Trojanische Pferde oder wandelnde Zombies – die Rede ist von Toxoplasma gondii. Kaum ein Parasit ist weltweit so verbreitet, ein Drittel der Menschheit ist infiziert. Nun wurde sein Geheimnis entschlüsselt.
Der Parasit Toxoplasma gondii ist bei etwa einem Drittel der Weltbevölkerung zu finden – die Mehrheit der Menschen ist infiziert, ohne es zu wissen. In Deutschland infizieren sich Menschen hauptsächlich durch den Verzehr von Fleisch. Zwischen dem 20. und 80. Lebensjahr steigt hier die Serumprävalenz von Toxoplasma-IgG-Antikörpern linear mit in etwa 1 % pro Jahr von 20 % auf 77 % an.
Hauptwirt des Erregers ist die Katze, die sich durch orale Aufnahme der Oozysten infiziert. Die unsporulierten Oozysten werden dann mit dem Kot ausgeschieden – sie sind zu diesem Zeitpunkt noch nicht infektiös. Bei günstigen Bedingungen sporulieren sie innerhalb von ein paar Tagen in der Umwelt. In diesem Stadium sind die Oozysten sowohl für Zwischenwirte, wie Nutztiere oder den Menschen, als auch für die Katze als Endwirt infektiös. Katzen nehmen im Lebenszyklus von Toxoplasma eine Sonderstellung ein: Nur im Katzendarm findet die sexuelle Vermehrung statt. In anderen Wirten, z. B. Menschen, Hunden oder Vögeln, erfolgt die Vermehrung durch Teilung.
Die Übertragung auf den Menschen findet dann meist durch mit Oozysten kontaminierte Nahrungsmittel (rohes Schweine- oder Lammfleisch, ungewaschenes Obst und Gemüse) oder den Kontakt mit Katzenkot statt. Für gesunde Erwachsene ist die Infektion ungefährlich. Eine Erstinfektion verläuft meistens asymptomatisch oder unter Ausbildung unspezifischer Allgemeinsymptome wie Müdigkeit, Kopfschmerzen oder leichtem Fieber. Nach einer oralen Infektion breitet sich T. gondii vom Darm in periphere Organe wie das zentrale Nervensystem aus. Selten kommt es zu Lymphadenopathie (Piringer-Lymphadenitis), makulopapulösen Exanthemen, Chorioretinitis, Myalgien oder Durchfällen. Auch wiederkehrende Augenerkrankungen können bei immunkompetenten Menschen auftreten. Durch verbleibende Gewebezysten entwickeln infizierte Menschen eine lebenslange Immunität.
Bei immunkompromittierten Menschen (z. B. bei HIV-Infektion) kann es allerdings bei Erstinfektion oder auch durch Reaktivierung im Körper verbleibender Oozysten zu schweren Verläufen mit Organschädigung (Myokarditis, Enzephalitis, Hepatitis) und Pneumonie kommen. Bei einer Erstinfektion während der Schwangerschaft kann es diaplazentar zur Infektion des Embryos kommen. Mit dem Alter der Schwangerschaft steigt die Infektionswahrscheinlichkeit des Kindes, während die Infektionsschwere sinkt.
Wissenschaftler haben sich lange gefragt, wie es Toxoplasma gelingt, so viele Menschen und Tierarten zu infizieren und sich so effizient zu verbreiten. Eine Gruppe von Forschern aus Schweden und Frankreich konnte nun zeigen, wie sich der Parasit so erfolgreich im Körper seiner Wirte ausbreitet. T. gondii infiziert Immunzellen nicht nur, sondern übernimmt anschließend die Kontrolle über die Zelle. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift Cell Host & Microbe veröffentlicht.
„Wir haben ein Protein entdeckt, welches der Parasit nutzt, um das Immunsystem umzuprogrammieren“, sagt Arne ten Hoeve, Forscher am Department of Molecular Biosciences, an der Universität Stockholm und Erstautor der Studie. Seine Gruppe konnte zeigen, dass der Parasit das Protein GRA28 in den Zellkern der Immunzelle injiziert und sich dadurch ihre Genexpression und ihr Verhalten verändern.
Um genau zu sein: Die Infektion führt dazu, dass T. gondii bei Makrophagen, die normalerweise nicht in andere Organe migrieren, die Expression von Transkriptionsfaktoren induziert, die typischerweise mit migratorischen dendritischen Zellen assoziiert sind. Die Forscher beschreiben dieses Phänomen so, dass Toxoplasma die Makrophagen in so etwas wie trojanische Pferde oder wandernde Zombies verwandelt, die den Parasiten dann im Organismus verbreiten. Die jetzt veröffentlichte Studie liefert eine molekulare Erklärung für dieses Phänomen und zeigt auch, dass der Parasit sich viel gezielter ausbreitet, als bisher angenommen.
Ten Hoeve und sein Team sehen Parallelen zu anderen Erregern wie Mycobacterium tuberculosis, welches Alveolarmakrophagen manipuliert, um sich schnell im Lungeninterstitium anzusiedeln oder den Leishmanien, die Transkription und epigenetische Regulierung in Makrophagen beeinflussen und so die Immunantwort des Wirtes modulieren.
„Es ist erstaunlich, dass es dem Parasiten gelingt, die Identität der Immunzellen auf so geschickte Weise zu kapern. Wir glauben, dass die Ergebnisse erklären können, warum sich Toxoplasma so effizient im Körper ausbreitet, wenn es Menschen und Tiere infiziert“, sagt Prof. Antonio Barragan, Leiter der Studie, die in Zusammenarbeit mit Forschern aus Frankreich und den USA durchgeführt wurde.
Die Studie findet ihr hier und im Text hinterlegt.
Bildquelle: Ahmad Zayan, unsplash