Gleich zwei neue Medikamente haben das Potenzial, die Behandlung der schwersten Form der Bluterkrankheit deutlich zu verbessern. Lest hier, welche das sind und für welche Fälle sie sich eignen.
Die Hämophilie A ist die häufigste schwere Form der Bluterkrankheit. Sie betrifft nahezu ausschließlich das männliche Geschlecht. Die Erkrankung lässt sich in der Regel gut behandeln, doch nicht bei allen Betroffenen helfen die bisher bekannten Medikamente.
Bei Patienten mit einer Hämophilie A fehlt der Gerinnungsfaktor VIII und muss von außen zugeführt werden. In einer klinischen Phase-III-Studie unter Beteiligung des Hämophiliezentrums des Universitätsklinikums Bonn (UKB) – einem der größten Hämophilie-Zentren in Europa – wurde zur Behandlung von Hämophilie A nun erstmals ein neues Medikament namens Efanesoctocog Alpha getestet. Die Ergebnisse sind im New England Journal of Medicine erschienen.
Efanesoctocog Alpha enthält einen gentechnisch hergestellten Gerinnungsfaktor VIII, der eine erheblich verlängerte Wirkdauer von 47 Stunden aufweist. Die Studie mit 133 Patienten zeigt, dass die Blutgerinnung mit dem neuen Medikament über vier Tage fast normalisiert ist und über sieben Tage einen sehr guten Schutz vor Blutungen darstellt. Die Zahl der Blutungen reduziert sich von drei Blutungen in 12 Monaten mit der klassischen Behandlung auf nur noch eine Blutung in 18 Monaten mit Efanesoctocog Alpha. Erreicht wird die lange Wirkdauer durch eine Reihe von gentechnischen Modifikationen des Faktor-VIII-Proteins, von denen die wichtigste die Blockade der Bindung an den Von-Willebrand-Faktor ist, welcher ansonsten die Geschwindigkeit des Faktor-VIII-Abbaus bestimmt.
Parallel ist in Lancet Haematology eine Studie zur Prophylaxe von weniger schweren Verlaufsformen der Hämophilie A mit dem monoklonalen Antikörper Emicizumab erschienen. Diese Patienten haben vergleichsweise wenig Blutungen, so dass die klassische blutungsvorbeugende Therapie mit mehrfachen intravenösen Gerinnungsfaktor-VIII-Gaben pro Woche für viele Patienten nicht umsetzbar scheint. Dennoch weist der größte Teil der Patienten im Erwachsenenalter erhebliche Blutungsfolgen auf, insbesondere an den Gelenken.
Bisher war Emicizumab nur für die Behandlung von Patienten mit schwerer Hämophilie A zugelassen. Die aktuelle Studie zeigt nun aber auch eine sehr gute Wirksamkeit bei Patienten mit einer weniger schweren Verlaufsform der Hämophilie A. So hatten Patienten unter Emicizumab, das nur einmal alle ein bis zwei Wochen subkutan gegeben wurde, im Mittel weniger als eine Blutung im Jahr. Wie auch schon bei den früheren Zulassungsstudien zu Emicizumab, war das Hämophiliezentrum des UKB auch an dieser Studie maßgeblich beteiligt. Fast zeitgleich mit der Publikation erfolgte jetzt die Zulassung von Emicizumab für die Hämophilie-A-Patienten mit mittelschwerer Verlaufsform.
Prof. Johannes Oldenburg, Direktor des Instituts für Experimentelle Hämatologie und Transfusionsmedizin am UKB stellt dazu fest: „Efanesoctocog Alpha mit seiner verlängerten Wirkdauer und Emicizumab für die Patienten mit mittelschwerer Verlaufsform stellen wichtige Meilensteine in der Behandlung von Hämophilie-A-Patienten dar. Dadurch werden Blutungen und deren Folgen, insbesondere Gelenkschäden und starke Schmerzen, verhindert, so dass Patienten mit einer Hämophilie A auch im Erwachsenenalter eine gute Lebensqualität aufweisen.“
Dieser Artikel beruht auf einer Pressemitteilung des Universitätsklinikums Bonn. Die Originalpublikationen haben wir euch hier, hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Planet Volumes, unsplash