Die Pläne zur Umgestaltung der Krankenhausstruktur sind weit gediehen. Ein Fingerzeig kommt nun von der DKG. Sie schlägt ein Konzept vor, das näher an der Lebenswirklichkeit der Häuser orientiert ist.
Es schien, der finale Plan zur Umgestaltung der Krankenhauslandschaft stehe auf festen Füßen. Es schien, als stehe der finale Plan zur Umgestaltung der Krankenhauslandschaft auf festen Füßen. Drei Monate nach der Verkündung des Gesundheitsministers, dass Ärzte künftig in einem von drei verschiedenen „Level-Krankenhäusern“ arbeiten sollen, haben die Fachleute der DKG mit einer detaillierten Auswirkungsanalyse die Mängel des Berliner Plans aufgezeigt und ein eigenes Gegenkonzept vorgestellt.
Das gute alte „Was-wäre-wenn-Spiel“ ist dabei keineswegs nur eine Statistik für Zahlenliebhaber. Sondern vielmehr der notwendige Blick von den Praktikern auf die Vorhaben in Berlin. Das von der DKG in Auftrag gegebene und vom Forschungsinstitut Institute for Health Care Business (hcb) in Kooperation mit Vebeto erstellte Papier lässt dabei keine Zweifel: So wie Minister Lauterbach sich das alles vorstellt, wird es nicht funktionieren – führen die Zahlen selbst einige Vorhaben ad absurdum.
Wissenschaftler kommen zu dem Ergebnis, „dass von den heute rund 1.700 Standorten ca. 630 entweder dem neuen Level 1i zugehörig wären oder keine Zuordnung zu einem Level bekämen. […] Etwa 830 Kliniken wären Level 1n. Würde man dies noch mit der 30-Minuten-Regel kombinieren, würden von diesen ca. 560 weitere Kliniken zu 1i-Einrichtungen. In den beiden oberen Leveln wären es nach dieser Ausführung noch insgesamt rund 230 Krankenhäuser.“
Konsequenzen in einem solchen System würden derweil nicht nur Ärzte und Krankenhäuser spüren. Auch für Patienten wäre die massive Reduzierung des Angebots mit Mehraufwand verbunden. So müssten 52 % aller werdenden Eltern eine neue Klinik zur Entbindung suchen. Ebenso stünden für Patienten der interventionellen Kardiologie (56 %), der Urologie (47 %) und der Neurologie (39 %) längere Fahrten an.
„Die Auswirkungsanalyse von hcb und Vebeto hat gezeigt, dass der Vorschlag der Regierungskommission in seiner bisherigen Fassung zu einem sehr tiefen Eingriff in die Krankenhauslandschaft führen würde. Sehr viele Kliniken würden ihren bisherigen Auftrag zur Patientenversorgung ganz verlieren oder müssten sehr weitgehend umgestaltet werden. Derart massive Veränderungen würden zu erheblichen Verwerfungen führen und sind sicher nicht erforderlich, um die Krankenhausversorgung zukunftsfest zu machen“, sagt der DKG-Vorstandsvorsitzende Dr. Gerald Gaß.
Trotz der fundamentalen Kritik und dem mahnenden Appell zur Vorsicht vor übereilten Schlüssen, ist allen Beteiligten klar, dass die Struktur insgesamt überholt gehört. So schließt an die Auswirkungsanalyse nahtlos ein Gegenvorschlag – oder eher eine generalüberholte Variante des Entwurfs der Regierungskommission – an.
Ganze 13 Punkte umfasst das DGK-Paket. Ein wichtiger Aspekt: Die Leistungsgruppen werden zum bundesweiten Instrument der Krankenhausplanung – zum einen wenn es um den (von den Ländern ermittelten) Bedarf geht und zum anderen bei der Berechnung für die Vorhaltefinanzierung. Die Leistungsgruppen selbst orientieren sich derweil an dem in NRW vorgegebenen Modell und sollen fest mit bundesweit verankerten Mindeststrukturvorgaben gekoppelt werden.
Darüber hinaus reihen sich die Häuser – ähnlich wie auch in Lauterbachs Plan – in die Gruppen Maximalversorger, Schwerpunktversorger, Grundversorger. Aber es gibt eine entscheidende Änderung. Es soll weiterhin davon ausgenommene Fachkliniken der Notfallstufe geben sowie „Medizinisch-Pflegerische Versorgungszentren“ (als Ersatz zu den Level-li-Krankenhäusern) als Ergänzung zu den ambulanten Ärzten. Zudem soll eine klare und strikte Trennung zu den Leistungsgruppen gezogen werden, da nur so die Qualitätssicherung gewährleistet und eine vertretbare Erreichbarkeit für Patienten beibehalten werden kann.
Möglichmacher Nummer 1 ist auch im Vorhaben der DKG das liebe Geld, ohne das gar nichts geht. So soll zu Reform- bzw. Umsetzungsbeginn ein Systemzuschlag von Bund, Ländern und GKV die ersten Schritte des Strukturwandels absichern. Infolgedessen soll mit Mitteln des Bundes ein finanzstarker Strukturfonds aufgesetzt werden, der über die gesamte Umbauphase hin genutzt werden kann.
