Patienten mit Diabetes haben ein erhöhtes Risiko, eine venöse Thromboembolie zu erleiden. Für weibliche Patienten ist dieses Risiko zusätzlich erhöht, wie jetzt eine Studie demonstriert.
Ein Forschungsteam der MedUni Wien und des Complexity Science Hub fand Hinweise darauf, dass Frauen mit Diabetes mellitus einem höheren Risiko ausgesetzt sind, an venösen Thromboembolien zu erkranken als Männer – insbesondere während der Perimenopause. „Unsere Analysen zeigen erstmals, dass Diabetes mellitus bei Frauen in höherem Maße mit Venösen Thromboembolien (VTE) assoziiert sein könnte als bei Männern”, erklärt Elma Dervic vom Complexity Science Hub. Das Risiko für Frauen mit Diabetes mellitus, auch an VTE zu erkranken, ist 1,52-mal höher als für Frauen ohne Diabetes. Bei Männern steigt das Risiko dagegen nur um das 1,3-fache.
„Vor allem ab einem Alter von 40 Jahren zeichnet sich ein relativer Anstieg des VTE-Risikos ab”, erklärt Carola Deischinger von der Medizinischen Universität Wien. Am größten ist der Effekt bei Frauen zwischen 50 und 59 Jahren, wo das Risiko 1,65-mal höher ausfällt, so die Ergebnisse der im Journal Diabetes Research and Clinical Practice erschienenen Studie.
Prozentsatz der Patienten mit Diabetes mellitus (durchgezogene Linien), bei denen eine VTE diagnostiziert wurde, im Vergleich zu Patienten ohne Diabetes mellitus (gepunktete Linien) mit VTE (in %): Der geschlechtsspezifische Unterschied zwischen weiblichen (rote Linien) und männlichen Patienten (blaue Linien), die an einer VTE leiden, ist in der Diabetes-Kohorte größer. Credit @ Complexity Science Hub und MedUni Wien.
Um die geschlechtsspezifischen Auswirkungen des Diabetes auf das VTE-Risiko zu ermitteln, untersuchte das Team einen bevölkerungsweiten Datensatz. „Mit rund 45 Millionen Einträgen umfasst er alle stationären Aufenthalte in Österreich zwischen 2003 und 2014”, so Dervic. Von den 180.034 Diabetes-Patienten waren 70.739 weiblich und 109.295 männlich.
Die VTE beinhaltet zwei Krankheitsbilder: tiefe Venenthrombosen und Lungenarterienembolien, wobei letztere eine gefährliche Komplikation von Thrombosen darstellen. „Normalerweise ist das Risiko, eine VTE zu entwickeln, bei beiden Geschlechtern etwa gleich groß”, erklärt Deischinger. Diabetes mellitus stellt bekanntermaßen einen Risikofaktor für VTE dar. „Auch in unserer Studie konnten wir bei Patient:innen mit Diabetes mellitus ein 1,4 mal höheres Risiko für VTE feststellen als in der Kontrollgruppe ohne Diabetes mellitus”, so Dervic.
Neu ist der Genderaspekt. Während bei traditionellen Behandlungsmethoden geschlechtsspezifische Unterschiede bei zahlreichen Erkrankungen nur wenig berücksichtigt werden konnten, „wissen wir dank großer Forschungsanstrengungen und Big-Data-Analysen heute bereits viel mehr darüber“, so Dervic. Dadurch können diese Unterschiede im Detail analysiert und die Behandlungen entsprechend angepasst werden. Dieser Studie vorangegangen sind zwei weitere Publikationen, die sich mit den genderspezifischen Unterschieden von Patienten mit Diabetes mellitus auf die Ausprägung von Depressionen einerseits und Parkinson andererseits befassen. Auch hier zeigten sich jeweils signifikante Unterschiede.
„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass Frauen mit Diabetes mellitus hinsichtlich der Entwicklung von VTE sorgfältiger überwacht werden sollten, insbesondere während ihrer Perimenopause”, betont Alexandra Kautzky-Willer, Letztautorin der Studie. Das zeige einmal mehr, dass der biologische Vorteil von Frauen vor allem für Gefäßkomplikationen im Fall eines Diabetes schwindet und sich ihr Risiko mit dem Abfall des Östrogen-Spiegels ab der Menopause weiter erhöht. Umso mehr müsse eine intensive Behandlung aller Risikofaktoren schon in jüngeren Jahren erfolgen.
Um diesen Zusammenhang noch detaillierter erfassen zu können, sind Analysen erforderlich, welche die Ursachen dieser relativen Risikoerhöhung untersuchen. „Dies wäre ein wichtiger Schritt zur Prävention von VTE bei Patient:innen mit Diabetes mellitus, insbesondere wenn es sich um Frauen handelt”, so Dervic.
Dieser Artikel beruht auf einer Pressemitteilung der Medizinischen Universität Wien. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: ActionVance, unsplash.