Etwa 50 Prozent aller Krebspatienten haben Schmerzen, in fortgeschrittenen Stadien sind es bis zu 90 Prozent. Onkologen kritisieren, dass sich die Firmen zu stark auf Opioide konzentrieren. Dabei gibt es alternative schmerztherapeutische Ansätze im Falle eines Therapieversagens.
Um die Lebensqualität von Patienten mit Tumorschmerzen zu verbessern, ist neben psychoonkologischen Konzepten vor allem eine maßgeschneiderte Analgesie gefragt. Das Thema betrifft sowohl kurative als auch palliative Therapien. Sprechen Patienten mit Tumorschmerz nicht ausreichend auf Morphin, Hydromorphon oder Oxycodon an, verschreiben Ärzte andere Opioide. Bislang gab es zum Wechsel der Medikation keine ausreichend validen Daten.
Jetzt hat Julia Riley, Palliativmedizinerin aus London, Resultate aus der Praxis veröffentlicht. Im Rahmen einer offenen, randomisierten Studie untersuchte sie bei 200 Personen den Opioidwechsel. Als Nonresponder galten Patienten, bei denen sich Tumorschmerzen trotz Dosissteigerung im üblichen Bereich nicht ausreichend kontrollieren ließen. Insgesamt erhielten 85 Personen Morphin zur Primärtherapie. Hier lag die Ansprechrate bei 62 Prozent. Für Oxycodon gab Riley 67 Prozent an, der Unterschied zu Morphin war statistisch aber nicht signifikant. Zur Second-Line-Therapie kam in der Morphin-Gruppe Oxycodon zum Einsatz, was bei 52 Prozent zu guten Resultaten führte. Teilnehmer der Oxycodon-Gruppe erhielten an zweiter Stelle Morphin. Dieser Wirkstoff führte in 67 Prozent der Fälle zur Beschwerdefreiheit. Rileys Resümee: Ob Ärzte primär Morphin oder Oxycodon verordneten, sei irrelevant. Schmerzpatienten reagierten extrem unterschiedlich auf die First-Line-Therapie. Ein Wechsel führte zu teils starker Benommenheit bis hin zu Halluzinationen. Gastrointestinale Beschwerden kamen mit hinzu.
Neben Opioiden kommen auch Cannabinoide für die Schmerztherapie infrage. In Deutschland gibt es derzeit nur Sativex® als Fertigarzneimittel. Apotheker kritisierten mehrfach den hohen Gehalt an Hanfextrakt und die ethanolische Galenik: zwei Punkte, warum sich Sativex® nicht bei pädiatrischen Schmerzpatienten eignet. Dronabinol ist seit 1998 in Deutschland als verkehrs- und verschreibungspflichtige Rezeptursubstanz in Anlage III des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) aufgeführt. Zugelassene Fertigarzneimittel gibt es bislang nicht. Mittlerweile haben Kölner Richter Voraussetzungen geschaffen, um den Anbau von Medizinalhanf zu entkriminalisieren (Az.: 7 K 5203/10; 7 K 4020/12; 7 K 5217/12; 7 K 4447/11; 7 K4450/11). Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) legte jedoch Berufung ein. Fragen zur pharmakologischen Qualität heimischer Produkte bleiben ebenfalls ungeklärt. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Industrie mehr und mehr auf Opioide konzentriert. Palliativmediziner fordern deshalb, Cannabinoide mit staatlicher Förderung zu erforschen – nicht ohne Hintergedanken. Marcus A. Bachhuber, Philadelphia, fand heraus, dass Cannabis die Zahl opioidassoziierter Todesfälle verringert. In den USA haben sich von 1999 bis 2010 genau 13 US-Staaten entschlossen, Hanfpräparate als Schmerzmittel zuzulassen. Nachdem Bachhuber sonstige Effekte mathematisch korrigiert hatte, fand er eine durchschnittlich 24,8 Prozent niedrigere Sterberate durch Opioide in Staaten mit Cannabis-Freigabe. Barbara Koppel, New York, bestätigte die analgetische Wirkung im Rahmen von Literaturanalysen.
Weisen Onkologen Knochenmetastasen nach, kommen spezielle Strategien zum Einsatz. Ärzte versuchen, mit Radiotherapien oder Bisphosphonaten zu intervenieren. Ansonsten kommt Denosumab zum Einsatz. Der Antikörper stabilisiert Knochen und verringert die Freisetzung von Schmerzmediatoren – mit Erfolg: Analgetika sind erst später und in niedrigerer Dosierung erforderlich. Jetzt berichten Forscher über fokussierten Ultraschall – ein Verfahren, mit dem bislang Myome verödet wurden. Nach ersten Erfolgen hat Mark D. Hurwitz, Philadelphia, jetzt Daten aus Phase-III-Studien publiziert. Er fand 147 Personen, bei denen Bestrahlungen nicht möglich waren oder nicht zum Erfolg geführt hatten. Sie wurden randomisiert entweder mit fokussiertem Ultraschall behandelt oder erhielten eine Scheinintervention. Als primären Endpunkt definierte Hurwitz, der höchste Schmerzwert auf einer Skala mit zehn Punkten müsse sich um mindestens zwei Zähler verringern. Gleichzeitig durfte der Bedarf an Morphinäquivalenten um nicht mehr als 25 Prozent ansteigen. Entsprechende Ziele erreichten 64 Prozent aller Krebspatienten unter fokussiertem Ultraschall, aber nur 20 Prozent unter Scheininterventionen. Bei 23 Prozent (Placebo sechs Prozent) kam es sogar zur vollständigen Beschwerdefreiheit. Hurwitz vermutet, bei Eingriffen würden Teile der Knochenhaut und der Nerven zerstört. Außerdem verringere sich die Tumormasse. Weitere Untersuchungen sind geplant.
Trotz guter Resultate aus medizinischen und pharmazeutischen Labors werden immer noch viele Patienten von den schmerztherapeutischen Angeboten nicht erreicht, so der Tenor von Medizinern beim 117. Deutschen Ärztetag. Hier war die Versorgung schmerzkranker Menschen ein zentrales Thema. Schmerzmedizin ist zwar als Pflichtlehr- und Prüfungsfach in der ärztlichen Approbationsordnung verankert. Die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin hat weitergehende Vorstellungen und plädiert für einen speziellen Facharzt.