Schweres COVID-19 ist seltener geworden, aber nicht verschwunden. Eine Pilotstudie findet Hinweise auf einen Nutzen von PCSK9-Hemmern – der vielleicht gar nichts mit Cholesterin zu tun hat.
Die doppelblinde, placebokontrollierte Multicenterstudie IMPACT-SIRIO 5 fand in Polen, Italien und den USA statt. Die Ergebnisse wurden jetzt im Journal of the American College of Cardiology publiziert. An der IMPACT-SIRIO 5-Studie nahmen 60 Patienten teil, die wegen schwerem Covid hospitalisiert wurden. Sie mussten eine radiologisch nachweisbare Covid-Pneumonie mit den typischen Ground-Glass-Opacities aufweisen sowie hypoxisch sein. Die Randomisierung erfolgte im Verhältnis eins zu eins entweder zu einer einmaligen Injektion von 140 mg des PCSK9-Hemmers Evolocumab subkutan oder einer entsprechenden Placebo-Injektion. Primärer Endpunkt war Tod oder Notwendigkeit zur Intubation innerhalb von 30 Tagen.
Interessant war auch der sekundäre Endpunkt, nämlich Veränderungen bei den Interleukin (IL)-6 Spiegeln sieben und dreißig Tage nach Studienbeginn. Dieser Endpunkt deutet bereits darauf hin, dass die Studienleiter nicht davon ausgingen, dass ein möglicher Nutzen des PCSK9-Hemmers etwas mit dessen Hauptwirkung, der Cholesterinsenkung, zu tun hat. Eher ging es um „pleiotrope“ Effekte der Medikamente auf Entzündungsprozesse. Unabhängig von den Wirkungen auf den Cholesterinspiegel gelten PCSK9-Hemmer als entzündungshemmende Medikamente.
Die Randomisierung gelang für eine Studie dieser Größe recht gut. Wichtige kardiovaskuläre Risikofaktoren waren gleichmäßig verteilt, ausnahmslos alle Patienten waren Covid-geimpft. Die Ergebnisse sind mit der Einschränkung, dass es sich um eine kleine Pilotstudie handelt, recht deutlich: Der primäre Endpunkt trat bei 23,3 % der PCSK9-Patienten, aber bei 53,3 % der Placebo-Patienten ein. Für die absolute Risikoreduktion von 30 % (Number-needed-to-treat 3,3) berechnete sich ein Konfidenzintervall von – 53,4 % bis -6,59 %, der Unterschied war also signifikant.
Kaplan-Meier-Kurven für den primären Endpunkt „Tod oder Intubation“ über 30 Tage. Credit: Navarese EP et a.
Die Ergebnisse des sekundären Endpunkts passen zu der Hypothese, dass es die antiinflammatorischen Wirkungen von PCSK9-Hemmern sind, die den Unterschied machen. Zum einen sanken die IL-6-Spiegel in der PCSK9-Gruppe um 56 % und damit doppelt so stark wie in der Placebo-Gruppe (21 %). Zum anderen gab es eine signifikante Korrelation zwischen dem Effekt der PCSK9-Hemmer-Therapie im Vergleich zu Placebo und den Ausgangswerten von IL-6: Bei Patienten mit einem Ausgangs-IL-6-Wert oberhalb des Medians war die absolute Risikoreduktion in Bezug auf den primären Endpunkt 37,5 % (95 % CI -68,2 % bis -6,7 %), also überdurchschnittlich hoch.
Dies spricht (einmal mehr) dafür, dass es eine Subgruppe von Patienten mit schwerem COVID geben könnte, die durch eine besonders starke Entzündungsreaktion gekennzeichnet ist und die deswegen möglicherweise (noch) mehr als andere Patienten mit schwerem Covid von einer entzündungshemmenden Therapie profitiert. In einem begleitenden Editorial diskutieren Sascha N. Goonewardena vom Frankel Cardiovascular Center der Universität Michigan und Robert S. Rosenson vom Kravis Center for Cardiovascular Health an der Mount Sinai School of Medicine in New York die Implikationen der Ergebnisse der IMPACT-SIRIO 5 Studie. Die Kommentatoren vertreten die Auffassung, dass die Ergebnisse stark dafür sprechen, dass Entzündungsprozesse bei Covid-Pneumonie durch PCSK9-Hemmer moduliert werden können. Die Ergebnisse passten zudem zu pharmakologischen Untersuchungen, die die antiinflammatorischen Effekte von PCSK9-Hemmern mit dem IL-6-Pathway in Verbindung gebracht haben.
Der Weg über IL-6 könne auch erklären, warum sich zum Beispiel in Statin-Studien entsprechende Effekte nicht konsistent haben zeigen lassen. Denn der antiinflammatorische Effekte der Statine sei eher CRP-vermittelt. Auch habe es in den großen PCSK9-Hemmer-Studien bei Hypercholesterinämie keine Hinweise auf eine CRP-Reduktion gegeben, so die Kommentatoren. Dies deute ebenfalls darauf hin, dass sich die antiinflammatorischen Effekte der beiden LDL-senkenden Therapieansätze qualitativ unterscheiden. Die Kommentatoren weisen allerdings darauf hin, dass es denkbar bleibe, dass der in der IMPACT-SIRIO 5-Studie beobachtete Effekt doch auf die Cholesterinsenkung zurückgehe. Dies lasse sich mit einer so kleinen Studie nicht ausschließen. Klinisch sei es in jedem Fall gerechtfertigt, dieses Therapieansatz jetzt breiter zu untersuchen.
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