Sein Skalpell, ihr Skalpell: Behandeln Ärztinnen Frauen besser – und sind Ärzte für Männer die beste Wahl? Warum solche Studien der falsche Weg sind.
Publikationen sind wichtig, doch nicht jedes Thema ergibt auch Sinn. Wer in PubMed recherchiert, findet etliche Veröffentlichungen zur Frage, ob Ärztinnen anders behandeln als Ärzte. Manche Arbeiten finden genderspezifische Effekte, andere nicht. Die Aussagen bleiben wertlos, vor allem, weil es eben nicht nur – wie oft kolportiert – an der Kommunikation liegen könnte. Denn der Bias ist groß.
Dazu ein Blick in die Chirurgie. Forscher haben Daten von 1.320.108 Erkrankten, die von 2.937 Chirurgen behandelt wurden, als Grundlage ihrer Studie herangezogen. 509.634 Patienten wurden von Chirurgen behandelt und 92.926 Patientinnen waren bei Chirurginnen in der Therapie. Hingegen haben Chirurgen 667.279 Patientinnen und Chirurginnen 50.269 Patienten therapiert.
Geschlechter-Unterschiede zwischen Behandelnden und Erkrankten waren mit einer signifikant erhöhten Wahrscheinlichkeit für ein schlechteres postoperatives Ergebnis (bereinigte Odds Ratio 1,07; 95 % Konfidenzintervall 1,04–1,09), für OP-Komplikationen (aOR 1,09; 95% KI 1,07–1,11) und für den Tod (aOR 1,07; 95 %KI 1,02–1,13) assoziiert. Solche Unterschiede fanden Wissenschaftler aber bei einer ähnlichen Studie, speziell zur gastrointestinalen bzw. kolorektalen Chirurgie, nicht. Die Lage bleibt also unklar.
Als weitere Herausforderung gilt die gemeinsame Entscheidungsfindung; ein Thema, das Forscher in Dubai untersucht haben. 25 Ärztinnen, 25 Ärzte, 250 Patientinnen und 250 Patienten nahmen an der Studie teil. Sie mussten einen speziellen Fragebogen zur Zufriedenheit ausfüllen. Dabei zeigte sich: Ärzte schnitten im Vergleich zu Ärztinnen signifikant schlechter bei unterschiedlichen Teilaspekten ab:
Diese Ergebnisse geben zu denken. Eischränkend sei erwähnt, dass die Kohorte eher klein war und sich die Ergebnisse nicht zwangsläufig auf andere Länder übertragen lassen.
Forscher haben auch den Zusammenhang zwischen dem Geschlecht von Hausärzten und der Qualität der Diabetesversorgung erforscht. Im Vergleich zu Ärzten (n = 1.213) waren Ärztinnen (n = 473) jünger und hatten ihre Ausbildung vor kurzem abgeschlossen. Ärztinnen behandelten häufiger Frauen (n = 4.585), verglichen mit Ärzten (n = 1.783). In bereinigten Analysen erhielten die Patienten von Ärztinnen etwas häufiger Lipidmessungen (Wahrscheinlichkeit 1,09, 95 % KI 1,02–1,15) und HbA1c-Messungen (Wahrscheinlichkeit 1,02; 95 % KI 1,00–1,05); Erkrankte hatten etwas häufiger ein LDL-Wert < 130 mg/dl (Wahrscheinlichkeit 1,05; 95 % KI 1,00–1,10). Ob die Unterschiede wirklich klinische Relevanz haben, bleibt aber unklar.
Bleibt als Fazit: Solche Studien zeigen nur Assoziationen, aber keine Kausalitäten. Meist spekulieren die Forscher, es handle sich um Effekte der unterschiedlichen Kommunikation oder um stereotype Verhaltensweisen. Ihre Hypothesen mögen teilweise zutreffen, scheinen aber nur eine Erklärung von vielen zu sein.
Gründe für einen Bias bei solchen Arbeiten lauern an etlichen Stellen. Das beginnt schon mit der Selektion der Teilnehmer. So gab es laut KBV-Statistik in 2021 in der Chirurgie und Orthopädie nur 16 Prozent Fachärztinnen, in der Radiologie 35 Prozent, in der Inneren Medizin 28 Prozent und in der Radiologie 35 Prozent. Hinzu kommt: Ärztinnen arbeiten häufiger in Teilzeit als Ärzte. Und je höher Ärztinnen beziehungsweise Ärzte die Karriereleiter erklimmen, desto geringer wird der Prozentsatz an Frauen. Ärzte wiederum publizieren mehr als Ärztinnen. Für die Patienten macht das Geschlecht der Behandelnden keinen relevanten Unterschied.
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