Sollte man Neugeborene sechs Monate stillen, oder doch lieber so früh wie möglich mit Beikost beginnen? Die WHO-Empfehlungen und eine aktuelle Studie aus Schweden sind sich da nicht einig.
Je früher Säuglinge anfangen, kleine Kostproben fester Nahrung zu probieren, desto früher essen sie mehr und können abgestillt werden. Das zeigt eine Studie der Universität Uppsala und der Sophiahemmet-Universität. „Die bisherige Forschung stützt nicht die Idee, dass die Einführung von früher Beikost gesundheitliche Vorteile für das Kind oder die Mutter hat“, sagt Eva-Lotta Funkquist, Senior Lecturer und Hebamme. „Andererseits wissen wir, dass das Stillen viele gesundheitliche Vorteile sowohl für das Kind als auch für die Mutter hat. Zum Beispiel ist das Kind während des Stillens vor Infektionen geschützt und sowohl Mutter als auch Kind haben ein geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.“
Seit 2011 rät die Schwedische Nationale Lebensmittelbehörde Eltern, Kleinkindern ab dem vierten Lebensmonat Beikost in kleinen Mengen zu geben. Die WHO hingegen empfiehlt, sechs Monate lang ausschließlich zu stillen und das Stillen mindestens zwei Jahre oder länger fortzusetzen. Diese Empfehlungen gelten für alle Länder der Welt, auch für Schweden.
Ein Grund dafür ist, dass das Stillen wissenschaftlich erwiesenermaßen große positive Auswirkungen auf die Gesundheit von Frauen und Kindern hat. Die Muttermilch enthält Stoffe, die das Kind für die Dauer des Stillens vor Infektionen wie Lungenentzündung und Harnwegsinfektionen schützen. Muttermilch verringert auch das Risiko, dass das Kind im späteren Leben an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Fettleibigkeit und Diabetes erkrankt. Frauen, die stillen, haben ein geringeres Risiko, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Eierstockkrebs, Brustkrebs und Typ-2-Diabetes zu erkranken.
An der Studie, die aktuell im International Breastfeeding Journal veröffentlicht wurde, nahmen 1.251 Säuglinge aus ganz Schweden und ihre Mütter teil. Als die Mütter mit Hilfe von Fragebögen Fragen zur Ernährung des Kindes im ersten Lebensjahr beantworteten, stellte sich heraus, dass etwa die Hälfte der Kinder in der Studie (48 %) bereits im vierten Monat Beikost erhielten. Je früher die Säuglinge mit kleinen Mengen Beikost begannen, desto früher nahmen sie größere Mengen fester Nahrung zu sich. Dies wiederum führte bei diesen Kindern zu einem früheren Ende und einer kürzeren Dauer des Stillens.
Frühere Studien haben gezeigt, dass fast alle Frauen angeben, ihr Kind stillen wollen. Widersprüchliche Ratschläge der WHO und der schwedischen Lebensmittelbehörde sowie Empfehlungen, die nicht durch Beweise gestützt werden, erschweren es Müttern, die stillen wollen, Unterstützung dafür zu finden. Nur 10 Prozent der Kinder in Schweden werden sechs Monate lang voll gestillt.
Die Vereinten Nationen (UN) weisen darauf hin, dass das Stillen im Falle eines Krieges oder einer Krise, z. B. bei einem Ausfall der Energieversorgung oder einem Mangel an Babynahrung, die sichere Ernährung des Kindes gewährleistet. Frühere Untersuchungen zeigen, dass in westlichen Ländern mehr Frauen- als Kinderleben gerettet werden könnten, wenn die Empfehlung des vollständigen Stillens für sechs Monate befolgt würde.
„Aus diesem Grund ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Behörden in Schweden Empfehlungen aussprechen, die das Stillen fördern und mit den WHO-Empfehlungen übereinstimmen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Mütter früher mit dem Stillen aufhören und sowohl die Mutter als auch das Kind einem größeren Risiko für negative gesundheitliche Folgen ausgesetzt sind“, sagt Funkquist.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des Schwedischen Forschungsrat. Die Originalpublikation findet ihr hier und im Text.
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