Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln entdecken Männer als neue, veritable Zielgruppe. Mit vollmundigen Versprechen wollen sie das vermeintlich starke Geschlecht ködern. Spoiler: Das meiste ist Quatsch.
„Denk man active“, „Rote Kraft für aktive Männer“ oder „AdamProtect“ – solche Nahrungsergänzungsmittel für ihn klingen vielversprechend. Ganz klar, mehr Manneskraft weckt Begehrlichkeiten. Tatsächlich sind Männer ins Fadenkreuz der pharmazeutischen Industrie gerückt. Hersteller setzen oft auf Selen, um vermeintlich die Spermienproduktion anzukurbeln oder auf Zink, um vielleicht den Testosteronspiegel zu erhöhen. Hinzu kommen andere Mineralien, diverse Vitamine und Pflanzenextrakte. Mit einem Gesamtumsatz von rund 2,69 Milliarden Euro, Stand 2021, ist der Markt für alle Supplemente immens.
Hersteller arbeiten beim Marketing mit einem genialen Trick. Die europäische Health-Claims-Verordnung gilt zwar als stark einschnürendes Korsett. Sie ermöglicht es Firmen aber, bei bestimmten Zusätzen offiziell mit werblichen, gesundheitsbezogenen Aussagen zu arbeiten. Claims wie „Zink trägt zum Erhalt eines normalen Testosteronspiegels im Blut bei“ oder „Selen trägt zu einer normalen Spermabildung bei“ sind legitime Botschaften, die ankommen.
Die Stiftung Warentest redet nach einer Bewertung jetzt Klartext. Alle 17 untersuchten Präparate seien nutzlos, bestenfalls überflüssig, schlimmstenfalls riskant. Auch von „gravierenden Mängeln“ ist die Rede; viele Mikronährstoffe seien überdosiert.
Klar ist: Ohne Mangel brauchen Männer auch keine Supplementation. „Bei einer abwechslungsreichen Ernährung erhält der Körper in der Regel alle Nährstoffe, die er braucht“, sagte Prof. Andreas Hensel schon vor Jahren – ohne auf große Resonanz zu stoßen. Hensel ist Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR).
Dazu ein Blick in die Nationale Verzehrstudie mit knapp 20.000 Teilnehmern: Zwar ernähren sich die Deutschen – wenig überraschend – recht ungesund. Sie konsumieren zu wenig Obst und Gemüse, dafür zu viel Fleisch, Wurst und Milchprodukte. Doch es bleibt die gute Nachricht, dass die meisten Erwachsenen dennoch ausreichende Mengen an Vitaminen und Mineralstoffen aufnehmen. Und nochmal: Wo nichts fehlt, sollte auch nichts supplementiert werden.
Wir beruhigen mit den bunten Pillen also eher unser schlechtes Gewissen. Denn eigentlich sollten wir uns gesünder ernähren – und wir wissen das auch. Nur ist es einfacher, gegen teures Geld Pillen zu kaufen. Und um bei den Spermien zu bleiben: Neben gesunder Ernährung profitieren sie von Bewegung und vom Verzicht auf Alkohol beziehungsweise Drogen.
Doch es gibt noch weitere Kritik. So nehmen Verbraucher immer noch an, dass sie Zweifelsfall von Nahrungsergänzungsmitteln profitieren würden, auch ohne Mangel. Doch weit gefehlt: 15 der 17 im Test bewerteten Präparate enthielten zu große Mengen an Vitamin E, Selen oder Zink – mit möglichen Folgen für die Gesundheit.
Referenzwerte veröffentlicht unter anderem die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE). So kann beispielsweise Selen in größeren Mengen zur Selenose mit gastrointestinalen und neurologischen Beschwerden führen. Und Zink wird mit Blutarmut in Verbindung gebracht. Bei den Vitaminen gelten fettlösliche Moleküle (Vitamin D oder E) als kritischer im Vergleich zu wasserlöslichen Verbindungen; letztere werden schneller ausgeschwemmt.
Bleibt als Fazit: Männer profitieren nicht von einer flächendeckenden Supplementation. In bestimmten Fällen tun dennoch Nahrungsergänzungsmittel gut. Wer vegan lebt, sollte beispielsweise das Vitamin B12 supplementieren – Vegetarier profitieren mitunter auch davon. Und wer sich so gut wie nicht im Freien aufhält, sollte über Vitamin-D-Supplemente nachdenken. Außerdem rät die DGE zu jodiertem und fluoridiertem Speisesalz.
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