Mit einer verbesserten Identifikation von Degradern für bestimmte E3-Ligasen kann die Entwicklung von neuen Therapien vorangetrieben werden. In einer aktuellen Studie erklären Forscher ihre neue Methode.
Zielgerichtet neue Moleküle identifizieren, die als Degrader fungieren – das ist die Intention einer aktuellen Studie von Wissenschaftlern des Forschungszentrums für Molekulare Medizin (CeMM) der ÖAW. Diese Methode kann auch für neue Medikamente und Therapien herangezogen werden. Die Arbeit wurde im Journal of the American Chemical Society (JACS) veröffentlicht.
Die neueste Generation an Medikamenten setzt auf einen gezielten Abbau schadhafter Proteine. Dazu werden chemische Moleküle herangezogen, die die Verbindung eines schadhaften, krankheitserregenden Proteins mit der zelleigenen Müllabfuhr, einer sogenannten E3-Ligase, herstellen. In der Wissenschaft spricht man dabei von „Targeted Protein Degradation“.
Die aktuell bekannten Abbaumoleküle, sogenannte Degrader, binden allerdings nur an eine Hand voll E3-Ligasen, die somit für die Therapie herangezogen werden können. Georg Winter, Principal Investigator am CeMM, erklärt: „Es gibt rund 600 E3-Ligasen in einer menschlichen Zelle. Wir suchen nach einem Weg, für möglichst viele dieser E3-Ligasen einen passenden Degrader zu finden, das diese rekrutiert. Dadurch können sich neue Therapiewege eröffnen, insbesondere für Patient:innen, deren Therapie aufgrund entwickelter Resistenzen nicht mehr wirksam ist.“
In ihrer Studie zeigen Erstautor Alexander Hanzl und Kollegen eine Methode, die es ermöglicht, passende Degradermoleküle gezielt für eine bestimmte E3-Ligase zu finden. „Nehmen wir an, in bestimmten Krebszellen zeigt sich eine bestimmte E3-Ligase als besonders exprimiert. Dann ist es wichtig, auch einen Degrader zu finden, der genau diese E3-Ligase rekrutieren kann,“ so Hanzl.
Aufbauend auf einer früheren Charakterisierung der sogenannten cullin-RING-E3-Ligase (CRL) Regulierung – einem Selbstabbaumechanismus der E3-Ligasen – zeigen Hanzl und Winter, wie durch das Zuführen von Degradern und Inhibitoren an eine E3-Ligase neue, spezifische Abbaumoleküle identifiziert werden können.
„Auf diesem Weg können binnen drei bis sechs Tagen rund 10.000 Moleküle auf ihre Degraderfunktion für eine bestimmte E3-Ligase gescreent werden,“ so Hanzl. Georg Winter ergänzt: „Mit zunehmenden klinischen Studien zur Wirksamkeit von Degradern wird sichtbar, dass mit der Zeit Therapieresistenzen auftreten können, die sich von bisher beschriebenen Resistenzmechanismen bei Therapien mit traditionellen Inhibitor-basierenden Medikamenten unterscheiden. Umso wichtiger ist es, möglichst viele E3-Ligasen rekrutieren zu können, um alternativ neue Therapiewege gehen zu können. Mit unserer Studie gehen wir einen Schritt in diese Richtung und präsentieren den ersten skalierbaren Ansatz für die Suche nach E3-Ligase-selektiven Abbaumolekülen.“
Derzeit werden zahlreiche Degrader-Medikamente in klinischen Studien getestet, einige stehen Patienten bereits zur Verfügung – insbesondere für verschiedene Blutkrebsarten.
„Traditionelle Therapeutika, die den Ansatz verfolgen, eine isolierte Funktion eines Proteins zu blockieren, erreichen nur rund 20 Prozent unserer Proteine. Die anderen 80 Prozent verfügen über keine geeignete Bindungsstelle und sind somit nicht erschließbar. Wir sehen in der neuen Generation von Medikamenten mittels Degradern zum zielgerichteten Proteinabbau ein großes Potenzial, das man hier signifikant erhöhen kann und so vielleicht in Zukunft bis zu 80 Prozent der Proteine erreicht,“ so Winter.
Um auftretenden Resistenzen überwinden zu können, ist es wichtig, möglichst viele E3-Ligasen mit Degradern rekrutieren und somit den Abtransport schadhafter Proteine sicherstellen zu können.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Hier gelangt ihr zur Originalpublikation.
Bildquelle: Jack Blueberry, unsplash