Entgegen der aktuellen Leitlinie kann bei Patienten ohne Indikation zur oralen Antikoagulation nach TAVI auf eine antithrombotische Therapie verzichtet werden. Was ist dran?
Bei Patienten mit hochgradiger Aortenklappenstenose wurde früher als antithrombotischer Schutz nach Transkatheter-Aortenklappenimplantationen (TAVI) eine auf drei bis sechs Monate befristete duale Plättchenhemmung empfohlen. Die Empfehlung erfolgte in Analogie zur perkutanen Koronarintervention mit Stentimplantation, bei der ebenfalls eine duale Plättchenhemmung eingesetzt wird.
Vor allem aufgrund der Ergebnisse aus der POPular-TAVI-Studie empfehlen die Leitlinien derzeit stattdessen nach einem bioprothetischem Aortenklappenersatz bei Patienten ohne Indikation für orale Antikoagulation oder plättchenhemmende Therapie aus anderen Gründen eine Monotherapie mit einem Thrombozytenhemmer wie ASS. Anhand von zwei primären Endpunkten konnte in der POPularTAVI-Studie ein signifikanter Vorteil der ASS-Monotherapie im Hinblick auf die Sicherheit nachgewiesen werden. Die höhere Sicherheit der alleinigen ASS-Therapie ging dabei nicht auf Kosten einer geringeren Wirksamkeit.
Kardiologe Dr. Kentaro Hayashida, Keio University School of Medicine in Tokio, und sein Team untersuchten die Frage, ob der Verzicht auf jegliche Plättchenhemmung bei TAVI-Patienten ohne Indikation zur oralen Antikoagulation noch günstiger ist als eine Monotherapie mit ASS. Sie stellten die Hypothese auf, dass der Verzicht das Blutungsrisiko senke, ohne dass es zu einer Zunahme von ischämischen Ereignissen komme.
Zur Klärung der Frage hat die Forschergruppe in einer aktuellen Studie, publiziert im Journal of the American College of Cardiology, die klinischen Verläufe von insgesamt 3.575 Patienten mit TAVI aus dem OCEAN-TAVI-Register analysiert. Es wurden drei Subgruppen mit unterschiedlicher antithrombotischer Therapie verglichen: keine antithrombotische Therapie (n = 293), plättchenhemmende Monotherapie (Single-Antiplatelet Therapy; n = 1.354) oder eine duale Plättchenhemmung (Dual-Antiplatelet Therapy; n = 1.928). Von den 293 Teilnehmern (8,2 %) mit einem mittleren Alter von 83 Jahre ohne antithrombotische Therapie hatten 249 (85,0 %) ein hohes Blutungsrisiko, weswegen auf Plättchenhemmung verzichtet wurde.
Im Median betrug der Nachbeobachtungszeitraum 841 Tage. Der primäre Studienendpunkt waren alle in dieser Zeit aufgetretenen kardiovaskulären Ereignisse (kardiovaskulärer Tod, Herzinfarkt, Schlaganfall) und lebensbedrohenden oder schwerwiegenden Blutungen (Net Adverse Clinical Events, NACE). Nach drei Jahren betrugen die Raten für den NACE-Endpunkt 14 % bei Patienten ohne antithrombotische Therapie, 14,7 % bei Teilnehmern mit plättchenhemmender Monotherapie und 16,2 % bei dualer Plättchenhemmung.
Nach Adjustierung für diverse Störfaktoren bestand bezüglich der NACE-Inzidenz kein signifikanter Unterschied zwischen den drei Gruppen (keine Therapie vs. plättchenhemmender Monotherapie: adjustierte Hazard Ratio, aHR: 1,18; p = 0,45. Keine Therapie vs. dualer Plättchenhemmung: aHR: 1,09; p = 0,67). Die Rate für Blutungskomplikationen war in der Gruppe ohne antithrombotische Therapie niedriger als in den anderen beiden Gruppen mit plättchenhemmender Therapie. Als signifikant erwies sich der Unterschied aber nur im Vergleich zur Gruppe mit dualer Plättchenhemmung (keine Therapie vs. plättchenhemmender Monotherapie: aHR: 0,63; p = 0,12. Keine Therapie vs. dualer Plättchenhemmung: aHR: 0,51; p = 0,04).
Im Hinblick auf Parameter der Klappenfunktion, wie Druckgradient und effektive Klappenöffnungsfläche, bestanden keine signifikanten Unterschiede zwischen den drei Gruppen. Allerdings wurden thrombotische Auflagerungen an den Klappenbioprothesen (Hypoattenuated Leaflet Thickening, HALT) in der Gruppe ohne antithrombotische Behandlung bei 8,5 % der Patienten beobachtet. Die Studienautoren kommen zu dem Schluss, dass die Strategie, nach TAVI keine plättchenhemmende Therapie zu verordnen, angesichts dieser Studienergebnisse eine „sicherere Alternative“ zur Plättchenhemmung (mono/dual) bei ausgewählten Patienten mit hohem Blutungsrisiko sein könnte. Um zu klären, wie das optimale antithrombotische Therapieregime für TAVI-Patienten ohne Indikation für eine orale Antikoagulation beschaffen sein sollte, bedarf es aber weiterer Studien, lenken die Autoren ein.
Die Ergebnisse der Registeranalyse von Hayashida legen nahe, dass bei Patienten ohne Indikation zur oralen Antikoagulation nach TAVI entgegen den Leitlinienempfehlungen unter Umständen auf eine antithrombotische Therapie ohne Risiken vollständig verzichtet werden kann. Es werden größere Studien benötigt, die diese Ergebnisse stützen.
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