Männern wird oft nachgesagt, ihren vermeintlich zu kleinen Penis mit einem protzigen Sportwagen zu kompensieren. So abwegig ist die These nicht, wie Forscher jetzt zeigen. Was ist dran, am Penis-Auto-Mythos?
Wer hat’s noch nie gehört? Prahlt ein Mann mit seinem teuren Auto, geht das Gekichere los: „Ob er wohl für etwas kompensieren muss?“ Natürlich wollen wir hier kein Body-Shaming von Männern gutheißen – ein kleiner Penis ist nichts Schlimmes, für das man(n) angegriffen werden sollte. Durch die ständige Wiederholung dieses Stereotyps werden Unsicherheiten und Probleme in der eigenen Körperwahrnehmung befeuert. So hartnäckig wie sich der Mythos hält, stellt sich aber durchaus die Frage: Gibt es diesen Zusammenhang wirklich? Haben Männer, die ihre Gliedlänge als unzureichend empfinden, ein größeres Faible für Sportwagen?
Eine aktuelle Studie sieht jedenfalls entsprechende Hinweise. Drei Forscher der Abteilung für experimentelle Psychologie des University College Londons behaupten: In ihrem Experiment konnten sie „zum ersten Mal eine kausale psychologische Beziehung zwischen schnellen Autos und kleinen Penissen finden.“
Anhand von Selbstangaben sei dieser Zusammenhang schwierig zu erforschen, da Auskünfte zur Penisgröße notorisch unzuverlässig sind. Selbst eine objektive Messung könne lediglich eine Korrelation aufdecken, nicht jedoch eine kausale Beziehung, schreiben die Forscher in ihrem Preprint. Daher zielte ihr Experiment darauf ab, das subjektive Empfinden ihrer männlichen Probanden in Bezug auf die Länge ihres Penis zu manipulieren und wie sich dies auf den Wunsch nach einem Sportwagen auswirkt.
Dazu wurden ihnen falsche Informationen über die durchschnittliche Länge des erigierten Penis präsentiert (entweder ein zu großer Wert von 18 cm oder ein zu kleiner Wert von 10 cm; die Wahrheit liegt bei etwa 13 cm). Im Anschluss wurde den Probanden ein Bild eines Sportwagens gezeigt und sie sollten angeben, wie gerne sie sich einen solchen zulegen würden. Die Hypothese: Männer, die einen übertriebenen Durchschnittswert sehen, empfinden ihr eigenes Glied als zu klein und zeigen in der Konsequenz ein höheres Interesse an dem Auto.
Damit das Ziel der Studie nicht offensichtlich und das Ergebnis verfälscht war, wurde diese Schlüsselfrage zwischen elf anderen Fragen versteckt. Das Muster blieb dabei gleich: Zunächst wurde ein zufälliger Fakt präsentiert, den sich die Probanden für einen späteren Gedächtnistest merken sollten. Danach wurde ihnen ein Foto eines zufälligen Produkts gezeigt, von dem sie angeben sollten, wie gerne sie es hätten. Den 200 Probanden (Alter 18–74 Jahre, Median 28,4 Jahre) wurde vor Beginn des Experiments erklärt, der Hintergrund sei eine Untersuchung darüber, wie Onlineshopping das Faktengedächtnis beeinflusst.
Das Herzstück des Experiments: Ob die Probanden ihr bestes Stück als über- oder unterdurchschnittlich empfanden, hatte einen Einfluss auf ihr Interesse an einem Sportwagen.
Und tatsächlich fanden die Forscher den erwarteten Effekt: Männer, denen vorgegaukelt wurde, sie wären unterdurchschnittlich bestückt, stuften den Sportwagen tendenziell ansprechender ein als ihre Kontrollgruppe. Dabei fiel auch eine gewisse Altersabhängigkeit auf, da der Effekt bei Männern jenseits der 30 ausgeprägter ausfiel. Der Unterschied zwischen den Gruppen war allerdings nicht besonders groß, und die Streuung zwischen den einzelnen Antworten recht breit. Es ist auch zu bemängeln, dass die meisten Probanden unter 30 waren und somit die Datenbasis für den altersabhängigen Trend eher dürftig ist.
Den Forschern zufolge gibt es zwei – sehr einleuchtende – Erklärungen für das Phänomen: Sex und Selbstwertgefühl. Möglicherweise stellt das teure Auto ein menschliches Äquivalent zum Schwanzgefieder eines Pfaus dar; eine opulente Zurschaustellung ‚verschwendeter‘ Ressourcen, um potenzielle Partner anzulocken. Vielleicht spielt die Partnersuche aber auch eine untergeordnete Rolle und es geht generell um das Selbstwertgefühl des Mannes: Durch die kulturelle Prävalenz von „kleiner Penis“-Witzen wird dieses logischerweise angegriffen, wenn Mann sein Glied als klein ansieht. Der Kauf eines Luxusguts hilft hingegen bei der Selbstbestätigung.
Also handelt es sich um eine grundsätzliche Frage des Selbstbewusstseins? Dann sollte der Zusammenhang auch für andere Luxusgüter gelten und auf andere Angriffe des Selbstwertgefühls der Probanden übertragbar sein, so der Gedankengang der Forscher. Um diese Sekundärhypothese zu überprüfen, wurden von vornherein noch andere manipulierte Fakten in das Experiment eingebaut. Diese zu hohen und zu niedrigen Durchschnittswerte (beispielsweise zum BMI oder der Anzahl an Sexpartnern im Lebensverlauf) wurden mit einer zufälligen Auswahl von Luxusgütern wie einer Rolex-Armbanduhr oder einem Aufenthalt in einem 5-Sterne-Hotel gekoppelt. Allerdings zeichnete sich in den Ergebnissen kein Trend ab, der den allgemeinen Zusammenhang zwischen einem niedrigen Selbstwertgefühl und dem Verlangen nach Luxusgütern belegen konnte.
Die Studie lässt auch nach Ansicht der Autoren eine Menge Fragen offen. Ganz zentral dabei: „Warum Autos und warum Penisse?“ Es bleibe ungeklärt, ob die Penisgröße nur die Bewertung von Sportwagen beeinflusst oder auch andere hochpreisige Güter. Auch stelle sich die Frage ob die Penisgröße einfach einen viel größeren Einfluss auf das männliche Selbstwertgefühl hat als die im Experiment getesteten Faktoren. „Wenn wir andere, ebenso starke Faktoren manipulieren würden – vielleicht die Überzeugung der Männer von ihrer Intelligenz oder ihres Reichtums –, würden wir einen ähnlichen Effekt auf die Produktbewertung finden?“
Bei der Einschätzung sollte letzten Endes auch nicht vergessen werden, dass es sich hierbei lediglich um ein interessantes Pre-Print handelt. Einem Peer Review haben sich diese Ergebnisse noch nicht unterziehen müssen. Eine mögliche Verfälschung der Ergebnisse ist ebenfalls naheliegend: Das Forscherteam wurde auf Anfrage eines Buchautoren tätig. Dieser könnte also durchaus Einfluss auf das Studiendesign genommen haben und ist zumindest auch als Studienautor gelistet.
Nachvollziehbar wäre das. Denn dieses Studienergebnis liefert eine verdammt gute Story.
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Bildquelle: Ryan Spencer, Unsplash