf seine Eigenschaften.
Als Hauptallergen von Birkenpollen gilt das Protein Bet v1, gegen das Allergiker spezifische IgE-Antikörper bilden. Wie sich herausstellte, war die Konzentration dieses Allergens in Proben von Orten mit mehr Luftverschmutzung höher. Mithilfe der Raman-Spektroskopie konnten sie außerdem zeigen, dass sich das Protein auf Ebene der Faltung in den jeweiligen Proben unterschied. Eine höhere Luftverschmutzung ging dabei mit einer veränderten Struktur des Proteins einher, was möglicherweise Auswirkungen auf die Funktion hat. Die Wissenschaftler kommen zu dem Schluss, dass Luftverschmutzung Bet v1 allergener macht und es deswegen zu einem häufigeren Auftreten von Allergien bei desensibilisierten Personen kommt.
An dieser Schlussfolgerung gibt es allerdings Kritik. Zwar wird ein indirekter Einfluss von Luftschadstoffen auf Allergiker – über die Schadstoffbelastung allergener Pflanzen – unter Experten durchaus diskutiert. Aber die Methodik der Wissenschaftler, die diese Behauptung untermauern könnte, lässt zu wünschen übrig. „Woher weiß man, dass die unterschiedliche Bet v1-Gehalte nicht ein Artefakt der Probennahme sind?“, fragt etwa Prof. Jeroen Buters, Stellvertretender Direktor des ZAUM-Zentrums für Allergie & Umwelt und Leiter der Arbeitsgruppe Umwelt am TUM-Helmholtz Zentrum München. Der Gehalt von Bet v1 könne sich innerhalb eines Tages dramatisch erhöhen, denn er hänge stark vom Reifungsprozess ab. Entscheidend sei also der Sammelzeitpunkt. „Drei Bäume pro Ort als Probe zu nehmen, reicht nicht aus“, meint Buters.
Auch Dr. Stefanie Gilles, Leiterin des Fachbereiches Umwelt-Immunologie an der Universität Augsburg bemängelt die Methodik der Forscher: „Die Schlussfolgerung, dass die beobachteten Unterschiede an den Pollen tatsächlich zu einer verstärkten Immunreaktion bei Allergikern führen, ist nicht zulässig, da keinerlei entsprechende Tests an Patienten mit den Pollenproben durchgeführt wurden.“ Versuche in vitro (Immunoblots mit Patienten-Seren, Basophilen-Aktivierungstest), im Mausmodell oder an Birkenpollenallergikern (nasale Provokation, Haut-Pricktest, Expositionskammer) seien unerlässlich, um eine solche Aussage zu stützen, so Gilles.
Generell sei das Thema aber wichtig, denn „wegen ihres attraktiven Aussehens und der relativen Toleranz gegenüber Umweltfaktoren wurden Birken in der Vergangenheit häufig auch in städtischen Wohngebieten angepflanzt“, so Gilles. Birken seien allerdings auch die am stärksten allergenen Bäume in kühlen und gemäßigten Klimazonen und lösten bei 10 bis 30 % der Bevölkerung allergischen Schnupfen und Asthma aus. „Bei der Planung neuer Grünflächen könnte in Zukunft darauf geachtet werden, keine stark allergenen Pflanzen wie Hasel, Erle oder Birken an Stellen zu pflanzen, in der die Belastung mit Luftschadstoffen hoch ist“, meint Gilles.
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