Gute Nachrichten aus der Welt der seltenen Erkrankungen: Neue Therapien machen Hoffnung bei Mukoviszidose. Erfahrt hier, was Wirkstoffkombis mit Ivacaftor alles können.
Mukoviszidose oder auch cystische Fibrose (CF) ist eine autosomal-rezessive Erkrankung, bei der schleim- und schweißproduzierende Zellen mehrerer Organe betreffen sind, wobei die Lunge am stärksten betroffen ist. Eine Mutation im Mukoviszidose-Transmembran-Leitfähigkeitsregulator-Gen (CFTR) verändert ein Protein, einen regulierten Chloridkanal, das die Aktivität anderer Chlorid- und Natriumkanäle am Zelloberflächenepithel reguliert. Bei 90 % der Patienten führt sie zum Tod, doch neue Therapien machen Hoffnung. In Deutschland leben schätzungsweise 6.000 Betroffene, weltweit gibt es etwa 70.000 Fälle und jedes Jahr kommen etwa 1.000 neue Fälle hinzu. Nicht zuletzt durch neue Therapien ist die Lebenserwartung der Patienten deutlich gestiegen und einige erreichen sogar das Rentenalter.
Nach dem Deutschen Mukoviszidose-Register 2021 liegt die Lebenserwartung eines Neugeborenen mit Mukoviszidose heute bei 57 Jahren. Durch moderne Therapien ist CF keine Kinderkrankheit mehr und gehört unter den seltenen Erkrankungen sicherlich zu den in der Bevölkerung bekannteren. Das Neugeborenen-Screening (NBS) verbessert nachweislich den Krankheitsverlauf der Mukoviszidose und wurde weltweit in großem Umfang implementiert. NBS-positive CF-Patienten zeigen im Vorschulalter weniger Lungenexazerbationen und pathologische Bakterien in Rachenabstrichen, wie eine Studie von Schützen et al. berichtet. Eine Untersuchung von NBS-Kohorten ergab, dass die CF-Lungenerkrankung kurz nach der Geburt mit Verstopfung der Atemwege und Lufteinschlüssen, strukturellen Veränderungen wie Bronchialwandverdickung, Bronchialdilatation und Bronchiektasen sowie einer Beeinträchtigung der Lungenfunktion bei asymptomatischen Säuglingen bereits im Alter von 3 Monaten beginnt.
Wie bereits erwähnt, ist CF eine Störung des CFTR-Kanals. Es existieren jedoch viele Möglichkeiten, wie es zur Störung im komplexen System kommen kann.
Das CFTR-Protein lässt Chlorid durch die schleimproduzierenden Zellen passieren, woraufhin Wasser folgt und der Schleim verdünnt wird. Ein defektes CFTR führt jedoch zu dickem und klebrigem Schleim, der die Bahnen blockiert, was zu schweren Lungeninfektionen führt, insbesondere durch Pseudomonas. Es gibt eine massive Neutrophileninfiltration, die Elastase freisetzt, die die Lungen-Antiproteasen überwältigt, die zur Gewebezerstörung beitragen, wie Studien belegen. Darüber hinaus setzen degranulierende Neutrophile große Mengen an Nukleinsäuren und Zytosolmatrixproteinen frei, die zur Hyperviskosität des Schleims beitragen.
Im Magen-Darm-Trakt verstopfen die Schleimpfropfen die Kanälchen der Bauchspeicheldrüse und des Gallenblasengangs, wodurch verhindert wird, dass Enzyme und Galle in den Zwölffingerdarm fließen, was Malabsorption und Verdauungsanomalien auslöst. Darüber hinaus kann insbesondere bei Patienten mit Pankreasinsuffizienz das für CF charakteristische Distal Intestinal Obstruction Syndrome (DIOS) auftreten. Diese ist durch eine ileozökale Obstruktion von eingedicktem Darminhalt gekennzeichnet.
Es gibt auch ein Ungleichgewicht der Mineralien im Blut aufgrund des Verlustes von zusätzlichem Salz im Schweiß, was zu Dehydration, Arrhythmien, Müdigkeit, Schwäche, Hitzschlag und selten zum Tod führt. Zu den Komplikationen des Verdauungssystems gehören Ernährungsmängel einschließlich Fett und fettlöslicher Vitamine und Diabetes (fast 20 % der Menschen mit CF entwickeln im Alter von 30 Jahren Diabetes). Auch können sich fortschreitende Leberfunktionsstörung, Gallensteine, Darmverschluss, Invagination, bakterielle Überwucherung des Dünndarms (SIBO) und ein distales intestinales Obstruktionssyndrom (DIOS) manifestieren. Andere Komplikationen können Unfruchtbarkeit, Osteoporose, Elektrolytstörungen und Dehydration sein, die sich in erhöhter Herzfrequenz, Müdigkeit, Schwäche und niedrigem Blutdruck manifestieren.
