Das Pärchen, auf das keiner gewartet hat, kommt zu uns. Ich spreche natürlich vom Kombi-Medikament aus Paracetamol und Ibuprofen. Warum ich so meine Zweifel habe, lest ihr hier.
Nun ist er da, der von so manchen Herstellern angekündigte neue Blockbuster unter den apothekenpflichtigen Schmerzmitteln: eine fixe Kombination aus Paracetamol und Ibuprofen. Die Wirksamkeit gegen Schmerzen soll der Monotherapie überlegen sein, die unerwünschten Begleiterscheinungen moderat. Daher hat der Sachverständigenausschuss bereits im Juli 2021 entschieden, hier auf die Verschreibungspflicht zu verzichten.
So wirklich als Durchbruch gefeiert wird die neue Kombi-Tablette allerdings (noch) nicht, denn verschreibungsfreie Kombinationen der beiden Wirkstoffe gibt es bislang schon einige:
Die Kombi-Medikamente stehen zudem im Verdacht, häufiger für medikamenteninduzierten Kopfschmerz verantwortlich zu sein als Monopräparate allein. Trotzdem hat der Bundesrat einer Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung zugestimmt und die Ibuprofen-/Paracetamol-Kombination aus der Verschreibungspflicht entlassen.
Ohne Rezept sind nun Zubereitungen zur oralen Einnahme mit Ibuprofen in einer maximalen Einzeldosis von 200 mg sowie Paracetamol in einer maximalen Einzeldosis von 500 mg rezeptfrei erhältlich, die maximale Tagesdosis beträgt 1.200 mg Ibuprofen und 3.000 mg Paracetamol. Insgesamt dürfen die Packungen bis zu 4 g Ibuprofen und 10 g Paracetamol enthalten, also maximal 20 Tabletten pro Packung bei jeweils maximaler Einzeldosis. Ein Hersteller hat hier auch eine 50-Stück-Packung in den Verkehr gebracht, diese ist allerdings verschreibungspflichtig. Das Indikationsgebiet für die Neukombination ist die kurzzeitige symptomatische Behandlung leichter bis mäßiger Schmerzen.
Ibuprofen hat als nichtsteroidales Antirheumatikum eine analgetische, antipyretische und entzündungshemmende Wirkung. Es hemmt die Synthese von Prostaglandinen durch eine reversible kompetitive Hemmung der Cyclooxygenase. Ibuprofen konkurriert dabei mit der Arachidonsäure um die Bindung am aktiven Zentrum des Enzyms. Die entzündungshemmende und analgetische Wirkung ist eine Folge der COX-2-Hemmung. Die Wirkungsweise von Paracetamol ist dagegen noch nicht vollständig bestimmt. Vermutet wird eine zentral vermittelte analgetische Wirkung. Die Wirkung dieser Kombination scheint also in erster Linie pharmakodynamisch zu sein.
Deutschland nimmt hier keine Vorreiterrolle ein. Erfahrungen mit Paracetamol-/Ibuprofen-Kombinationsarzneimitteln gibt es bereits – europaweit werden sie in Bulgarien, Kroatien, Estland, Ungarn, Irland, Lettland, Polen, Portugal, Rumänien, der Slowakei, Slowenien, Spanien und Großbritannien verwendet. In den meisten europäischen Ländern ist die Kombination allerdings nicht als OTC-Produkt zugelassen.
Die Nebenwirkungen, die durch Kombination der beiden Wirkstoffe zu erwarten sind, ergeben sich aus den Nebenwirkungsspektren der Einzelsubstanzen. Die Antragssteller wiesen den Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht bei Ibuprofen insbesondere auf folgende Probleme hin:
Bei Paracetamol sind vor allem folgende Nebenwirkungen zu erwarten:
Warum hat der Sachverständigenausschuss einer neuen Kombination zugestimmt? Die Experten begründen ihre Entscheidung damit, dass in klinischen Studien eine (geringfügig) schnellere Analgesie und vor allem eine effektivere Schmerzlinderung der Kombination im Vergleich zur Anwendung der Monosubstanzen (400 mg Ibuprofen, 500 bzw. 1.000 mg Paracetamol) gesehen wurde. Hierzu passen auch Studien aus den USA, wo, mitten in der Opioid-Krise nach anderen Schmerzstillern gesucht wird (hier und hier einzusehen). Dort zeigte sich, dass die Kombination der beiden Schmerzmittel offenbar synergistische beziehungsweise additive Effekte zeigte, welche der Gabe von Opioiden ebenbürtig waren.
Trotz allem war der OTC-Switch im Ausschuss nicht unumstritten. Im Protokoll gibt ein Mitglied zu bedenken, dass die akute Nierenfunktionseinschränkung eine wesentliche Nebenwirkung der Kombi sei. Zudem könne eine erosive Gastritis auftreten – und es gäbe Arbeiten, die für die Wirkstoffkombi eine überadditive gastrointestinale Nebenwirkungsrate gezeigt hätten. Ein weiteres Ausschussmitglied sah insbesondere die Gefährdung von Älteren und Patienten mit vielen Komorbiditäten und befürchtete hospitalisierungspflichtige Nebenwirkungen.
Wir dürfen gespannt sein, wie die neue Kombination bei den Kunden ankommt. Dass viel Werbung dafür gemacht werden wird, ist zu vermuten, denn aktuell erhältliche RX-Präparate sind nicht gerade als Ärztelieblinge bekannt – und fristen eher ein Schattendasein. Umso mehr werden die Herstellerfirmen also um Kundschaft werben müssen, um ihr Produkt bekannt zu machen. Ratiopharm hat nun die erste OTC-Variante mit dem Markennamen Synofen® herausgebracht und an die Apotheken verschickt – vermutlich ein Wortspiel aus Symbiose, Acetaminophen und Ibuprofen (kleiner Exkurs: In Präparat mit dem Namen Synophen® ist aus den USA bekannt, es enthält allerdings Chloramphenicol).
Geworben wird bei Synofen® mit einem Dreifach-Effekt aus Schnelligkeit, Stärke und Verträglichkeit. Versprochen wird eine spürbare Schmerzlinderung etwa 18 Minuten nach der Einnahme, was im Vergleich zu Ibuprofen oder Ibu-Lysin aber etwa gleich schnell ist. Die Stärke der Wirkung dagegen wird mit der analgetischen Wirkung von Metamizol oder COX-2-Hemmern verglichen, was in der Beratung zur kurzfristigen Selbstmedikation bei Schmerzen eine echte Neuerung zu sein scheint. Die neue Kombination darf nur bei Personen ab 18 Jahren angewendet werden und ist für Kinder nicht geeignet.
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