Der Patient ist in Vollnarkose, also bedenkenlos den nächsten Urlaub planen – oder gar über das Bäuchlein der Person auf dem OP-Tisch lästern? Besser nicht, legt eine Studie nah.
Ein Schild mit der Aufschrift „Lokalanästhesie“ hängt an der OP-Tür. Jeder weiß, was das bedeutet: Der Patient ist wach, also Vorsicht mit unbedachten Gesprächen! Während einer OP in Vollnarkose könnte dagegen auch Radio gehört oder über die neuesten Urlaubspläne gesprochen werden. Da ist Entspannung angesagt, der Patient schläft ja schließlich und kriegt nichts mit – oder?
Nun legt eine randomisierte, kontrollierte Studie an 385 Probanden nahe, dass auch unter Vollnarkose ein erheblicher Teil der Patienten trotz ausreichender Narkosetiefe akustische Reize und Suggestionen wahrnimmt. Dabei handelt es sich nicht etwa um das Phänomen der Intraoperative Awareness, das nur in einigen seltenen Fällen auftritt (0,2–2 %), sondern um Beobachtungen an vielen Patienten.
In der Studie wurde den Patienten bei einer Operationsdauer von ein bis drei Stunden während der Narkose wiederholt ein 20-minütiger Text, gefolgt von 10 Minuten Stille und zur Ausleitung ein 10-minütiger Text vorgespielt. Bei den Texten handelte es sich um positive Suggestionen nach hypnotherapeutischen Prinzipien, untermalt mit Hintergrundmusik. In der Interventionsgruppe konnte die postoperative Opioidgabe um 34 % reduziert werden; 37 % (statt 20 % in der Kontrollgruppe) benötigten gar kein Schmerzmittel. Außerdem konnte das postoperative Schmerzniveau um über 25 % reduziert werden. Zudem wurde auch das Risiko von postoperativer Übelkeit und Erbrechen deutlich gesenkt.
Aus den Ergebnissen folgt einerseits, dass eine einfache, nebenwirkungsfreie Methode unerwünschte Effekte einer Narkose reduzieren kann. Dementsprechend sollte therapeutische Kommunikation ruhig häufiger angewendet werden. Andererseits sollte man sich immer bewusst sein, dass man nicht weiß, wie viel der narkotisierte Patient tatsächlich mitbekommt – und daher im Zweifel lieber unbedachte Gespräche sowie eine laute Geräuschkulisse vermeiden. Immer nach dem Grundsatz: Was würde man selbst als Bewusstloser hören wollen?
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