Eine Sepsis kann tödlich sein – auch lange nach der Entlassung aus dem Krankenhaus. Wie sie das kardiovaskuläre Risiko erhöht und worauf ihr achten müsst, lest ihr hier.
Sepsis ist weltweit eine der häufigsten Ursachen für Klinikeinweisungen. Auch wenn die Intensivmedizin durch vorübergehenden Ersatz oder Unterstützung der Organfunktionen kritische Phasen überbrücken kann, führt die Erkrankung oft zum Tod. Eine aktuelle retrospektive Studie hat ergeben, dass Patienten, die wegen einer Sepsis hospitalisiert wurden oder diese während eines stationären Krankenhausaufenthaltes entwickelten, ein erhöhtes Risiko für eine Herzinsuffizienz zeigten und auch das Sterberisiko stieg an.
Die Forschungsgruppe um Prof. Jacob Jentzer von der Mayo Clinic in Rochester untersuchten das Risiko für ein Versterben nach der Entlassung und für erneute Klinikaufenthalte aufgrund kardiovaskulärer Erkrankungen bei Patienten, die an einer Sepsis erkrankt waren. Mehr als zwei Millionen Patienten wurden in die Studie eingeschlossen. Das Forscherteam nutzte die US-amerikanischen Versicherungsdaten von Menschen mit einem nicht chirurgisch begründeten Klinikaufenthalt von mindestens zwei Nächten.
Rund 809.000 Personen mit einer Sepsis wurden mit 1.450.000 Hospitalisierten ohne Sepsis verglichen, die kardiovaskuläre Erkrankungen oder entsprechende Risikofaktoren zeigten. Die Patienten waren zwischen 19 und 87 Jahre alt. Der Nachbeobachtungszeitraum betrug maximal 12 Jahre. Unter den Erkrankten waren Personen mit einer diagnostizierten Sepsis oder einer impliziten Sepsis, die definiert war als Vorliegen einer Infektion mit Organversagen. Dies wurde automatisch als Sepsis in den elektronischen Krankenakten vermerkt.
Patienten mit Sepsis hatten gegenüber denjenigen ohne Sepsis in den folgenden zwölf Jahren ein signifikant erhöhtes Sterberisiko (27 %), ein signifikant gesteigertes Risiko für einen Klinikaufenthalt aus irgendeinem Grund (38 %) und ein signifikant erhöhtes Risiko für eine Hospitalisierung aufgrund kardiovaskulärer Ursachen (43 %). Das häufigste schwere kardiovaskuläre Ereignis innerhalb des Follow-ups bei Menschen mit Sepsis in der Vorgeschichte war eine Herzinsuffizienz. Ihr Risiko war gegenüber Personen ohne Sepsis während ihres Klinikaufenthaltes um 51 % erhöht. Erkrankte mit einer impliziten Sepsis hatten verglichen mit Patienten, die eine explizite Sepsis erlitten, ein doppelt so hohes Risiko für einen weiteren Klinikaufenthalt aufgrund kardiovaskulärer Ereignisse.
Jentzer et al. postulieren, dass eine Infektion ein potenzieller Auslöser für Herzinfarkte sein könnte und Patienten auch für andere kardiovaskuläre Ereignisse prädisponieren könnte, entweder während der Infektion oder später, wenn ihre Folgen eine fortschreitende kardiovaskuläre Erkrankung bedingen. Das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse bei Patienten, die eine Sepsis überleben, sei so groß, dass diese als nicht traditioneller Risikofaktor für kardiovaskuläre Ereignisse angesehen werden sollte, so die Autoren. Vielmehr zeigen die Ergebnisse der Studie, dass nach einem Klinikaufenthalt mit Sepsis eine engmaschige Nachsorge wichtig ist und es hilfreich sein könnte, kardiovaskuläre Präventionstherapien unter strenger Überwachung durchzuführen.
