Wissenschaftler arbeiten intensiv daran, Organtransplantationen von Schweinen auf den Menschen zu ermöglichen. Einige der tierischen Genome könnten jedoch infektiöse Retroviren enthalten – kann man diese entfernen?
Aktuell stehen in Deutschland mehr als 8.500 Patienten auf der Warteliste für eine Organspende. Da speziell gezüchtete Schweine als potentielle Spender für Menschen infrage kommen, forschen Wissenschaftler intensiv, um eine Transplantation von Tier auf Mensch zu ermöglichen. Im Schweinegenom befinden sich allerdings die Genome verschiedener endogener Retroviren (PERV A, B and C), die möglicherweise Infektionskrankheiten verursachen könnten.
Ein Forschungsteam des Paul-Ehrlich-Instituts hat nun bei Yucatan-Miniaturschweinen (Haplotyp SLA D/D) nachgewiesen, dass das ein Typ der tierischen Retroviren – die porzinen endogene Retroviren, kurz PERV-C – vermehrungsfähig und auch für den Menschen infektiös sein könnte: Bei einer Xenotransplantation bestehe dann das Risiko, dass endogene Retroviren als Viruspartikel auf den Empfänger übertragen werden und Krankheiten hervorrufen. Aufgrund der Verankerung der Retrovirusgenome im Genom jeder Zelle des Schweins war eine Entfernung der Retroviren oder eine Züchtung von Spenderschweinen ohne Virus-Genome bisher nicht möglich.
Das Forscherteam demonstrierte, dass PERV-A und -B in vitro nicht nur Schweinezelllinien infizieren können, sondern auch in der Lage sind, Zelllinien anderer Spezies zu infizieren und sich dort weiter zu vermehren. Da die Retroviren polytrop sind, können sie Speziesbarrieren überwinden und möglicherweise nach Übertragung auch Menschen infizieren. Dagegen können Retroviren des Typs PERV-C hauptsächlich Schweinezellen, aber nicht menschliche Zellen, infizieren. In Laborversuchen beobachteten Forscher jedoch, dass PERV-C mit PERV-A rekombinieren kann, was zu PERV-A/C führte, welches menschliche Zellen infiziert.
Yucatan-Schweine besitzen weder ein voll funktionsfähiges PERV-A-, noch ein voll funktionsfähiges PERV-B-Genom, so dass keine infektiösen oder vermehrungsfähigen Retrovirus-Partikel gebildet werden. Die Haplotyp SLA D/D-Schweine können aber PERV-C-Genomträger sein. Bisher ging man davon aus, dass daraus entstehende PERV-C-Retroviruspartikel nicht vermehrungsfähig und nicht infektiös sind, sofern diese Schweine nicht mit PERV-A infiziert werden.
Das Team unter Leitung von Prof. Ralf Tönjes befasste sich daher mit der Frage, ob nicht doch PERV-C selbst auch replikationskompetent sein könnte. Bei der Charakterisierung von PERV-C aus Zellen der Schweinerasse Haplotyp SLA D/D stellten die Forscher fest, dass diese PERV-C in vitro durchaus in Zellkultur vermehren können und damit infektiös sind. Dies würde ein Risiko bei Transplantationen bedeuten. Die gute Nachricht: Da diese PERV-C-Genome im Schweinegenom nur einmal vorkommen, wäre ein Knock-out durch Genom-Editierung, d. h. die zielgerichtete Veränderung der DNA des Schweins, möglich. Damit wäre bei den Schweine-Organen kein Übertragungsrisiko von PERV bei der Xenotransplantation gegeben.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Paul-Ehrlich-Instituts – Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel. Hier findet ihr die Originalpublikation.
Bildquelle: Diego San, unsplash