Kampfsport und neurodegenerative Erkrankungen sind ein altbekanntes Paar. Doch was passiert im Gehirn, wenn der Sportler die Handschuhe an den Nagel hängt?
Intensive Kontakt- und Kampfsportarten bergen ein erhöhtes Risiko für neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson – die Boxerdemenz hat es bereits zum feststehenden Begriff gebracht. Inwieweit kognitive Leistungen und die Hirnstruktur sich nach Karriereende aber wieder stabilisieren, hat nun eine aktuelle Studie untersucht.
Schädel-Hirn-Traumata sind im Sport keine Seltenheit, viel eher gehören sie in kontaktintensiven Sportarten zum festen Repertoire akuter gesundheitlicher Folgeerscheinungen. Doch auch die Risiken für postakute neurodegenerative Folgen sind bei Boxern und anderen Kampfsportlern erhöht. In einer aktuellen Studie haben deswegen Forscher der Cleveland Clinic in Las Vegas untersucht, ob und wie die Hirnschädigung auch nach Beendigung der aktiven Sportlerkarriere bestehen bleibt. Zentrales Ergebnis: Die Progression von Hirnschäden lässt sich aufhalten.
Für ihre Studie begleiteten die Forscher 90 junge (zwischen 25 und 38 Jahre alte) männliche Probanden, die zu Studienbeginn aktive Kampfsportler waren. Zum Zeitpunkt der zweiten Untersuchung waren nur noch 45 Probanden aktiv. Die übrigen Ex-Sportler hatten vor mindestens 2 Jahren aufgehört zu trainieren und an keinen Wettkämpfen mehr teilgenommen.
Zu beiden Messzeitpunkten hatten sich alle Kampfsportler kognitiven Tests und einer kranialen Magnetresonanztomografie unterzogen. Als Biomarker für eine Hirnschädigung sowie zur Erfassung einer Vielzahl von neurologischen Erkrankungen im Zusammenhang mit axonalen Verletzungen wurde bei der Hälfte der Probanden zusätzlich die Konzentration des Neurofilament-Light (NF-L) im Blut bestimmt.
Die Bluttests bestätigten nach Auswertung die Grundannahme der Forscher: Sportler, die mit Anfang 30 aufhörten zu kämpfen, zeigten Verbesserungen bei allen Messungen. Sowohl bei den Tests zum Verbalgedächtnisses wie auch zu motorischen und psychomotorischen Verarbeitungsgeschwindigkeiten. Im Gegensatz dazu wurde beobachtet, dass Kämpfer, die aktiv blieben, zwischen den beiden Zeitpunkten einen kontinuierlichen Rückgang oder eine gleichbleibende Leistung zeigten. Auch der Serum-NfL-Spiegel ist bei aktiven Kämpfern im Vergleich zu pensionierten Kämpfern höher, wohingegen Kämpfer mit wiederhergestellter kognitiver Funktion verringerte NfL-Konzentrationen nach Beendigung der RHI-Exposition zeigten. Zudem machten die Wissenschaftler per MRT Unterschiede in der kortikalen Dicke der relevanten Hirnregionen aus. Diese ist bei aktiven Kämpfern stark reduziert, während sie bei ehemaligen Kämpfern wieder zunahm.
Die Forscher berichten, dass „mehrere potenzielle Mechanismen zu diesen Ergebnissen beitragen könnten. Bei Sportlern, die die RHI-Exposition beendet haben, könnten verschiedene Reparaturprozesse auftreten – einschließlich vorteilhafter Veränderungen der neuroinflammatorischen Reaktion und/oder der axonalen Regeneration.“ Andere Faktoren können jedoch die kognitive Leistungsfähigkeit beeinflussen, wie z. B. weniger Ermüdung durch Nichttraining. Zudem müssten weitere psychosoziale Faktoren, wie Stress und Depression, berücksichtigt werden.
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