Menschen mit Vorhofflimmern profitieren von einer frühen rhythmuserhaltenden Therapie – dies belegt eine europaweite Studie. Doch lohnt sich der Aufwand finanziell? Experten haben nun die Kosteneffektivität geprüft.
Vorhofflimmern ist eine zunehmende Volkskrankheit: Experten schätzen, dass die Zahl der Vorhofflimmerpatienten in Europa bis 2060 vermutlich auf rund 18 Millionen steigen wird. Die Betroffenen haben ein erhöhtes Risiko für Schlaganfälle und andere schwere Komplikationen, die mit hohen Behandlungs- und Pflegekosten einhergehen und zu einer zunehmenden finanziellen Belastung der Gesundheitssysteme führen werden.
Eine neue europaweite Studie namens EAST – AFNET 4 (Early Treatment of Atrial Fibrillation for Stroke Prevention) belegt, dass eine frühzeitige rhythmuserhaltende Therapie mittels Antiarrhythmika oder Katheterablation die Prognose von Betroffenen mit kardiovaskulären Risikofaktoren verbessert. Im Vergleich zur üblichen Behandlung führte die Therapie zu weniger herz-kreislauf-bedingten Todesfällen, Schlaganfällen und Krankenhausaufenthalten wegen Verschlechterung einer Herzschwäche oder akutem Koronarsyndrom.
In der Studie wurden mehr als 2.700 Patienten mit kürzlich diagnostiziertem Vorhofflimmern – innerhalb eines Jahres nach Diagnose – und kardiovaskulären Risikofaktoren über einen Zeitraum von fünf Jahren behandelt und beobachtet. Dabei wurden sie in zwei Gruppen eingeteilt: Eine Gruppe erhielt die übliche Behandlung (UC), während die andere Gruppe Maßnahmen zum frühen Rhythmuserhalt (ERC) erhielt. „Der gesundheitliche Nutzen des frühen Rhythmuserhalts ist erwiesen. Allerdings wurde die Wirtschaftlichkeit der neuen Behandlungsstrategie bisher nicht überprüft. In der aktuellen Analyse haben wir zum ersten Mal die Kosteneffektivität der frühen rhythmuserhaltenden Therapie gegenüber der üblichen Behandlung untersucht,“ erklärt Sophie Gottschalk vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.
Für die Kosteneffektivitätsanalyse wurden die Kosten der Hauptfaktoren – Krankenhausaufenthalte und Medikation – berechnet. Als Maß für den Behandlungseffekt wurden in der Kosteneffektivitätsanalyse zum einen die Zeit bis zum Auftreten eines primären Ereignisses (Tod, Schlaganfall, Krankenhausaufenthalt etc.) und zum anderen die im Beobachtungszeitraum überlebte Zeit herangezogen. Für beide Behandlungseffekte wurden inkrementelle Kosteneffektivitätsrelationen (ICERs) berechnet, das als Maß für die Zusatzkosten, die für ein zusätzliches Jahr ohne kardiovaskuläre Komplikationen bzw. für ein zusätzliches Lebensjahr aufgebracht werden müssen, dient.
Da ICERs allerdings nur einen statistisch unsicheren Durchschnittswert liefern, wurde in der aktuellen Analyse für hypothetische Zahlungsbereitschaftswerte berechnet, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine frühe rhythmuserhaltende Therapie kosteneffektiv ist. Die Analyse zeigt: Früher Rhythmuserhalt war mit durchschnittlichen Zusatzkosten von 1.924 Euro verbunden. Daraus ergeben sich ICERs von 10.638 Euro pro zusätzlichem Jahr ohne Ereignis bzw. 22.536 Euro pro hinzugewonnenem Lebensjahr. Die Unsicherheitsanalyse zeigte, dass hohe Wahrscheinlichkeiten für die Kosteneffektivität der frühen rhythmuserhaltenden Therapie zu hypothetischen Zahlungsbereitschaften von ≥ 55.000 Euro pro ereignisfreiem Lebensjahr (≥ 95 %) bzw. pro hinzugewonnenem Lebensjahr (≥ 80 %) erreicht werden können.
„Diese Analyse legt nun nahe, dass die frühe rhythmuserhaltende Behandlung im deutschen Gesundheitssystem möglicherweise zu akzeptablen Zusatzkosten erreicht werden kann. Auch wenn eine Übertragbarkeit innerhalb Europas plausibel erscheint, sind weitere Analysen der Kosten einer frühen rhythmuserhaltenden Behandlung in anderen Ländern sinnvoll“, fasst Prof. Paulus Kirchhof, wissenschaftlicher Leiter der Studie, zusammen. Weitere Subgruppenanalysen zeigten außerdem, dass auch Menschen mit Herzschwäche und asymptomatischem Vorhofflimmern sowie Menschen mit vorherigem Schlaganfall von der der frühen rhythmuserhaltenden Therapie profitieren können.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET). Hier findet ihr die Originalpublikation.
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