Beim Spaziergang in der Sonne einmal die falsche Pflanze gestreift und schon ist es passiert: Die Haut rebelliert. Was neben Johanniskraut und Riesenbärenklau noch phototoxische Hautreaktionen auslösen kann, lest ihr hier.
Der Riesenbärenklau ist eine für uns Menschen fiese Pflanze. Das bis zu drei Meter hohe Gewächs ist eigentlich im Kaukasus beheimatet, jedoch auch bei uns in Europa anzutreffen. Als sogenannter „invasiver Neophyt“ ist er eine Pflanzenart, welche eingeschleppt wurde, sich bei uns stark verbreitet und somit einheimische Arten verdrängt. Das ist ökologisch zumindest bedenklich. Für mich (und damit in genau diesem Moment auch für Sie) ist es jedoch sehr viel interessanter, dass diese Pflanze giftig ist.
In der gesamten Pflanze befinden sich sogenannte Furocumarine. Beim Herausreißen der Pflanze, beim Abbrechen von Pflanzenteilen, aber auch schon beim simplen Berühren gelangen die Furocumarine auf die Haut – es reicht also schon ein einfaches Streifen der Pflanze bei einem Spaziergang. Vor allem Kinder kommen mit dem Gift in Kontakt, da sie sich von der imposanten und oftmals als schön empfundenen Pflanze magisch angezogen fühlen.
Für die Toxikologie sind Furocumarine besonders spannend, da sie phototoxisch wirken. Phototoxizität im Allgemeinen ist die Fähigkeit einer Substanz, unter Einwirkung von Licht eine toxische Wirkung zu verursachen. Dies ist in der Regel auf bestimmte Teile des elektromagnetischen Spektrums beschränkt und betrifft hauptsächlich den UVA-Bereich (Wellenlänge 315–400 nm). Ausnahmen bestätigen jedoch auch hier die Regel.
Für die Furocumarine bedeutet das im Detail, dass Sonnenlicht den Stoff (genauer gesagt die Elektronen im Furocumarin) in einen angeregten und dadurch instabilen Zustand übergehen lässt. In diesem angeregten Zustand können verschiedene Verbindungen mit der Umgebung eingegangen werden. Unter anderem kommt es so zur Generierung von Sauerstoffradikalen, die die Strukturen unseres Körpers schädigen können.
Neben der Produktion von freien Radikalen können die angeregten Elektronen auch eine direkte Reaktion mit Molekülen unseres Körpers eingehen. Dies führt zur direkten Schädigung, was – sehr grob und pauschalisierend gesprochen – im Endeffekt aber auch nicht sehr viel anders ist als die indirekte Schädigung über den Umweg der freien Radikale.
Was bedeutet das jetzt genau? Beim Hautkontakt zum Riesenbärenklau kommt es zur Giftablagerung auf der Hautoberfläche. Sofern dann noch Sonnenlicht hinzukommt, können teils schwere Hautreaktionen entstehen. Reizungen, Schwellungen und große schmerzhafte Blasen, ähnlich wie bei Verbrennungen 3. Grades, können Symptome sein. Neben der Menge des Giftes auf der Haut ist auch die Intensität des UV-Lichtes für die Schwere der Hautreaktionen verantwortlich. Eine vollständige Heilung ist oft erst nach Wochen erreicht; sichtbare Narben zeichnen die Haut nicht selten ein Leben lang.
Hautreaktion nach Kontakt mit Riesen-Bärenklau. Credit: WIKIMEDIA COMMONS
Ein Entfernen der Pflanze aus der Öffentlichkeit und auch aus dem eigenen Garten scheint deswegen als logische Konsequenz, sollte jedoch nur in angemessener Schutzkleidung erfolgen. Ein Arbeiten in der Nacht ist nur teilweise von Nutzen: Zum einen verbleiben die Furocumarine sehr hartnäckig auf der Haut. Zum anderen ergeben sich bei der Arbeit im Dunkeln oftmals mehr Hautkontakte als bei voller Sicht unter Tageslicht.
Bei einer phototoxischen Wirkung handelt sich nicht um eine Allergie oder gar eine Autoimmunerkrankung. Allein das Gift unter Anregung durch Sonnenlicht bedingt die toxische Reaktion. Die schmerzhaften Auswirkungen können somit jede Person treffen. Eine vorangehende Sensibilisierung ist nicht notwendig. Für die toxische Reaktion ist alleine die Menge des giftigen Stoffes sowie die Intensität des UV-Lichtes verantwortlich.
Der Riesenbärenklau ist mit seinem Gift nur eines von vielen Beispielen für Phototoxizität, auch wenn es mit Sicherheit das Prominenteste in puncto mediale Aufmerksamkeit ist. Immer wieder berichten Lokalzeitungen hierzulande von Vergiftungen unbedarfter Bürger nach Kontakt zu der beeindruckenden Pflanze.
Auch Johanniskraut kann beispielsweise phototoxisch wirken. Vor allem bei Tieren, die viel Johanniskraut fressen, werden die entsprechenden Reaktionen auf der Haut sichtbar. Daher stehen auch die entsprechenden Arzneimittel immer wieder in der Diskussion.
Insbesondere in den Sommermonaten wird deshalb vor der übermäßigen Einnahme von Johanniskraut als Antidepressivum gewarnt. Diese Warnung erscheint jedoch etwas überzogen, wie Wissenschaftler in einer Studie mit den Johanniskraut-Extrakten STW3 und STW3-VI nachgewiesen haben. Demnach sind die Dosierungen der gängigen Johanniskraut-Präparate schlicht zu niedrig dosiert, als dass nennenswerte phototoxische Reaktionen zu erwarten wären – auch in den Sommermonaten.
Ausnahmen bestätigen jedoch die Regel: Beispielsweise sollten bei der Einnahme von reinem Hypericin (einem Wirkstoff im Johanniskraut) in hohen Dosen zur antiviralen Behandlung bei HIV-Patienten Maßnahmen bezüglich der Phototoxizität ergriffen werden. Auch bei extrem hohen Strahlendosen von künstlichen Strahlern (beispielsweise bei der Behandlung bestimmter Hauterkrankungen) können bei niedriger Hypericin-Dosis phototoxische Reaktionen auftreten. Bei normalem Sonnenlicht ist dies jedoch nur schwer möglich.
Aber auch andere Arzneimittel wie verschiedene Antibiotika können phototoxisch wirken. Diesbezüglich sollte medizinisches Fachpersonal die Patienten immer aufklären. Oftmals passiert das aber nicht – zumindest lässt das die Tatsache vermuten, dass die arzneimittelbedingte Phototoxizität aufgrund der ungenügenden Erkennung in öffentlichen Datenbanken erheblich unterrepräsentiert ist. Betroffene Patienten (und häufig auch das medizinische Personal) schreiben die Symptome schlichtweg einem starken Sonnenbrand aufgrund übermäßiger Sonnenexposition zu.
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