Forscher haben den Zusammenhang zwischen einer chronischen Lebererkrankung und einer hohen Anfälligkeit für virale Infektionen aufgeklärt. Die Erkenntnisse helfen, die Immunantwort auf Impfungen wiederherzustellen und Patienten besser zu schützen.
Chronische Lebererkrankungen (CLD) – wie Leberzirrhose und Fibrose – haben verschiedene Auswirkungen, die über die direkten Leberfunktionen hinausgehen: Die Patienten haben eine erhöhte Anfälligkeit für Virusinfektionen, die oft unheilbar sind und zu lebensbedrohlichen Erkrankungen führen können. Außerdem zeigen CLD-Patienten eine schwache Reaktion auf Impfungen.
Beides könnte auf eine eingeschränkte Funktionalität des adaptiven Immunsystems zurückzuführen sein: Der Verlust der T-Zell-Immunität bei CDL-Patienten ist eine bekannte klinische Komplikation. Um die Funktionalität ihres Immunsystems wiederherzustellen, ist es wichtig, die Mechanismen zu verstehen, die dem Verlust der T-Zell-Immunität während der Leberschädigung zugrunde liegen.
Chronische Lebererkrankungen werden häufig von einer krankhaften Veränderung der Darmflora begleitet, sodass Darm-Mikrobiota in den Blutkreislauf und damit letztlich in die Leber gelangen können. Dort aktivierten sie die Immunzellen in der Leber und induziert die Freisetzung von Interferon Typ I (IFN-I): Ein Alarmsignal für umliegende Immunzellen in der Leber. „Die alarmierten angeborenen Immunzellen setzen ihrerseits ein weiteres entzündungshemmendes Zytokin namens Interleukin 10 frei“, erklärt Immunologe Prof. Zeinab Abdullah. „Wir haben Interleukin 10 als den Schlüsselvermittler der gestörten T-Zell-Funktionalität bei CDL identifiziert.“
„Als wir die virusspezifischen T-Zellen im Kontext der CDL untersuchten, beobachteten wir die gleiche Gensignatur wie bei erschöpften, dysfunktionalen T-Zellen bei Krebs und chronischen Virusinfektionen“, sagt Forscherin Dr. Susanne Schmidt. Ein Kennzeichen dieser defekten T-Zellen ist die Hochregulierung von Genen, die durch das entzündungshemmende Zytokin Interleukin 10 (IL-10) induziert werden. Diese T-Zellen sind dann nicht mehr in der Lage, ihren Teil der Immunantwort zu erfüllen.
Die Forscher konnten zeigen, dass eine spezifische Neutralisierung von IFN-I und IL-10 zur Wiederherstellung der T-Zell-Immunität gegen virale Infektionen führt. „Wir haben den IL-10-Signalweg als potenzielles Ziel identifiziert, um die T-Zell-vermittelte Immunantwort und auch die Wirksamkeit der Impfung bei CLD-Patienten wiederherzustellen“, erklärt Abdullah. Um IL-10 in ihrer Umgebung zu erkennen, nutzen T-Zellen einen IL-10-Rezeptor auf ihrer Oberfläche. Durch die gezielte Blockierung dieses Rezeptors konnten die Wissenschaftler die antivirale Immunität bei Mäusen wiederherstellen.
Diese Erkenntnis bestätigte sich bei geimpften Zirrhose-Patienten. Außerdem zeigte die Behandlung keine immunpathologischen Nebenwirkungen, was den IL-10-Signalweg zu einem vielversprechenden Ziel für die Wiederherstellung der T-Zell-Immunität bei CLD-Patienten macht. „Unsere Studie unterstreicht die grundlegende Rolle der Mikrobiota und der Darm-Leber-Achse bei der Unterdrückung der antiviralen Immunfunktionen. Dies gilt nicht nur für Patienten, die an CDL leiden, sondern auch für die systemische Persistenz von Virusinfektionen und das schlechte Ansprechen auf Impfungen“, schließt Abdulah.
Dieser Text beruht auf einer Pressemitteilung des Universitätsklinikums Bonn. Hier gehts zur Originalpublikation.
Bildquelle: Andrea De Santis, unsplash