Wie hängen vibrierende Pillen und betrunkene Mäuse mit Ludwig van Beethoven zusammen? Findet es in unseren Nerd News heraus!
Chronische Verstopfungen sind ein weit verbreitetes Problem. Laxantien können zwar helfen, sind aber aufgrund ihrer unangenehmen Nebeneffekte und ihres negativen Einflusses auf das Darmmikrobiom keine dauerhafte Lösung. Eine neue nicht-pharmakologische Intervention soll’s besser machen: kleine vibrierende Kapseln, die den Dickdarm von innen heraus zur Aktivität ermuntern sollen.
Wie funktioniert das Ganze? Die kleinen Kunststoffkapseln werden vor dem Schlafengehen wie eine Pille geschluckt, sodass sie genügend Zeit haben, um bis zum Morgen den Dickdarm zu erreichen. Sie werden zuvor so programmiert, dass sie sich morgens und zur Mittagszeit aktivieren und zu vibrieren beginnen. Eine Vibrationssitzung dauert zwei Stunden und besteht aus 3-sekündigen Stimulationsphasen im Wechsel mit 16-sekündigen Ruhepausen. Nach Ende der beiden Sitzungen verstummen die Kapseln und werden mit dem Darminhalt auf natürlichem Wege wieder ausgeschieden.
Eine nun in Gastroenterology veröffentlichte Phase-3-Studie demonstriert die Sicherheit und Wirksamkeit der Kapseln. In der multrizentrischen Studie erhielten die 308 (vornehmlich weiblichen) Teilnehmer mit chronischer Obstipation nach Zufallsprinzip die vibrierenden Kapseln oder eine Placebo-Pille. Nach Auswertung der 8-wöchigen Testphase zeigte sich: Die Probanden, die die vibrierende Kapsel einnahmen, vermeldeten ca. doppelt so viele spontane Stuhlgänge pro Woche, wie die Patienten der Kontrollgruppe. Bedeutende Nebenwirkungen fielen nicht auf. 11 % der Anwender berichteten allerdings, ein leichtes Vibrationsgefühl zu verspüren – was sie aber nicht von der weiteren Anwendung der Kapseln abhielt.
Die Pillen wurden bereits im August letzten Jahres von der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA zugelassen – ob sie auch den Sprung nach Europa schaffen, bleibt hingegen abzuwarten.
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Bleiben wir beim Thema Darmerkrankungen. Diese Woche sorgte die DNA-Analyse eines besonders berühmten Patienten mit Magen-Darm-Beschwerden für viel Aufsehen: Ludwig van Beethoven. Ein internationales Forscherteam konnte 5 höchstwahrscheinlich authentische Haarproben des Komponisten identifizieren und so sein Genom unter die Lupe nehmen – und machte darin die ein oder andere aufschlussreiche Entdeckung.
Zu seinen Lebzeiten litt Beethoven an einigen gesundheitlichen Problemen, wie aus seinen Konversationsbüchern hervorgeht. Am bekanntesten ist darunter selbstverständlich der progrediente Hörverlust des Komponisten. Aber er litt auch unter chronischen Schmerzen des Magen-Darm-Trakts, die sich im Laufe seines Lebens verschlimmerten. Für beide Krankheitsbilder konnten die Forscher zwar keine definitiven genetischen Ursachen ausfindig machen – allerdings gelang es ihnen, Zöliakie, Laktoseintoleranz und auch ein Reizdarmsyndrom relativ sicher als Ursache für die Verdauungsprobleme auszuschließen.
Weiterhin fanden die Forscher in Beethovens Genom eine Veranlagung für Lebererkrankungen sowie Hinweise auf eine Hepatitis-B-Infektion des Komponisten. Aus historischen Aufzeichnung ist bekannt, dass Beethoven zeit seines Lebens Alkohol konsumierte, auch wenn sich das tatsächliche Ausmaß seines Alkoholkonsums heutzutage schwerlich einschätzen lässt. Das Zusammenspiel dieser drei Faktoren liefert nach Ansicht der Autoren aber eine mehr als plausible Erklärung für Beethovens schwere Lebererkrankung, die höchstwahrscheinlich zu seinem Tod führte.
Die DNA-Analyse war auch für eine Überraschung gut: In Beethovens direkter väterlicher Linie muss es ein – wie die Forscher es nüchtern ausdrücken – außereheliches „Ereignis“ gegeben haben. Denn zwischen ihm und seinen fünf heute lebenden Verwandten (die den Nachnamen Beethoven tragen und die ihre Abstimmung anhand genealogischer Aufzeichnungen auf einen gemeinsamen Vorfahren in Beethovens väterlicher Linie zurückverfolgen können), fand sich keine y-chromosomale Übereinstimmung. Heißt: Irgendwo zwischen Beethovens Ur-ur-ur-ur-ur-Großvater Hendrik van Beethoven und Ludwig van Beethoven selbst hat wohl jemand ein außerehelich gezeugtes Kind in den Stammbaum geschmuggelt.
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Kommen wir nochmal zurück auf den Alkoholkonsum. Den gibt es nicht nur beim Menschen – auch andere Säugetiere kommen ganz natürlich mit Ethanol in Kontakt, wenn sie vergorenes Obst konsumieren, und auch bei ihnen kann der Stoff berauschend wirken. Ähnlich wie beim Menschen kommt es dabei zum Verlust von Koordination und Bewusstsein. Forscher berichten nun in Cell Metabolism von einem möglichen Weg, den Rausch schneller zu beenden.
Beim Menschen und auch im Modellorganismus Maus induziert Ethanol in der Leber die Ausschüttung des Hormons FGF21, welches anscheinend der Intoxikation entgegenwirkt und – zumindest bei Mäusen – ein schnelleres Erwachen aus dem Rausch stimuliert. Die Forscher fanden heraus, dass gentechnisch veränderte Mäuse ohne FGF21 länger brauchen, um nach einer Ethanol-Exposition ihren Aufrichtungsreflex, ihr Gleichgewicht und ihre motorische Koordination wiederzuerlangen. Die Verabreichung von pharmazeutischem FGF21 halbierte bei Mäusen des Wildtyps hingegen die Erholungszeit. Die Metabolisierung des Ethanols wurde durch die An- oder Abwesenheit des Hormons nicht beeinträchtigt.
Der „ernüchternde“ Effekt war dabei dosisabhängig. Weiterhin konnten die Forscher aufschlüsseln, dass die antitoxische Wirkung durch eine direkte Aktivierung noradrenerger Neuronen im Locus coeruleus vermittelt wird – eine Region im Gehirn, welche Erregung und Wachsamkeit des Organismus reguliert. Interessanterweise war die Wirkung von FGF21 allerdings auf Ethanol beschränkt; bei anderen Betäubungsmitteln wie Ketamin, Diazepam oder Pentobarbital konnte die Hormongabe nichts ausrichten. Womöglich hat sich der FGF21-Signalweg zwischen Leber und Gehirn also spezifisch entwickelt, um Tiere vor ethanolbedingten Intoxikationen zu schützen.
Ob sich diese Ergebnisse auch auf den Menschen übertragen lassen, bleibt natürlich unklar und muss weiter untersucht werden. Dennoch spekulieren die Forscher, dass sich hier ein mögliches Ziel für die Behandlung akuter Alkoholvergiftungen aufgetan haben könnte.
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Bildquelle: Tracy's Dog, unsplash