Nach lautstarker Ankündigung scheint sich die ABDA nun tatsächlich gegen die politischen Pläne zur Lieferengpass-Problematik zu wehren. Zeit wär’s, aber ob die Apos das durchhalten, ist fraglich.
Endlich kommen klare Worte von ABDA-Präsidentin Gabriele Overwiening. Sie hatte sich nach Veröffentlichung des Referentenentwurfs für das Lieferengpass-Gesetz in einem offenen Brief an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach gewandt. Zudem hat die ABDA inzwischen deutlich gemacht, welche Forderungen sie an die Politik hat – zum einen, was die Entlohnung der Arbeit in der Apotheke angeht, damit sie zukunftsfähig wird, und zum anderen, was die vereinfachten Abgaberegelungen angeht, die sie verstetigt sehen möchte. Sie droht jetzt ernsthaft damit, ihren Forderungen auch Nachdruck zu verleihen, wenn dem Forderungskatalog nicht nachgekommen wird. Es soll verschiedene Eskalationsstufen geben, die jedoch „aus taktischen Gründen“ noch nicht alle veröffentlicht wurden.
Der Katalog umfasst 10 Punkte:
Für manche erscheinen die Forderungen – insbesondere die Erhöhung des Fixums – sicherlich überzogen, doch angesichts der Tatsache, dass die Vergütung der Apothekenleistungen im Bereich der verschreibungspflichtigen Medikamente schon über ein Jahrzehnt stagnieren und seit Februar sogar gekappt wurden, sind die geforderten Vergütungen nachvollziehbar. Die Ausgaben der GKV für den Wertschöpfungsanteil der Apotheken betrug im Jahr 2021 nur noch 1,9 Prozentpunkte und damit weniger als die Hälfte der GKV-Verwaltungsausgaben von 4,1 Prozent. Eine Anpassung ist daher dringend geboten.
Im Hinblick darauf, wie schwer sich Politik und Krankenkassen damit tun, das Fixentgelt pro verschreibungspflichtigem Medikament anzuheben, ist auch klar, dass die ABDA hier für die Zukunft eine automatische Anpassung an die Kostenentwicklung innerhalb der Gesellschaft fordert. Bislang gab es diese Anpassung in beinahe zwanzig Jahren nur ein einziges Mal und das ist nun auch schon zehn Jahre her. In Anbetracht der vorangeschrittenen Inflation und deutlich mehr Zahlung für das Personal – die im Übrigen je nach Berufsgruppe kaum zum Leben reicht – ist ein solcher Mechanismus sogar zwingend nötig, will man die Apotheken zukunftssicher betreiben. Wer sich fragt, wie die Apothekenleiter dies bisher stemmen konnten: Sie können es in den meisten Fällen tatsächlich nur mit einem großen Maß an persönlicher Ausbeutung. Viele haben in den vergangenen Jahren aber auch aufgegeben und viele werden dies in den kommenden Jahren vermutlich ebenfalls tun, wenn aus der Politik nicht mehr Unterstützung kommt.
Die geforderte Einheitspauschale für jede Betriebsstätte würde vor allem die kleineren Apotheken begünstigen. Das sind meistens die Land-Apotheken, die man für die flächendeckende Versorgung der Patienten dringend benötigt und deren Schließungen zu den größten Lücken – auch der Nacht- und Notversorgung – führen.
Der angebotene Engpass-Ausgleich von 50 Cent pro Medikament, um dessen Beschaffung sich die Apotheke kümmern muss, war, wie Overwiening sich kürzlich ausdrückte, eine „Frechheit“ und nicht mehr als ein „Almosen“. Es zeigt jedenfalls deutlich die Geringschätzung der Arbeit von all denen, die sich mit diesen Schwierigkeiten tagtäglich beschäftigen müssen. So formulierte die ABDA nun ihr Gegenangebot und fordert satte 21 Euro pro Beschaffungsvorgang. Dieser Betrag soll als Sonderzuschlag in der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) und im SGB V verankert werden und immer dann erfolgen, wenn ein Sonderkennzeichen wegen Nichtverfügbarkeit auf der Verschreibung angegeben wird. Doch auch dieser Betrag ist nicht willkürlich gewählt. Die Begründung für die Höhe des Zuschlags wird in der Stellungnahme der ABDA zum Referentenentwurf geliefert.
Argumentiert wird damit, dass, als die Arzneimittelpreisverordnung im Jahr 2004 umgestellt und das Fixum etabliert wurde, die Leistungen der Apotheke, um die Folgen von Lieferengpässen in der Patientenversorgung abzumildern, noch keine relevante Rolle spielten. Sie wurden damit auch nicht abgebildet, sind aber heute an der Tagesordnung und beanspruchen Arbeitskraft und Zeit. Expertenschätzungen zufolge sind es im Durchschnitt mindestens 6 Wochenstunden, die für das Management von Lieferengpässen aufgebracht werden. Die ABDA empfindet es als nicht sachgerecht, die wirtschaftliche Anerkennung dieser Zusatzbelastung ausschließlich auf die Abgabe von beim BfArM gelisteten Lieferengpässen von versorgungsrelevanten und -kritischen Arzneimitteln zu beschränken. Wie man aktuell feststellen kann, sind es ja vor allem die apothekenpflichtigen Kinderarzneimittel, deren Beschaffung hier besonders viel Zeit in Anspruch nimmt – die aber nicht auf der Liste des BfArM stehen.
Die ABDA rechnet vor, dass die Kosten für Beschaffung sowie Dokumentation und Abrechnung nur bezogen auf den Zeitaufwand des pharmazeutischen Personals bei etwa 425 Mio. Euro pro Jahr liegen. Zugrunde gelegt werden hier Personalkosten von 75,91 Euro je Stunde, da sowohl Apotheker als auch PTA tätig werden müssen. Diese Zahlen gründen sich auf die Veröffentlichungen des Deutschen Arzneiprüfungsinstitutes und verdeutlichen, dass im Bereich der GKV-Versorgung jährlich ungefähr 18 Millionen Mal das Sonderkennzeichen für die Nichtverfügbarkeit verwendet wurde.
All das sind Forderungen, deren Erfüllung die Apothekerschaft schon seit Jahren erwartet und anfragt. Was bisher fehlt, sind konkrete Daten. Zu wann werden die Forderungen gestellt? Ab April, wenn die erleichterten Abgaberegelungen fallen sollen? Rückwirkend zum Januar dieses Jahres? Und auf welche Eskalationsstufen muss sich die Politik gefasst machen, geht es um handfeste Streiks? Um den Wegfall von Nacht- und Notdiensten? Oder werden wieder nur Handzettel für die Kundschaft gedruckt, Unterschriften gesammelt, und um 12 Uhr die Lichter ausgemacht? Ich bin der Meinung, dass die meisten Apothekeninhaber nun bereit wären für mehr, genau wie das Personal. Nur Fristen und konkrete Hinweise auf das, was folgen soll, wenn den Forderungen nicht nachgegeben wird, schaffen hier den nötigen Druck. Und das fehlt den berechtigten Forderungen der ABDA – leider.
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