Jedes zweite Mädchen, aber nur jeder vierte Junge unter 14 Jahren ist vollständig gegen Humane Papillomviren geimpft. Warum das ein Problem ist, lest ihr hier.
Die gute Nachricht zuerst: Die Impfquoten gegen HPV steigen. Bei beiden Geschlechtern und in ganz Deutschland – wenn auch auf unterschiedlichem Niveau. Sowohl die Zahlen der vollständigen Impfung (50 % der Mädchen und 25 % der Jungen) als auch die der Erstimpfungen (63,3 % und 37,2 %) sind im Vergleich zur vorigen Alterskohorte stark angestiegen. Das zeigen die aktuellen Zahlen des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi).
Doch dem Ruf der Spritze folgen in Deutschland nicht alle gleich treu und schnell. So ist die Bereitschaft zur Vorsorge in Ostdeutschland wesentlich höher als beispielsweise im Südwesten.
Musterschüler in Sachen Impfquote ist derzeit Sachsen-Anhalt mit einem Schnitt von 70,7 % bei 14-jährigen Mädchen. Das Schlusslicht bildet Baden-Württemberg mit 38,8 %. Auch wenn man die Zahlen aufbricht und auf Größe der Kreise und Städte den Vergleich anstrebt, ändert sich das Bild nicht: In den Kreisen Jerichower Land, Börde und Frankfurt an der Oder sind mit 75,6 % bis 77,8 % die höchsten und in den Kreisen Schwäbisch Hall, Bad Tölz-Wolfratshausen und Offenbach mit 26,5 bis 27,4 Prozent die niedrigsten vollständigen Impfquoten dieser Personengruppe zu beobachten.
Bundesweite HPV-Impfqupte bei 9- bis 14-Jährigen. Aufgeteilt nach Impfstatus und Geschlecht. Credit: Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI)
Auch mit Blick auf das gesamtdeutsche bzw. gesamtmedizinische Feld lässt sich dank einer aktuellen Studie der Universität Konstanz und Humboldt-Universität zu Berlin sagen: Impfen liegt voll im Trend. Die Forscher zeigen darin, dass die Impfquoten insgesamt gestiegen sind, und dass über die Geburtskohorten hinweg der Anteil impfskeptischer Eltern abgenommen hat – sei es für Impfungen zu Masern, Mumps und Röteln – von ca. 10% bei Kindern, die Ende der 1980er geboren wurden, auf 6% bei den um das Jahr 2000 Geborenen. Bitterer Beigeschmack: Diejenigen Eltern, die aber impfskeptischer sind und bleiben, werden radikaler – und lassen verstärkt gar nicht mehr impfen.
Zurück zu den Humane Papillomviren. Lange galt HPV als Gefahr für die Frauengesundheit und damit als Vorsorgeprogramm für Mädchen. Hintergrund sind die bis heute unterschiedlichen Zahlen der Spätfolge-Erkrankungen. Insgesamt sind laut Krebsregisterdaten in Deutschland jedes Jahr etwa 6.250 Frauen und ca. 1.600 Männer an Krebs erkrankt, der durch HPV-Infektionen bedingt ist. Außer am Gebärmutterhals, wo ein Karzinom nahezu 100 %ig auf eine HPV-Infektion zurückzuführen ist, kann der Krebs im Bereich der Vagina, der Vulva, des Penis, des Anus oder im Mund-Rachen-Bereich auftreten.
Doch auch Jungen und Männer erkranken. Die Übertragung findet dabei in erster Linie über die Schleimhäute statt, doch kann es auch zu Schmierinfektionen über gemeinsam genutzte Gläser kommen. Es braucht also nicht zwangsläufig Geschlechtsverkehr. Eine Eindämmung ohne den Schutz von Jungen und Männer als Überträger wäre folglich kaum zu gewährleisten.
Außerdem spüren auch Männer direkte gesundheitliche Konsequenzen. Etwa in Form der häufigsten Folge einer Infektion: Den Feigwarzen. Oder eben durch eine Tumorerkrankung. Zudem aktuell im Fokus der Wissenschaft: Der Zusammenhang von HPV und Prostatakrebs, besser gesagt die Suche nach Evidenz in Bezug auf HPV-bedingte Onkogenese. Erste Ergebnisse ergaben zunächst, dass HPV-Infektionen die Onkogenese der Prostata direkt oder indirekt über Elemente des Immunsystems initiieren könnten. Allerdings sei es auch möglich, dass die Viren bei der Onkogenese auch mit anderen Erregern interagieren.
Der Nutzen und Schutz der Impfung ist derweil unbestritten. „HPV-Impfstoffe schützen zu nahezu 100 Prozent vor einer Infektion mit den in den Impfstoffen enthaltenen HPV-Typen und können damit entscheidend zur Krebsprävention beitragen. Wenn die Impfung gegen diese Viren früh genug vorgenommen wird, baut der Organismus eine sehr wirkungsvolle, dauerhafte Immunabwehr auf“, sagt Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried.
Wann die Impfungen bestenfalls vorzunehmen sind, hat die STIKO formuliert: „Studien [haben] gezeigt, dass jüngere Mädchen höhere Antikörperspiegel nach der HPV-Impfung aufbauen als ältere Mädchen.“ In einer angeführten britischen Studie konnte die Annahme mit Zahlen verifiziert und quantifiziert werden: „Die Reduktion von Gebärmutterhalskrebs betrug bei vollständiger HPV-Impfung im Alter von 12 bis 13 Jahren 87 %, während sie bei Impfung im Alter von 16 bis 18 Jahren nur noch bei 34 % liegt.“
Letztlich ist es in erster Linie wichtig, dass die HPV-Impfung idealerweise vor Aufnahme erster sexueller Kontakte vorgenommen werde. Die STIKO empfiehlt zwei Impfungen im Alter von 9 bis 14 Jahren. Ist die Impfung nicht bis zum Alter von 14 Jahren erfolgt, sollte diese noch bis zum Alter von 17 Jahren nachgeholt und um eine dritte Impfung ergänzt werden.
Dass aufgrund der späten Impfempfehlung für Jungen noch einiges an Nachholarbeit zu leisten ist, ist offensichtlich. Doch die Ärzte sind auf einem guten Weg und zuversichtlich, diese Impflücke zu schließen. „Dies ist auch ein Verdienst der Kinder-und Jugendärztinnen und -ärzte, die gemeinsam mit den Gynäkologinnen und Gynäkologen durch verstärkte medizinische Aufklärung dazu beigetragen haben, dass sich die Impflücke insbesondere bei den Mädchen langsam zu schließen beginnt. So erreicht bei 2004 geborenen Mädchen die Quote der mindestens zweifach Geimpften im Alter von 17 Jahren bereits 64,4 Prozent. Aufholbedarf besteht bei männlichen Jugendlichen: Für die 2004 geborenen Jungen liegt die Quote der mindestens zweifach Geimpften im Alter von 17 Jahren bei 23,3 Prozent,“ fasst Stillfried zusammen.
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