Wissenschaftlern ist es gelungen, die Evolutionsgeschichte der Chlamydien zu rekonstruieren: Die Ergebnisse erweitern unseren Blick auf die Entwicklung intrazellulärer Bakterien.
Alle bekannten Chlamydien leben in den Zellen von Wirten – von Amöben bis zu Tieren. Eine Forschergruppe der Universität Wien fand heraus, dass der Vorfahre der Chlamydien wahrscheinlich bereits in Wirtszellen vorkam. Die Chlamydien, die aber Amöben infizieren, entwickelten sich erst später auf eine für intrazelluläre Bakterien unerwartete Weise, wie das Team nun in einer Studie zeigt.
Chlamydien sind für den menschlichen Krankheitserreger Chlamydia trachomatis bekannt. Diese Bakteriengruppe entwickelte sich vor über einer Milliarde Jahren – lange vor den ersten Tieren. Dennoch leben alle heute bekannten Chlamydien in einem breiten Spektrum von Wirten, von kleinen Amöben bis hin zu tierischen Zellen. Chlamydien, die Tiere infizieren, haben kleine Genome, die denen anderer Endosymbionten ähneln. Diejenigen, die Amöben infizieren, haben größere Genome, die eher freilebenden Bakterien ähneln. Dies stellte Wissenschaftler seit der Sequenzierung der ersten Chlamydiengenome vor ein Rätsel. Da die Mikroben jedoch im Labor schwierig zu züchten sind, gestaltete sich die Erforschung der Evolution dieser vielfältigen Bakteriengruppe bisher kompliziert.
Zwei Forscherteams konnten dieses Problem nun gemeinsam umgehen: „Erst seit kurzem sind wir in der Lage, Genome direkt aus Umweltproben zu sequenzieren“, erklären die Forscher. Mithilfe modernster Berechnungsmethoden rekonstruierten sie, welche Gene der gemeinsame Vorfahre aller heute lebenden Chlamydien wahrscheinlich hatte. Dabei zeigte sich, dass der Vorfahre bereits alle Gene besaß, die für einen Endosymbionten notwendig sind. „Sogar Gene, die für die heutigen tierischen Chlamydien-Erreger wichtig sind, waren wahrscheinlich schon vorhanden“, so die Wissenschaftler. Das bedeutet, dass Chlamydien seit über einer Milliarde Jahren der Evolutionsgeschichte Wirtszellen infizieren.
Zu ihrer Überraschung fanden die Mikrobiologen heraus, dass die Chlamydien, die hingegen Amöben infizieren, sich anders als erwartet entwickelten: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass bei einigen Chlamydien mehr Genaustausch stattgefunden hat, als für Endosymbionten erwartet wird, einschließlich des Erwerbs wichtiger Stoffwechselgene“, erklären die Autoren.
Dieses Ergebnis stellt unsere Vorstellungen von der Evolution der Endosymbionten in Frage. „Es ist nicht so überraschend, wenn man sich die Umgebung ansieht, in der diese Chlamydien leben: Amöben beherbergen oft mehrere Endosymbionten und fressen Bakterien, sodass es andere Mikroben gibt, mit denen sie Gene austauschen können. Außerdem wandern die meisten Chlamydien zwischen verschiedenen Wirten hin und her und sind daher wechselnden Umgebungen ausgesetzt. Das könnte erklären, warum es für diese Endosymbionten vorteilhaft sein könnte, Stoffwechselgene zu behalten oder sogar zu gewinnen“, erklären die Wissenschaftler, deren Ergebnisse ein wichtiger Schritt für das Verständnis der Entstehung und Entwicklung endosymbiontischer Bakterien – einschließlich menschlicher Krankheitserreger – sind.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Universität Wien. Hier findet ihr die Originalpublikation.
Bildquelle: Jossuha Théophile, unsplash