Hohe Schuhe – sexy, unbequem und gefährlich. Was passiert wirklich, wenn High Heels die Füße einquetschen? Lest hier, was ihr betroffenen Patienten raten könnt.
Schon Aschenputtel wusste: Der richtige Schuh am richtigen Fuß kann dein Leben verändern. Aber leider nicht nur zum Positiven – falsche und unpassende Schuhe können Fußfehlstellungen und Haltungsschäden verursachen, das ist bekannt. Warum tragen Frauen aber trotzdem High Heels und was passiert eigentlich wirklich mit den Füßen, wenn die beliebten Schuhe zu lange getragen werden?
Auch Füße und damit einhergehend Schuhe bleiben von den Auswirkungen der Pandemie nicht verschont. Neben rückläufigen Verkaufszahlen sowie erhöhten Produktions- und Rohmaterialkosten resultiert aber vor allem eines aus der so gut wie schuhlosen Zeit zu Hause: Die Menschen wollen bequemere Schuhe. Nach über zwei Jahren mit überwiegend Hausschuhen, flachen Sneakern und Barfußschuhen ist der Faktor Komfort selbst bei schicken Schuhen nicht mehr wegzudenken. Auch die Zahl der durch High Heels verursachten Fußverletzung ging erheblich zurück. In den Jahren 2016–2019 besuchten rund 16.000 Frauen zwischen 15–69 Jahren aus diesem Grund die Notaufnahmen in den USA. 2020 waren es hingegen nur knapp über 6.000 Fälle. Trotzdem boomt der Markt für hohe Schuhe. Warum? Neben dem Verlangen nach Gemütlichkeit ist auch das Verlangen danach, sich schick zu machen und auszugehen größer, als zu Prä-Pandemie-Zeiten – und für viele Frauen gehören hohe Schuhe einfach dazu.
High Heels sind einer der wenigen konstanten Modetrends der Neuzeit und werden oft mit Attraktivität und Weiblichkeit assoziiert. Laut einer Umfrage der American Podiatric Medical Association trägt jede zweite Frau High Heels – und 71 % haben Schmerzen dabei. Einer der Gründe, warum Frauen trotzdem hohe Schuhe tragen, könnte sein, dass sie dadurch womöglich als attraktiver wahrgenommen werden. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Silhouetten mit hohen Absätzen sowohl körperlich als auch sexuell als attraktiver eingestuft wurden als die Silhouette in flachen Schuhen. Die Silhouette mit Absätzen wurde als weiblicher bzw. weniger männlich eingestuft“, so die Studienautoren.
Diese Steigerung der Attraktivität könnte mit dem durch die Schuhe veränderten Körperschwerpunkt und der veränderten Körperhaltung zusammenhängen. Evolutionär gesehen hatten Frauen, deren Lendenwirbel stärker gekippt sind, einen großen Vorteil: Sie konnten mehrere Schwangerschaften ohne Verletzungen überstehen und waren länger dazu in der Lage, auf Nahrungssuche zu gehen. Forscher stellten deswegen die Hypothese auf, „dass Männer eine Präferenz für einen Lendenwinkel von etwa 45,5° haben – ein Wert, der auf die Fähigkeit hinweist, den Graviditätsschwerpunkt nach hinten über die Hüften verlagern zu können und gleichzeitig die adaptiven Probleme einer übermäßigen Lumbalkrümmung (Hyperlordose) und einer unzureichenden Lumbalkrümmung (Hypolordose) zu vermeiden.“ Das Tragen von High Heels könnte also diese körperlichen Merkmale, die gute Schwangerschaftsvoraussetzungen sind, imitieren und so zu einer als höher wahrgenommenen Attraktivität beitragen.
Hohe Schuhe können aber nicht nur Einfluss auf Füße und Haltung haben, wie eine Studie zeigt. High Heels beeinflussen den Rotationsmechanismus und die Position des Knöchels beim Gehen. Da die Stellung des Knöchels einen Einfluss auf die Funktion des Beckenbodens haben kann, gingen Forscher der Frage nach, ob das Tragen hoher Schuhe deswegen auch einen Einfluss auf den Beckenboden hat. Dazu analysierten die Forscher die Angaben von 1.263 Probandinnen, die regelmäßig Schuhe mit unterschiedlichen Absatzhöhen (< 3, 3–5, 5–7, und > 7 cm) trugen. Die Frauen waren 39,61±11,37 Jahre alt und hatten einen BMI von 22,24±3,45.
Das Ergebnis: Das Tragen von Schuhen mit einer Absatzhöhe von 3–5 cm und einer Ansatzbreite von mehr als 3 cm über einen längeren Zeitraum hinweg könnte sich positiv auf die Beckenbodenfunktion auswirken. Doch neben diesen positiven Effekten können hohe Schuhe auch eine Reihe von gesundheitlichen Schäden mit sich bringen.
