Kleptomanen Verbrecher zu nennen, wäre unfair. Denn nicht nur die Motive, die dem Diebstahl zugrunde liegen, sind unterschiedlich – auch die Gehirnaktivität zeigt kontrastreiche Bilder.
Ein Forscherteam der Universität Kyoto hat herausgefunden, dass Patienten mit Kleptomanie unterschiedliche Blickmuster und Hirnaktivitäten aufweisen, wenn ihnen Bilder mit für ihre Symptome relevanten Umgebungshinweisen gezeigt werden. Solche Merkmale wurden bei gesunden Probanden nicht beobachtet – auch nicht bei denen, die vielleicht gelegentlich aus der Keksdose geklaut haben. „Studien wie unsere könnten helfen, impulsiv begangene Verbrechen wie Ladendiebstahl zu verhindern und zu einer besseren Gesellschaft beizutragen“, sagt Hauptautor Yukiori Goto.
Obwohl Kleptomanie die Kriterien einer Sucht erfüllt und von der Amerikanischen Gesellschaft für Psychiatrie als Störung der Impulskontrolle und des Verhaltens eingestuft wird, wurden bisher nur wenige Studien zu diesem Zustand veröffentlicht. Kleptomanie ist gekennzeichnet durch pathologisches, zwanghaftes und wiederholtes Stehlen um der Tat selbst willen und ist somit nicht durch einen materiellen Gewinn motiviert. Therapeutische Behandlungen sind wichtig, um wiederholte Verurteilungen zu verhindern. Herkömmliche strafrechtliche Sanktionen haben sich hingegen als unwirksam erwiesen, um dieses maladaptive Verhalten einzudämmen.
„Obwohl die Stichprobengröße klein und noch vorläufig war, berichtet unsere Studie zum ersten Mal, dass auch bei der Kleptomanie Mechanismen im Spiel sein könnten, die denen der Drogensucht ähnlich, wenn nicht sogar identisch sind“, so Goto. Diese Mechanismen werden auch bei anderen Verhaltenssüchten wie Glücksspielsucht und Internetsucht beobachtet, die klinisch als Substanzkonsumstörungen bezeichnet werden.
In seiner Studie untersuchte Goto 11 Patienten mit Verhaltenssucht und 27 gesunde erwachsene Probanden. Jedem von ihnen wurden Stand- und Videobilder gezeigt, von denen einige symptomrelevante Umwelteinflüsse – wie Geschäfte und deren Waren – enthielten, während andere irrelevante, wie z. B. Naturlandschaften, darstellten. Mithilfe der Eye-Tracking-Technologie wurden die Blickmuster aller Probanden überwacht, während sie das Testmaterial betrachteten. Ihre Gehirnaktivität wurde gleichzeitig mit funktioneller Nahinfrarotspektroskopie gemessen, einer nicht-invasiven Methode, die Hämoglobinveränderungen im präfrontalen Cortex aufspürt.
Die fNIRS-Aufzeichnungen des Teams zeigten, dass die Aktivität im rechten präfrontalen Kortex der Kleptomanie-Patienten während der Aufgabenausführung beeinträchtigt war. Diese Ergebnisse korrelierten mit denen anderer Verhaltenssüchtiger, die nicht in der Lage sind, die Wahrscheinlichkeit eines Risikos abzuschätzen und sich in einer Falle des Belohnungssystems wiederfinden. „Unsere Studie könnte zur Entwicklung von Therapien führen, die auf maladaptives Lernen abzielen, nicht nur bei Drogensucht, sondern auch bei Impulskontrollstörungen wie Kleptomanie“, meint Goto.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Kyoto University. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Joshua Fernandez, unsplash