Immer häufiger überwinden lebensbedrohliche Infektionen wie Ebola die Grenze zum Menschen. Die Initiative One Health erforscht das Wechselspiel zwischen menschlicher und tierischer Gesundheit sowie die Auswirkungen der Umweltzerstörung – mit eindeutigen Ergebnissen.
Zwischen 50 und 70 Prozent der in den letzten Jahrzehnten neu aufgetretenen Infektionskrankheiten sind tierischen Ursprungs. SARS, die Vogelgrippe, das Nipah-Virus, das West-Nil-Virus oder EHEC sind nur einige Beispiele. Zwar ist es kein neues Phänomen, dass Krankheiten von Tieren auf den Menschen überspringen, schon in der Bibel gibt es Überlieferungen von einer Viehpest, die auch die Menschen heimsuchte, doch unbestritten haben die Fälle in den letzten Jahren und Jahrzehnten zugenommen.
Die Initiative One Health beschäftigt sich mit dem Zusammenspiel zwischen Gesundheit der Menschen, Tiere und der Umwelt. Ein Ziel ist es, Pandemien durch neue bzw. noch unbekannte Viren zu verhindern. Eigentlich ist der Ansatz nicht neu. Denn dass Veränderungen in einem Ökosystem dramatische und ungeahnte Folgen haben können, weiß man spätestens seitdem britische Seefahrer die Wildkaninchen nach Australien einführten. Im Prinzip sucht One Health mit der Expertise von Wissenschaftlern und Experten aus verschiedensten Forschungsbereichen genau nach solchen Zusammenhängen – allerdings im Hinblick auf pathogene Erreger und deren Wirte. In der Folge könnten Strategien entwickelt werden, die Zoonosen verhindern. Prof. Peter Rabinowitz, Direktor des Human-Animal Medicine Project an der University of Washington, erklärt, dass eine Kombination aus Veränderungen in zahlreichen Ökosystemen, der Klimawandel, die Bedingungen unserer Tierhaltung und die Zerstörung von natürlichen Habitaten die Ursache für den vermehrt auftretenden Übertritt von Viren aus tierischen Wirten auf den Menschen sei. Denn durch all diese Umstände kommen wir in engeren Kontakt mit Tieren, die solche Viren und andere Erreger in sich tragen.
Einige Zahlen verdeutlichen den Umfang dieser Thematik. 1960 gab es ebenso viele Menschen wie Hühner auf der Erde. Doch während sich die Weltbevölkerung seitdem verdoppelt hat, vervierfachte sich die Zahl der Hühner auf etwa 20 Milliarden. Das bedeutet, dass die Tiere auf immer engerem Raum gehalten werden und ganz automatisch das Risiko für Infektionskrankheiten – vorerst nur – vorerst nur innerhalb der Art ansteigt. In China und anderen asiatischen Ländern sind die Gegebenheiten bei der Haltung anders als in den westlichen Ländern. Zum einen kommen Freilandhühner regelmäßig in Kontakt mit Wildvögeln und können auf diesem Weg mit in diesen Tieren z. T. endemischen Vogelgrippeviren infiziert werden. In den großen Kolonien finden die Viren ideale Bedingungen zur Vermehrung. Zugleich ist der Kontakt zwischen Menschen und den lebenden Tieren, beispielsweise auf Geflügelmärkten, viel intensiver. An dieser Schnittstelle kann der Übertritt eines tierischen Virus auf den Menschen leicht geschehen.
Die One Health Initiative hat sich daher auch zum Ziel gesetzt, zu untersuchen, wie die Interaktionen zwischen Menschen und Wildtieren aussehen sollten, um die gegenseitige Ansteckung von Menschen, Haus- und Nutztieren und Wildtieren – so wie u. a. im Fall Ebola – zu verhindern. Serge Morand, Wissenschaftler am Institut des Sciences de l'Evolution, CNRS der Université Montpellier, hat dazu das Forschungsprojekt CERoPath initiiert, das in Thailand, Laos und anderen Ländern Südostasiens den Einfluss der Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt analysiert. Er untersuchte mit seinem Team das Vorkommen von 13 verschiedenen Erregern in über 20.000 Ratten. Die Ergebnisse zeigen, dass die Anzahl verschiedener Mikroparasiten in Ratten, die auf bewirtschafteten Flächen (in dieser Region v. a. Reisfeldern) leben, höher ist, als in nicht bewirtschafteten Hangregionen. Je näher die Tiere an bewirtschafteten Flächen bzw. „den Menschen“ lebten, desto geringer war die Diversität der Mikroparasiten. Morand schließt aus dem Ergebnis, dass dadurch eine Transmission auf den Menschen leichter erfolgen kann.
In vielen anderen Regionen stehen vor allem Fledermäuse im Fokus der Wissenschaftler, denn sie sind das Reservoir unzähliger bekannter und unbekannter Viren, die potentiell für Menschen gefährlich sein können. Auch hier gilt, dass der der Kontakt, der Verzehr oder das Fangen von Fledermäusen, eine Hauptquelle von Infektionen mit Viren wie Ebola, Marburg und noch nicht in Erscheinung getretenen Viren ist. Steve Osofsky, Direktor für Wildtiergesundheit und Gesundheitspolitik der Wildlife Conservation Society betont, dass die Erreger in Wildtieren in der Regel nicht zu uns kommen, sondern wir zu ihnen. Wenn wir den Tieren genügend Lebensraum geben und nicht ihre Ökosysteme zerstören, Wälder roden und ihnen damit auf die Pelle rücken – also einfach gesagt: wenn sich unsere Wege seltener kreuzen –, dann finden auch weniger Transmissionen tierischer Erreger auf den Menschen statt. Dazu muss die Bevölkerung vor Ort darüber aufgeklärt werden, dass Fledermäuse und Primaten – wir erinnern uns an HIV – nicht auf dem Speiseplan stehen sollten.
Doch es geht bei weitem nicht nur um Fledermäuse im Busch von Afrika, die tödliche Viren tragen. Auch wir müssen uns fragen, ob beispielsweise unser Fleischkonsum wirklich notwendig ist, oder ob wir am bestehenden System etwas zum Wohle der Natur und der Tiere – und damit letztendlich auch zum Wohle der eigenen Gesundheit – etwas ändern können. Denn One Health bedeutet eben auch, dass der Mensch sich an die Ökosysteme dieser Welt anzupassen hat und nicht nur umgekehrt. Letztendlich dreht der Mensch an den Stellschrauben und provoziert die Reaktionen. Es gibt nach Schätzungen weltweit noch mindestens 300.000 unbekannte Viren. Wir wären besser dran, uns darauf einzustellen und ein gemeinsames Miteinander anzustreben.