Neutrophile Granulozyten wandern unmittelbar nach einem Schlaganfall ins Nervengewebe und überwinden dabei eine üblicherweise starre Barriere zwischen Blutgefäßen und Nervengewebe. Es ist nun gelungen, dies mithilfe eines intravitalen 2-Photonen-Mikroskops live zu verfolgen.
Prof. Klaus Reymann vom LIN (Leibniz-Instituts für Neubiologie in Magdeburg) betont: „Nur wenn wir diesen Vorgang sicher kennen, können wir versuchen, ihn zu verhindern. Ein wichtiger Schritt ist uns jetzt mit der Antikörperbehandlung schon gelungen.“ Gemeinsam haben die Wissenschaftler bei Mäusen festgestellt, dass Antikörper gegen bestimmte Strukturen auf der Zelloberfläche von neutrophilen Granulozyten das Anheften dieser Immunzellen an die Wände von Blutgefäßen und das anschließende Eindringen ins Hirngewebe verhindern können. Es handelt sich bei der mit Antikörpern blockierten Struktur um das Glykoprotein VLA-4, dessen Hemmung letztlich Schlaganfallsymptome wie Sprachstörungen oder die Lähmung bestimmter Körperregionen vermindern kann. Diese Antikörperstrategie wird bereits seit Jahren erfolgreich zur Behandlung von Multipler Sklerose eingesetzt. Auch erste klinische Schlaganfallstudien werden derzeit durchgeführt. Bisher war jedoch die wissenschaftliche Basis, welcher Mechanismus für die Reduktion von Symptomen bei Schlaganfällen verantwortlich ist, nicht vollständig verstanden. Diese Lücke konnten die Forscher aus Magdeburg und Essen nun schließen. „Dies ist das erste Mal, dass die unmittelbare Frühphase eines Schlaganfalls direkt beobachtet werden konnte. Die Effekte, die das Ereignis auf die Immunzellen hat, sind dramatisch. Dadurch dass wir jetzt aber auch den molekularen Mechanismus der Einwanderung ins Gehirn verstehen, ergeben sich neue Wege für Therapien“, erläutert Prof. Dr. Matthias Gunzer, Direktor des Instituts für Experimentelle Immunologie und Bildgebung der Medizinischen Fakultät in Essen. Originalpublikation: Very-late-antigen-4 (VLA-4)-mediated brain invasion by neutrophils leads to interactions with microglia, increased ischemic injury and impaired behavior in experimental stroke Matthias Gunzer et al.; Acta Neuropathologica, doi: 10.1007/s00401-014-1355-2; 2014