Auch Kaiserschnitt-Babys haben ein intaktes Mikrobiom – Stillen sei Dank. Lest hier mehr!
Ein Leben ohne unser körpereigenes Mikrobiom wäre unvorstellbar – schon ab der Geburt sind Mensch und Mikroben unzertrennlich. Die Besiedlung des neugeborenen Kindes bei der Geburt läuft über mehrere Wege: Hautkontakt, Muttermilch und Vaginalsekret, die zusammen das Baby mit Mikroorganismen versorgen. Wird das Kind per Kaiserschnitt zur Welt gebracht, bleibt der mikrobielle Kontakt über das Vaginalsekret aus. Von vielen wurde das bisher als problematisch betrachtet. Frauen, die ihre Kinder dennoch per Sectio zur Welt brachten, sind daher mit vielen Vorurteilen konfrontiert.
Doch niederländische Forscher zeigen nun: Es gibt keinen Grund zur Sorge. Denn ein Kaiserschnitt führt nicht zwangsläufig dazu, dass dem Kind wichtige Mikroorganismen fehlen – der restliche Kontakt mit der Mutter als Mikrobiomquelle wirkt nämlich ausgleichend. Ihre Ergebnisse dazu veröffentlichten sie im Fachmagazin Cell Host & Microbe.
Kinder, die per Sectio auf die Welt gekommen sind, bekämen zwar kaum Kontakt zum Darmmikrobiom der Mutter, das sei aber nur eine von vielen Quellen, die für die Mikrobiombesiedlung bei der Geburt wichtig ist. Zu dieser Erkenntnis kamen Bogaert et al., indem sie 2.454 Mikrobiomproben von 120 Mutter-Kind-Paaren sammelten und analysierten. Beprobt wurden die Babys zwei Stunden nach der Geburt sowie nach einem Tag, einer Woche, zwei Wochen und einem Monat. Dabei entnahmen die Wissenschaftler den Kindern Haut-, Nasen-, Speichel- und Darmproben zur mikrobiellen Analyse. Gleichzeitig entnahmen sie den Müttern Mikrobiomproben der Vagina, der Brustmilch, des Nasen-Rachen-Raums, des Speichels, des Stuhls und der Haut. Anhand von Sequenzierungen konnten die Forscher dann erfassen, welche Arten von Mikroorganismen von der Mutter an das Kind weitergegeben wurde.Das Mikrobiom des Kindes wird durch die Geburtsmethode beeinflusst.
Durchschnittlich macht die Mutter fast 60 Prozent der mikrobiellen Zusammensetzung bei Säuglingen aus – unabhängig von der Entbindungsmethode. Unterschiede gab es aber vor allem darin, woher die Neugeborenen die Anteile an mütterlichen Mikroorganismen erhielten. Kinder die vaginal entbunden wurden, erhalten schon während der Geburt Mirkroben, die durch Vagina- und Darmsekret übertragen werden. Fand die Geburt dagegen per Kaiserschnitt statt, bekommen die Kinder mehr Mikroben durch die Muttermilch übertragen. Die Autoren merken an, dass das Stillen nach einer Kaiserschnittgeburt deshalb besonders wichtig sei.
Bisher war die Sorge verbreitet, dass Säuglinge, die per Sectio zur Welt kommen, nicht ausreichend mit Mikroorganismen aus dem Vaginal- und Darmsekret der Mutter versorgt seien. Forscher hegten nämlich den Verdacht, dass Krankheiten im Kindesalter und auch im späteren Leben womöglich mit einer gestörten Erstkolonisation des Darmmikrobims von Neugeborenen zusammenhängen könnte. Die Forscher stellten bei Kindern, die per Kaiserschnitt zur Welt kamen, bakterielle Virulenzfaktoren und klinisch relevante antimikrobielle Resistenzen bei einigen opportunistischen Krankheitserregern fest, die ihre Wirte für Infektionen bei geschwächtem Immunsystem anfällig machen könnten.
Um dieses Defizit auszugleichen, wurde die Methode des vaginal seedings von Experten untersucht. Dabei wird ein Tupfer in die Scheide der Mutter platziert, um das Vaginalsekret aufzunehmen, und anschließend wird das Baby damit eingerieben – so soll das Neugeborene mit den nötigen Mikroorganismen versorgt werden. Ob diese Anwendung tatsächlich wirkt und sicher ist, ist nicht eindeutig geklärt und wurde auch von Experten teilweise mit Besorgnis betrachtet.
Daher stellt sich auch die Frage: Inwiefern zeigen die aktuellen Ergebnisse der niederländischen Forscher auf, ob das mikrobielle Defizit nach einer Kaiserschnittgeburt auf andere natürliche Übertragungswege ausgeglichen werden kann und somit eine nachträgliche Übertragung durch das vaginal seeding überflüssig macht.
„Es ist für mich sehr plausibel, dass der Mikroben-Transfer zwischen Mutter und Kind auf mehreren Wegen stattfindet“, erklärt Prof. Bernhard Resch, stellvertretender Leiter der klinischen Abteilung für Neonatologie und Forschungseinheit für neonatale Infektionserkrankungen und Epidemiologie der medizinischen Universität Graz in Österreich, gegenüber dem Science Media Center. „Es wäre auch von der Natur sicher nicht vorgesehen, nur einen Besiedlungsweg einzuplanen. Und es erscheint mir sehr viel attraktiver, nach einem Kaiserschnitt das Kind an den Busen zu legen als ihm mit einem Vaginalsekret-getränkten Tuch ins Gesicht zu wischen.“ Die Ergebnisse der niederländischen Studie wecken für ihn den Anschein, dass die Anwendung des vaginal seedings überflüssig sei und dass das Mikrobiom-Defizit bei einer Kaiserschnittgeburt durch das Stillen wieder aufgefangen werden kann.
„Damit wird die besonders bei akuter Gefährdung des Kindes notwendige Kaiserschnittgeburt wieder in das rechte Licht gerückt. Umso mehr muss nach Kaiserschnitt das Stillen unterstützt und gefördert werden“, so das Fazit von Resch.
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Bildquelle: and machines, Unsplash