Die Oszillationsfrequenz des neuronalen Netzwerks wird durch hemmende Neuronen forciert, obwohl die meisten Neuronen erregend sind. Diese legen jedoch nur die Amplitude fest. Das zeigte ein mathematisches Modell, welches die Aktivität von Neuronen bestimmen kann.
Die Ergebnisse vieler experimenteller Untersuchungen zeigen, dass bestimmte Klassen von Neuronen größeren Einfluss auf den Oszillationszustand des Netzwerkes nehmen als Andere. Hemmende Neuronen, welche etwa 20 Prozent der Nervenzellen in der Hirnrinde ausmachen, könnten eine Schlüsselrolle in der Entstehung von Gehirnwellen spielen. Wie die hemmenden Neuronen die Oszillation steuern ist allerdings nicht bekannt. Da Gehirnwellen ein Netzwerkphänomen sind, ist außerdem nicht klar, wie sich die Eigenschaften der einzelnen Zellen in der Netzwerkdynamik widerspiegeln, oder ob eventuell nur die synaptischen Verbindungen von Bedeutung sind.
Dr. Tatjana Tchumatchenko vom Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Frankfurt und Dr. Claudia Clopath vom Imperial College London entwickelten in ihrer gemeinsamen Arbeit ein mathematisches Modell, welches die Aktivität der erregenden und hemmenden Nervenzellen eines Netzwerks wie der menschlichen Hirnrinde bestimmen kann. „Es ist uns nicht nur gelungen, Ergebnisse aus bisherigen Experimenten zuverlässig analytisch sowie numerisch zu reproduzieren, das mathematische Modell enthüllte sogar die zwei notwendigen Bedingungen für die Entstehung von Gehirnwellen“, erklärt Tchumatchenko. „Erstens müssen die einzelnen hemmenden Neuronen eine unterschwellige Resonanz des Membranpotenzials bei der gewünschten Netzwerkoszillationsfrequenz aufweisen - das heißt sie müssten im Takt schwingen, ohne dass ihre elektrische Impulse diese Schwingung notwendigerweise offenbaren.“
Aber auch die Art der synaptischen Konnektivität ist essenziell, denn Oszillationen treten nur dann auf, wenn die hemmenden Neuronen durch elektrische Synapsen ausreichender Verbindungstärke vernetzt sind. In der Hirnrinde waren elektrische Synapsen bislang kaum bekannt, in den letzten Jahren haben Forscher diese jedoch in mehr und mehr Gehirnarealen gefunden. Es sind allerdings nur hemmende Neuronen elektrisch gekoppelt, zwischen erregenden Nervenzellen wurde diese Art der Signalübertragung bisher noch nicht beobachtet. Die hemmenden Neuronen und deren synaptische Verbindungen besitzen den Wissenschaftlern zufolge also eine zentrale Rolle: „Erstaunlicherweise zeigt unser Modell, dass allein die Eigenschaften der hemmenden Neuronen und deren Verbindungen die Oszillationsfrequenz des gesamten Netzwerks bestimmen. Und das, obwohl die Mehrheit der Nervenzellen erregend sind“, sagt Clopath. Sie fügt hinzu: „Natürlich haben die Eigenschaften der erregenden Neuronen Einfluss auf die Dynamik des Netzwerks, allerdings bestimmen diese bei den Gehirnwellen nur die Amplitude nicht aber die Frequenz der Schwingung“.
Die gewonnenen Erkenntnisse werden möglicherweise das Verständnis komplexer Systeme vertiefen und dabei helfen, den Zusammenhang zwischen einzelnen Netzwerkeinheiten und der entstehenden Netzwerkdynamik zu erklären. Des Weiteren könnten die Forschungsergebnisse dazu beitragen, zielgenauere Wirkstoffe zu entwickeln, welche die Erfolgschancen psychiatrischer Behandlungen verbessern. Originalpublikation: Oscillations emerging from noise-driven steady state in networks with electrical synapses and subthreshold resonance Tatjana Tchumatchenko et al.; Nature Communications, doi: 10.1038/ncomms6512; 2014