Zu den Komplikationen des Atmungssystems gehören Bronchiektasie, chronische Infektionen, die zu Lungenentzündung führen, Wucherungen (Nasenpolypen), Hämoptyse, Pneumothorax und schließlich Atemversagen.
Die Standardtherapie der Patienten beinhaltet:
Weitere Details sind der S3-Leitlinie „Mukoviszidose bei Kindern in den ersten beiden Lebensjahren, Diagnostik“ und Therapie zu entnehmen.
In der Therapie differenziert man die CFTR-Modulatoren in Potenziatoren und Korrektoren. Potenziatoren aktivieren den CFTR-Kanal und Korrektoren unterstützen die richtige Synthese des Kanals. Ivacaftor ist der erste Wirkstoff, der zur kausalen Behandlung von Patienten mit CF zugelassen wurde. Er verbessert die Funktion des CFTR-Proteins und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sich der CFTR-Proteinkanal öffnet, wodurch der Transport von Chloridionen verbessert wird.
Allerdings ist diese Therapie nur bei einer kleinen Gruppe von Patienten wirksam, da die dem Öffnungsdefekt zugrunde liegenden Mutationen sehr selten sind. Bei anderen Mutationen hat die Steigerung der Öffnungswahrscheinlichkeit allein keine ausreichende Wirkung.
Sogenannte CFTR-Modulatoren haben die Therapie der CF wesentlich verbessert. Eine neue Gruppe von CFTR-Modulatoren ist verfügbar, die in der Lage sind, den grundlegenden Defekt bei CF – also das CFTR-Protein selbst – zu korrigieren, obwohl der genaue Mechanismus nicht vollständig aufgeklärt ist. Für eine Fehlfunktion, die durch andere Mutationen verursacht wird (zwei F508del-Mutationen), gibt es inzwischen zwei zugelassene Medikamente, die als Korrektor der Kanalfunktion wirken (Orkambi®, Lumacaftor plus Ivacaftor und Symkevi® mit Tezacaftor plus Ivacaftor). Sie stabilisieren CFTR-Kanalmoleküle, denen das Phenylalanin an Position 508 fehlt. Sie verbessern deren zelluläre Verarbeitung sowie Transportsteuerung und erhöhen so die Menge an funktionellem CFTR an der Zelloberfläche. Beide Wirkstoffe sind mit Ivacaftor fix kombiniert, wodurch den Kanälen, die die Membran erreicht haben, ermöglicht wird, zusätzlich durch den Potenziator Ivacaftor häufiger geöffnet zu werden.
Durch die neue Kombinationstherapie können in der Praxis nun mehr Patienten kausal behandelt werden; es ist zugelassen ab einem Alter von zwölf Jahren. Es wird außerdem bei Patienten angewendet, welche die F508del-Mutation nur von einem Elternteil geerbt haben und ferner eine weitere Mutation im CFTR-Gen aufweisen. Das bedeutet, dass das Produktportfolio ausgeweitet wird. Orkambi® darf bei Patienten mit homozygoter F508del-Mutation zum Einsatz kommen. In diesem zugelassenen Anwendungsgebiet standen bisher nur symptomatische Therapien zur Verfügung. Der CFTR-Potenziator Ivacaftor (Kalydeco®) erhöht bei Patienten mit G551D-Mutation die Wahrscheinlichkeit, dass der defekte Chlorid-Ionenkanal geöffnet wird. Andere wirken als CFTR-Korrektoren und erhöhen die Menge an funktionellem CFTR an der Zelloberfläche. Lumacaftor (Orkambi®) und Tezacaftor/Ivacaftor (Symkevi®) sind für Patienten mit F508del-Mutation zugelassen. Für diese Mutation plus eine weitere Mutation in einem anderen Allel wurde die Dreifachkombination von Ivacaftor/Tezacaftor/Elexacaftor (Kaftrio®) im August 2020 in Europa zugelassen. Ein Blick auf die Wirkstoffe im Detail.
Ivacaftor wurde 2012 von der FDA für Kinder ≥ 6 Jahre mit der seltenen Mutation G551D (Klasse III) zugelassen und war das erste erfolgreiche Medikament zur Behebung des defekten Proteins und hat sich als sehr wirksam in zwei großen, multizentrischen Studien erwiesen. Deutliche Verbesserungen bei FEV1, Körpergewicht und Lebensqualität wurden beobachtet. Jetzt hat die FDA ihre Anwendung auf andere Mutationen und auch Kinder im Alter von 2–5 Jahren, basierend auf den Ergebnissen der KLIMB-Studie, ausgeweitet. Eine Phase-IV-Studie berichtet auch über Verbesserungen bei FEV1 und FVC, BMI, Lebensqualität und verringerte Chloridkonzentration im Schweiß bei Patienten, die mindestens ein G551D-Allel tragen. Mehr als 72 % der Patienten in dieser Studie trugen auch F508del als zweites Allel.