Medizinische Fachkräfte sollten sich des hohen kardiovaskulären Risikos von Erkrankten mit Sepsis bewusst sein und möglicherweise die Prävention verstärken, ergänzen die Autoren. Dieser Gedanke wird auch von Dr. Gabriel Wardi von UC San Diego Health in einem Begleitkommentar zur Studie unterstützt. Er betont, dass während der Anamnese bei Patienten eine überlebte Sepsis in der Vorgeschichte unbedingt abgefragt werden sollte, denn möglicherweise könnte das die Prognose verbessern. Er weist aber auch auf die Limitationen der Studie hin. Einschränkungen waren unter anderem, dass die Daten retrospektiv erhoben wurden und keine Informationen über den Schweregrad der Sepsis vorlagen. Das Studiendesign lässt keine Rückschlüsse auf eine Kausalität zu. Es kann somit nicht abschließend geklärt werden, ob eine Sepsis bei Menschen mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen auftritt oder ob sie das Risiko für solche Erkrankungen direkt erhöht.
Wirft man einen Blick in die Literatur der vergangenen Jahre, gibt es aber weitere Studien, die zu ähnlichen Ergebnissen kamen. Beispielsweise verfolgten Mediziner aus Taiwan retrospektiv den Verlauf von mehr als 42.000 Sepsispatienten bis 180 Tage nach deren Entlassung aus dem Krankenhaus. Primärer Endpunkt der Studie war das Auftreten eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls. Im Beobachtungszeitraum erlitten 831 Sepsispatienten einen Schlaganfall und 184 einen Herzinfarkt. Das Risiko, einen Infarkt oder Insult zu erleiden, war bei Patienten mit überstandener Sepsis in der ersten Woche nach Entlassung knapp fünfmal so hoch wie in der Allgemeinpopulation. Auch nach vier Wochen war es noch mehr als verdoppelt und konvergierte dann allmählich gegen das Normalniveau.
Bedauerlicherweise fehlt in dieser Studie allerdings der Langzeitverlauf. Einen längeren Nachbeobachtungszeitraum bietet eine Studie der Universität Örebro aus dem Jahr 2017. Das Forscherteam untersuchte eine Kohorte von 246.739 Männern der Jahrgänge 1952 bis 1956. Knapp ein Fünftel (46.754 Männer) waren bis 2010 wegen einer kardiovaskulären Erkrankung in ärztlicher Behandlung gewesen, davon 10.279 wegen einer koronaren Herzkrankheit. Insgesamt 301 Männer wurden im Jahr vor der kardiovaskulären Erkrankung wegen einer Pneumonie oder einer Sepsis im Krankenhaus behandelt. Im Vergleich zu den Personen, die keine Sepsis durchgemacht hatten, war das Risiko um mehr als das Sechsfache erhöht. Die Forscher ermitteln eine Hazard Ratio von 6,33, die mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 5,65 bis 7,09 signifikant war. Im zweiten und dritten Jahr nach der Infektion war das Herz-Kreislauf-Erkrankungsrisiko um den Faktor 2,47 und 2,12 erhöht. Das Risiko nahm in den Folgejahren langsam ab. Allerdings blieb es in fünf oder mehr Jahre nach der Infektion noch signifikant um 87 Prozent erhöht. Die größte Limitation dieser Studie ist, dass ausschließlich Männer untersucht wurden.
Auch wenn noch viele Fragen offen sind, sollten die Ergebnisse der aktuellen Studie von Jentzer et al. dazu führen, dass medizinische Fachkräfte bei einer Sepsis-Episode als wichtiges Ereignis in der Krankengeschichte ihrer Patienten hellhörig werden. Denn möglicherweise können eine gute Langzeitversorgung und eine sorgsame kardiovaskuläre Risikostratifizierung ihre Prognose verbessern.
Quellen
Jentzer J et al., Cardiovascular Events Among Survivors of Sepsis Hospitalization: A Retrospective Cohort Analysis. Journal of the American Heart Association, 2023. https://doi.org/10.1161/JAHA.122.027813.
Wardi G et al., Describing Sepsis as a Risk Factor for Cardiovascular Disease. Journal of the American Heart Association, 2023. https://doi.org/10.1161/JAHA.122.028882.
Lai CC et al., CMAJ 2018 September 10; 190: E1062–9; doi.org/10.1503/cmaj.171284
Cecilia Bergh, Katja Fall, Ruzan Udumyan, Hugo Sjöqvist, Ole Fröbert, Scott Montgomery, Severe Infections and Subsequent Delayed Cardiovascular Disease, European Journal of Preventive Cardiology, Volume 24, Issue 18, 1 December 2017, 1.958–1.966, https://doi.org/10.1177/2047487317724009.
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