Die künftige Grundlage bildet jedoch die Vorhaltefinanzierung, die sich die Krankenhausvertreter wie folgt vorstellen: „Die Vorhaltefinanzierung erfolgt in zwei Elementen: Zum einen als fixer Notfallversorgungszuschlag in Anknüpfung an die jeweilige Krankenhausnotfallstufe und zum zweiten als Vorhaltefinanzierung mit einer relativen Fallzahlunabhängigkeit, die an die Leistungsgruppen andocken (Fallzahlkorridore) soll.“
Derweil machen auch die konfessionellen Träger in Deutschlands Krankenhauslandschaft mobil und melden starke Bedenken bei Lauterbachs Plänen an. Grundproblem für die christlichen Kliniken ist dabei in erster Linie die Ausrichtung der eigenen Häuser bzw. deren zukünftig auferzwungenes neues Level – allein in NRW würden damit fast 90 % der Kliniken im untersten Level landen und nur noch Basisversorgung durchführen.
„Diese Kliniken dürften dann zukünftig nur noch eine Basisbehandlung und vielleicht eine Notfallversorgung erbringen – aber keine Geburten, keine Schlaganfallversorgung, keine Versorgung von Herzinfarktpatienten und keine Unfallchirurgie. […] Wenn bundesweit mehr als 600 Klinikstandorte schließen, reduziert die Reform die Trägervielfalt, verknappt die Ausbildungsmöglichkeiten, lenkt Patientenströme massiv um und zwingt Pflegepersonal, längere Strecken zu pendeln“, resümiert Christian Heine-Göttelmann, Vorstand des Diakonischen Werkes Rheinland-Westfalen-Lippe. Dazu kommt: In Sachen Ausbildung würden die Häuser die Plätze zurückfahren müssen – angesichts der Doppelbelastung aus fehlenden Arbeitskräften und mangelnden Angeboten, würde insbesondere im ländlichen Raum viel Perspektive für den Gesundheitssektor genommen statt gewonnen.
Konstatieren wir: Die Front gegen die durchaus gut begonnenen Pläne aus dem BMG wird breiter. Und auch, wenn es sich im Dezember um eine Konsensentscheidung der Länder hielt (wir berichteten), werden die beiden Vorreiter-Länder NRW und Bayern nicht müde, die Länderhoheit in Sachen Reglements und Gestaltung hervorzuheben. Dass die Wortwahl dabei teilweise durchaus sehr markant ist, mag jedoch mehr der Form und dem politischen Grunddissens geschuldet sein – habe man doch zunächst am selben Tisch gesessen, um die Reform zu entwickeln, die nun „zerstörerisch“ eine „Schneise der Verwüstung“ nach sich ziehen würde und einen „Kahlschlag“ der Krankenhauslandschaft (in Bayern) bedeuten würde.
Währenddessen hört man aus Düsseldorf zwar weniger markige Statements – die Schlagrichtung ist aber die gleiche. Untermauert wird der Tenor hier mit einer statistischen Ausarbeitung der KGNW. „Von 358 Krankenhausstandorten in NRW erreichen der Analyse zufolge nur 14 das Level 2 und weitere 22 das Level 3. Neben diesen 36 Kliniken erfüllen zwar 233 Krankenhäuser die Voraussetzung für das neue Level 1n, doch lässt die Vorgabe der Regierungskommission nur 47 Krankenhäuser tatsächlich direkt zu. Alle anderen Häuser liegen zu nah an einem Krankenhaus der höheren Stufe und können deshalb nur als Level 1i mit weitermachen. Dies gilt auch für 63 Krankenhäuser, die direkt in diese Kategorie fallen sollen“, errechnen die Krankenhausvertreter der KGNW.
Was die Länderchefs zudem auf dem Kieker haben: Das Recht zur Vorgabe und Kombination von entsprechenden Leistungsgruppen. Wie in NRW bereits üblich soll in Düsseldorf entschieden werden können, ob am Niederrhein Bedarf an einem weiteren Herzzentrum besteht, oder ob man der Klinik für Neurologie noch eine weitere Schwerpunkt-Leistungsgruppe hinzufügt, weil es das Patientenaufkommen rechtfertigt.
Was die Politiker unterdessen sicher auf die Seite der DKG gebracht haben dürfte, erklärt deren Vorsitzender: „Die Deutsche Krankenhausgesellschaft respektiert mit ihrem Vorschlag die verfassungsrechtliche Zuständigkeit der Bundesländer für das wichtige Feld der Krankenhausplanung und die Gestaltung der regionalen Versorgungsstrukturen. Wir treffen mit unserem Konzept im Gegensatz zur Regierungskommission keine ultimative Festlegung, welche Krankenhausstandorte fusioniert, in Medizinisch-Pflegerische Zentren umgewandelt oder ganz vom Markt genommen werden müssen. Wir eröffnen mit unserem Konzept Perspektiven für eine auf den regionalen Versorgungsbedarf abgestimmte Krankenhausentwicklung in allen Bundesländern und allen Regionen Deutschlands“, so Gaß.
Was nun ansteht, dürfte klar sein: Beratungen, Abstimmungen, Konsultationen – sofern das Bundesgesundheitsministerium die Eingaben der Fachleute einbindet. Immerhin: Mit Prof. Boris Augurzky, Geschäftsführer von hcb, war ein Mitglied der Regierungskommission an eben jener Auswirkungsanalyse maßgeblich beteiligt.
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