Die G551D-Mutation bewirkt, dass der Kanal wie ein verschlossenes Tor wirkt und die Transkonduktanz von Chlorid und Flüssigkeit verhindert. Die Position des Kanals ist richtig, aber die Funktion ist beeinträchtigt. Ivacaftor verlängert die Kanalisierungszeit im offenen Zustand. Die Haupteinschränkung dieser Therapie besteht jedoch darin, dass die G551D-Mutation nur bei 2,3 % der Patienten vorliegt. Es hat sich bei der häufigsten F508del-Mutation (Klasse II) aufgrund der verringerten Proteinverfügbarkeit als nicht wirksam erwiesen. Darüber hinaus können auch die hohen Therapiekosten ein limitierender Faktor sein.
Ein weiterer CFTR-Modulator, Lumacaftor, hat günstige Ergebnisse bei der F508del-Mutation gezeigt. Dies ist die häufigste Mutation, die etwa 1/3 der CF-Bevölkerung in den USA und fast 70 % in der EU betrifft. Diese Mutation beeinflusst die Hitzestabilität aufgrund einer Fehlfaltung der NBD1-Domäne und schränkt die CFTR im ER für den nachfolgenden Abbau ein. Es kann sich nicht an der korrekten Epithelstelle lokalisieren und eine normale Struktur erreichen. Unter Verwendung von kultiviertem humanem Bronchialepithel wurde in vitro ein erhöhter Proteintransport zur Zelloberfläche beobachtet. Trotzdem wurde trotz erhöhtem Proteintransport an die richtige Stelle keine Korrektur der zugrunde liegenden funktionellen Beeinträchtigung beobachtet.
Basierend auf den individuellen Mechanismen wurde eine Kombination aus Lumacaftor und Ivacaftor (Orkambi®) vorgeschlagen, um sowohl den Proteintransport als auch die Anomalien des Channel Gating zu korrigieren. Zunächst wurden Phase-II-Studien sowohl für homozygote als auch für heterozygote F508del-Patienten > 12 Jahre durchgeführt, aber nur homozygote Patienten zeigten klinisch signifikante Ergebnisse. Zwei große Phase-III-Studien, TRAFFIC und TRANSPORT, wurden mit der Kombinationstherapie (600 + 250 und 400 + 250 mg versus Placebo) bei Patienten ≥ 12 Jahren mit primärem Endpunkt als Verbesserung des FEV1 nach 24 Wochen durchgeführt. Patienten, die die Studie abschlossen, wurden in die 48-wöchige PROGRESS-Studie aufgenommen. Sowohl die isolierten als auch die gepoolten Ergebnisse zeigten eine signifikante Verbesserung der Parameter einschließlich FEV1, Verringerung von Exazerbationen, Verringerung der Krankenhauseinweisungen, Erhöhung der BMI- und CFQR-Scores; konsistent über verschiedene Dosierungsschemata und Patientengruppen hinweg. Die Nebenwirkungen waren mit der Placebogruppe vergleichbar, mit Ausnahme eines Todesfalls während der Verlängerungsphase.
Ein großer Fortschrift ist die Kombination Kaftrio®. Die Dreifachkombination kombiniert die Korrektoren Tezacaftor und Elexacaftor mit dem Potentiator Ivacaftor. Kaftrio® enthält zwei verschiedene Filmtabletten (Morgen- und Abenddosis), wobei die Morgendosis 100 mg Elexacaftor, 50 mg Tezecaftor und 75 mg Ivacaftor enthält. Die Wirkstoffe sind in einer Tablette kombiniert. Die Abenddosis enthält nur 150 mg Ivacaftor.
In einer Studie von Sutharsan et al. wurde die Dreikombi mit der Zweierkombi Tezacaftor plus Ivacaftor unter dem Aspekt der Anwendersicherheit verglichen. Die Therapie mit Elexacaftor plus Tezacaftor plus Ivacaftor war sicher und gut verträglich und führte zu signifikanten und klinisch bedeutsamen Verbesserungen der respiratorischen Lebensqualität und Lungenfunktion. Diese waren denen überlegen, die bei dieser Patientenpopulation mit Tezacaftor plus Ivacaftor gesehen wurden. Eine Real-Life-Studie der Uni Köln von Thomassen et al. untersuchte die Wirkung in der Praxis. Es kam zu einem durchschnittlichen Anstieg der Einsekundenkapazität um 11,3 %. Ferner kam es unter Kaftrio® zu einem signifikanten BMI-Anstieg (+ 0,89 kg/m2), einer deutlichen Reduktion der Schweiß-Chlorid-Konzentration um durchschnittlich 58,8 mmol/l sowie zu einer Verbesserung der Leberwerte.
Im Jahre 2000 lag die durchschnittliche Lebenserwartung der Patienten noch bei 35 Jahren, es sind also riesige Fortschritte in der Therapie erzielt worden. Ähnlich wie in der HIV- oder Hepatitistherapie ist die Kombination unterschiedlicher Wirkstoffe mehr als nur das Mixen unterschiedlicher Arzneistoffe – synergistische Effekte können zu einer überadditiven Wirkung führen.
Bildquelle: cottonbro studio, Pexels