Reisezeit ist Infektionszeit – und zur gründlichen Prävention gehören auch Impfungen. Was viele vergessen: Die Gefahren lauern oft schon vor der eigenen Haustür.
Die Deutschen lieben das Reisen: Im Jahr 2021 unternahmen rund 55,1 Millionen Deutsche eine Urlaubsreise von mindestens 5 Tagen. Im Jahr 2019 waren es noch rund 71 Millionen Reisen – weshalb für die kommenden Jahre wieder mit einem Anstieg zu rechnen ist. Neben europäischen Zielen wie Spanien, Italien, Griechenland und der Türkei, werden auch Fernreisen immer beliebter. Etwa 13,1 Prozent der Deutschen wählten im Jahr 2022 ein Fernreiseziel für ihre Haupturlaubsreise. Ging es im letzten Jahr für 1,1 Prozent der Deutschen nach Mittelamerika und in die Karibik, war 2021 noch die Region Südostasien am beliebtesten.
Grund genug für Ärzte, sich auch mit Erkrankungen zu beschäftigen, die Reisende nach ihren Auslandsaufenthalten mitbringen können. Das Centrum für Reisemedizin (CRM) widmete sich auf einer Pressekonferenz deshalb unter anderem der allgemeinen Weltseuchenlage und dem Thema Reiseimpfungen. Prof. Tomas Jelinek, wissenschaftlicher Leiter des CRM, erklärte, dass sich der Reiseverkehr im letzten Jahr wieder weitgehend normalisiert habe und sich das auch deutlich in den reisemedizinischen Sprechstunden bemerkbar mache.
„Eine im Westen weitgehend ignorierte Pandemie“ – so bezeichnete Jelinek eine der weltweit verbreitetsten Infektionskrankheiten, das Dengue-Fieber. Seit Jahrzehnten nimmt die jährliche Erkrankungsrate in den betroffenen Gebieten zu, vor allem in den Tropen und Subtropen. So wurden allein in Brasilien im vergangenen Jahr mehr als 2,2 Millionen Fälle von Dengue gemeldet. Immer wieder kommt es zu großen regionalen Ausbrüchen. Bisher konnten Ärzte nur einen konsequenten Mückenschutz als vorbeugende Maßnahme empfehlen. Seit Kurzem steht aber ein Impfstoff zur Verfügung. Die Lebendimpfung zeige hohe Effektivitätsdaten, gleichzeitig habe es in der extensiven Nachbeobachtungsperiode von über 5 Jahren kein Sicherheitssignal gegeben, sagt Jelinek. Die Auslösung von Komplikationen bei Kontakt mit dem Wildvirus sei für Geimpfte also nicht zu befürchten. „Diese Impfung wird sicherlich einen hohen Stellenwert in der reisemedizinischen Praxis bekommen“, sagte der Reisemediziner.
Weiterhin stehe der erste Impfstoff gegen Chikungunya kurz vor der Zulassung. Die vor allem durch Stegomyia aegypti (Gelbfiebermücke) und Stegomyia albopictus (Tigermücke) übertragene Viruserkrankung ist vor allem in Indien, Südostasien und in Afrika südlich der Sahara endemisch. Durch die zunehmende Verbreitung der Tigermücke in Südeuropa könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Erkrankung früher oder später auch in Europa manifestiert. Im Februar hat die Panamerikanische Gesundheitsorganisation (PAHO) eine epidemiologische Warnung zum aktuellen Ausbruch in Südamerika herausgegeben. Dies demonstriere einmal mehr die Relevanz dieser Infektion für Reisende, sagte Jelinek.
Ein weiteres Sorgenkind ist das Zika-Virus. Auch wenn die Fallzahlen insgesamt gesunken seien, breite sich der Erreger kontinuierlich weiter aus. Mittlerweile seien nicht nur fast ganz Lateinamerika, die Karibik und die Südstaaten der USA betroffen, auch in Asien und Afrika verbreite sich das Virus – hier seien ebenfalls zahlreiche wichtige Reiseziele zum Endemiegebiet geworden.
Ebenfalls durch Tigermücken übertragen wird das Gelbfieber. Zuletzt ist es zu Ausbrüchen von Westafrika bis Uganda gekommen. Außerdem sind Malaria-Mücken aus Asien nach Kenia gewandert. Dort brüten sie, anders als bisher, vermehrt auch in Städten. Die Japanische Enzephalitis kommt typischerweise in Ost- und Südostasien vor. Letztes Jahr sei sie aber auch in Australien nachgewiesen worden. Neuere Daten zeigten, dass diese Infektion dort häufiger vorkomme, als man bisher dachte. So waren wahrscheinlich große Teile der australischen Landbevölkerung schon asymptomatisch infiziert, berichtete Jelinek.
Auch die Malariazahlen sind in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Seit 2020 hat die WHO mehrfach Warnungen zur deutlichen Zunahme der Malaria in Endemiegebieten ausgesprochen. Die Insel Sansibar, auf der Malaria als ausgerottet galt, sei zuletzt wieder zu einem Hochrisikogebiet geworden. Eine gute Vorsorge zum Malariaschutz werde bei Reisen in Risikogebiete wieder wichtiger. In vielen Ländern wurden Mückenkontrollmaßnahmen während der Corona-Pandemie vernachlässigt, da Gelder stattdessen in Pandemie-Maßnahmen gesteckt wurden. Wichtig sei es nun, diese Erkrankungen wieder zu priorisieren.
Ein großes Problem werden Ärzte außerdem mit multiresistenten Bakterien haben, betonte Jelinek. Multiresistenzen gegen wichtige Antibiotika breiten sich weltweit aus – das Problem sei bereits als die kommende Pandemie bezeichnet worden. Ein aktuelles Beispiel für diese Problematik seien multiresistente Stämme von Typhus-Bakterien, die sich initial vor allem in Südasien entwickelt hätten und seit einigen Jahren in zahlreichen Ländern auftauchen würden. Seit 2020 seien hiervon auch die USA und Mexiko betroffen.
Eine wichtige Änderung für die Beratung älterer und chronisch kranker Reisender habe die Zulassung der 15- und 20-valenten Konjugatimpfstoffe gegen Pneumokokken gebracht. Bei der reisemedizinischen Beratung sollten die Vorteile der Konjugatimpfung herausgestellt werden, sagte Jelinek. Für dieselbe Zielgruppe sei auch der Totimpfstoff gegen Herpes zoster relevant. Diese ausgesprochen häufige Infektion könne durch die neue Impfung mit sehr hoher Effektivität verhindert werden. „Für dieses Jahr außerdem zu erwarten, ist die Zulassung mindestens eines Impfstoffes gegen RSV, der ebenfalls für die Beratung älterer und chronisch kranker Reisender relevant sein wird,“ ergänzte Jelinek.
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