„Jeder Mensch hat natürlich individuelle Prädispositionen für die Entwicklung von Fußfehlstellungen“, erklärt Orthopäde Dr. Bernd Jakob im Gespräch mit DocCheck. „Aber es kommt trotzdem stark darauf an, welchen Schuh man trägt. Bei High Heels etwa führt der Absatz dazu, dass der Fuß – zusätzlich zu dem zu engen Schnitt im Vorfußbereich – durch die Spitzfußstellung in den vorderen Bereich des Schuhs gedrückt wird.“ Das kann zu gesundheitlichen Problem und Fußfehlstellungen führen, allen voran Hallux valgus (DocCheck berichtete).
Die Fußstellung in High Heels ist quasi wie geschaffen dafür, einen Hallux valgus zu entwickeln. So zeigt beispielsweise ein systematisches Review, dass „Schuhe mit hohen Absätzen mit Hallux valgus, Schmerzen des Bewegungsapparats und Erstverletzungen in Zusammenhang stehen.“ Weitere Studien bestätigen den Zusammenhang. Ein Vergleich von 150 Frauen, die in drei Gruppen (flache Schuhe, Absätze mit 4±0,5 cm und Absätze mit 10±0,5) eingeteilt wurden, zeigt, dass die Absatzhöhe signifikante Auswirkungen auf das Auftreten eines Hallux valgus hat. Außerdem waren die Füße von Frauen, die hohe Absätze trugen, deutlich flacher und das Auftreten eines Digitus quintus varus war signifikant erhöht. Die Studienautoren fassen zusammen, dass High Heels den Vorfuß und die Zehen übermäßig belasten. Durch die so entstehende ungleiche Verteilung des Drucks kommt es auch zu Schwielen. Neben diesen Auswirkungen kann es außerdem zu anderen Fehlstellungen der Zehen wie etwa Digitus flexus oder der Mallet-Zehe kommen.
Auch Jakob sieht im übermäßigen Tragen von hohen Absätzen gesundheitliche Probleme: „Wenn man dauernd in dieser Stellung steht, kann es auch dazu kommen, dass sich die muskulären Strukturen verkürzen.“ Der Orthopäde ergänzt: „Je länger und je häufiger man solche Schuhe trägt, desto häufiger korreliert das mit Fehlstellungen. Es kann bei übermäßigem Tragen zu Muskelverkürzungen kommen, die so stark sind, dass der Muskel nur noch durch massive dauernde Physiotherapie wieder in eine normale Funktion oder Länge zurückzuführen ist.“
Neben Fuß- und Zehenfehlstellungen sowie den Auswirkungen auf die Haltung und den Gang, können sich Schuhe mit hohen Absätzen auch negativ auf die Gesundheit der Knie auswirken. Eine Metaanalyse verglich deswegen die unterschiedlichen Auswirkungen von Schuhen mit hohen Absätzen und flachen Schuhen bzw. Barfuß. Die Studie zeigt eine signifikante Erhöhung des Kniebeugemoments und des Beugewinkels während der Standphase – abhängig sowohl von der Höhe der Absätze, als auch vom Körpergewicht der Probanden.
„Angesichts des Zusammenhangs zwischen erhöhter Knieflexion/Varus und dem Risiko, eine Kniearthrose zu entwickeln, sind Frauen, die häufig und über einen langen Zeitraum hinweg Schuhe mit hohen Absätzen tragen, möglicherweise anfälliger für Kniearthrose“, so die Autoren.
Wie kann man also diesen negativen Effekten der hohen, aber dennoch beliebten Schuhe entgegenwirken? Manche wären jetzt wahrscheinlich gewillt zu sagen: „Einfach nicht anziehen!“ Aber offensichtlich ist das kein Lösung, denn High Heels sind wohl gekommen, um zu bleiben, zumindest für die nächste Zeit. Deswegen sollte man Patienten mit Liebe zu High Heels Studien zufolge zumindest eine niedrigere Absatzhöhe ans Herz legen. Die ideale Absatzhöhe beträgt demnach 3,76–4,47 cm. Außerdem sollten die Absätze dicker sein, um das Gleichgewicht zu stärken und die Gefahr für Knöchelverletzungen zu minimieren. Eine Vollkontakteinlage kann dabei helfen, den plantaren Druck zu reduzieren und die Schuhe insgesamt bequemer zu machen. All diese Ergebnisse beruhen allerdings nicht auf Langzeitdaten. Außerdem ist beim Verwenden von Schuheinlagen immer Vorsicht geboten (DocCheck berichtete).
Neben den Auswirkungen der getragenen Schuhe ist aber auch der Träger relevant. Denn das Alter, die Körpergröße und das Körpergewicht können wichtige Faktoren beim Tragen von hohen Schuhen sein. Ebenfalls wichtig: die Tragedauer. „Man kann sich jedenfalls schwer reversible oder bleibende Schäden zuziehen“, erklärt Jakob. „Ich behaupte aber auch, wenn man mal am Wochenende für ein paar Stunden hohe Schuhe trägt, sollte ein ansonsten gesunder Fuß nicht darunter leiden. Das ist ein großer Unterschied zu beruflichem oder gewohnheitsmäßigem Tragen.“ Für ansonsten fußgesunde Gelegenheitsträger gilt also, wie in so vielen anderen Fällen auch: Die Dosis macht das Gift.
Bildquelle: Amanda Vick, unsplash