Der krankheitserregende Pilz Aspergillus fumigatus gelangt über die Atemluft in die Lungen. Dort kidnappt er Zellen, um der körpereigenen Abwehr zu entkommen. Forscher haben die Strategie nun jedoch durchschaut.
Aspergillus fumigatus ist ein Schimmelpilz, der weltweit in der Umwelt vorkommt. Für Menschen mit einem geschwächten Immunsystem kann er zu einer ernsten Gefahr werden. Schätzungen zufolge erkranken jedes Jahr mehr als 300.000 Menschen weltweit an einer invasiven Aspergillose – einer Infektion mit einem Schimmelpilz der Gattung Aspergillus. 40–90 % der Patienten versterben daran.
Forscher haben nun entdeckt, dass Pilzsporen die Oberflächenzellen der Lunge davon abhalten können, sie zu töten. „Die sogenannten Epithelzellen unserer Lunge sind die wichtigste Barriere gegen Pilzsporen und andere potentielle Pathogene aus der Luft“, erklärt Mikrobiologe Axel Brakhage. Anders als Immunzellen sind Lungenepithelzellen zwar nicht auf das Töten von Krankheitserregern spezialisiert, aber trotzdem dazu in der Lage. Die Zellen umschließen Fremdkörper und bilden damit ein Phagosom – ein von einer Membran umschlossenes Kompartiment innerhalb der Zelle. Anschließend wird eine Vielzahl von Zellprozessen in Gang gesetzt, bei denen das Phagosom reift und die Eindringlinge schließlich zersetzt werden.
Dass Pilzsporen diesen Mechanismus umdirigieren können, entdeckten die Forscher, als sie sich deren Oberflächenstrukturen genauer ansahen. „Wir wollten wissen, welche der pilzlichen Oberflächenproteine an menschliche Zellen binden und somit an der Infektion beteiligt sein könnten“ erklärt Leijei Jia, Erstautor der Studie. Dabei fanden sie ein menschliches Protein – p11 – das offenbar von einem pilzlichen Protein gebunden wird.
„Wenn wir das Pilzprotein ausschalten, das an p11 bindet, finden wir die Pilzsporen in den reifen Phagosomen. Das heißt, sie werden zersetzt. Wenn wir das menschliche p11 ausschalten, ebenso“, sagt Jia. „Wenn das Pilzprotein und p11 jedoch intakt sind, bleiben die Phagosomen unreif.“ Dann umschließen die Epithelzellen der Lunge zwar die Pilzsporen, vernichten sie aber nicht. Das konnten Jia und seine Kollegen auch unter dem Mikroskop beobachten: In den unreifen Phagosomen keimten die Sporen und bildeten Pilzfäden. Manche der Sporen wurden auch wieder aus der Zelle heraus oder in eine Nachbarzelle transportiert, sodass der Pilz sich verbreiten kann.
Die Experimente konnten die Forscher anschließend auch mit Immunzellen bestätigen. Die Pilzsporen können also nicht nur Phagosomen in den Lungenzellen umdirigieren, sondern auch in verschiedenen Immunzellen. Die klinische Bedeutung ihrer Entdeckung untersuchte das Team mithilfe von DNA-Daten von Empfängern und Spendern einer Stammzelltransplantation. „Nach Transplantationen sind Patienten besonders anfällig für Pilzinfektionen, weil das Immunsystem heruntergefahren wird“, erklärt Axel Brakhage. Gut ein Viertel der etwa 500 Empfänger von Stammzelltransplantationen entwickelte in den Monaten nach der Transplantation eine lebensbedrohende invasive Aspergillose.
Auf dem p11-Gen der transplantierten Stammzellen fanden die Forscher tatsächlich einen kleinen Unterschied. „Patienten mit einer bestimmten Mutation hatten in der Stichprobe eine geringere Wahrscheinlichkeit, an invasiver Aspergillose zu erkranken. Dieses Ergebnis hilft, die stärker gefährdeten Patienten besonders intensiv zu beobachten“, so Jia. Sowohl das Pilzprotein, das an p11 bindet, als auch das menschliche Protein selbst könnten somit mögliche Angriffspunkte für eine Therapie sein.
Dieser Text beruht auf einer Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie - Hans-Knöll-Institut (Leibniz-HKI). Hier findet ihr die Originalpublikation.
Bildquelle: Erik-Jan Leusink, unsplash