Überdehnte Haut, überstreckte Gelenke, spontane Organrupturen: Das Ehlers-Danlos-Syndrom ist nicht heilbar. Was steckt hinter der Krankheit und was kann man gegen die Symptome tun?
Das Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS) ist eine Gruppe von erblichen Bindegewebserkrankungen, das sich klinisch mit Hyperelastizität der Haut, Hypermobilität der Gelenke, atrophischer Narbenbildung und Zerbrechlichkeit der Blutgefäße manifestiert. Die Bezeichnung Ehlers-Danlos-Syndrom geht auf zwei Dermatologen zurück. Edvard Ehlers und Henry Alexandre Danlos – sie forschten Anfang des 19. Jahrhunderts an der Bindegewebsschwäche. Die Prävalenz wird, basierend auf dem EDS-Subtyp, auf 1 : 5.000 bis 1 : 100.000 geschätzt.
Bei Patienten mit EDS funktioniert das Bindegewebe je nach Subtyp nicht mehr fehlerfrei, da die Eiweiße nicht korrekt aufgebaut sind. Bei einem gesunden Bindegewebe ist das Kollagen in der Lage, sich zu dehnen und sich anschließend wieder in die Ausgangslage zurückzubewegen. Ist diese Funktion gestört, kann das Auswirkungen auf den gesamten Organismus haben. 2017 wurde eine neue internationale Klassifikation von EDS mit 13 verschiedenen Varianten vorgeschlagen.
Die Diagnosestellung sollte auf der NGS-Technologie (Next-Generation-Sequencing) basieren, welche die Möglichkeit einer gleichzeitigen Sequenzierung mehrerer Gene ermöglicht. Die Sequenzierung eines Gen-Panels ist aber zeit- und kostenaufwändig. Wird keine pathogene Mutation nachgewiesen, sollten ggf. geeignete Zusatzuntersuchungen zum Nachweis von Kopienzahlvarianten (CNV, größere Deletionen/Duplikationen) ergänzt werden, so die Ehlers-Danlos-Initiative.
Zu den wichtigsten klinischen Kriterien gehören also atrophische Narbenbildung, Hautüberdehnbarkeit und allgemeine Gelenküberbeweglichkeit. Ebenso epikanthische Falten, Hautbrüchigkeit, weiche „teigige“ Haut, leichte Blutergüsse, Hernien, Komplikationen der Gelenkhypermobilität, molluskoide Pseudotumoren, subkutane Sphäroide und eine Familienanamnese eines Verwandten ersten Grades. Zu den geringfügigen klinischen Kriterien zählen nicht-kardiogene Ödeme der unteren Extremitäten, leichte Muskelschwäche, Atrophie der Hand- und Fußmuskulatur, axonale Polyneuropathie, Fußdeformitäten und Kavernenprolaps (uterin, vaginal, rektal).
Das vaskuläre Ehlers-Danlos-Syndrom (vEDS) hingegen ist durch eine erkennbare phänotypische Konstellation von inneren und äußeren Dysmorphien gekennzeichnet.
Das EDS vom kyphoskoliotischen Typ (EDS VIA) ist eine seltene Variante der Erkrankung mit einer Inzidenz von 1 : 100.000 Lebendgeburten. EDS VIA zeigt sich bei der Geburt als schwere muskuläre Hypotonie, frühes Einsetzen einer fortschreitenden Kyphoskoliose, deutliche Hyperelastizität und Brüchigkeit der Haut mit abnormer Narbenbildung.
Zahnpathologien werden bei diesen Patienten häufig beobachtet, wie etwa Hypodontie der bleibenden Zähne, verzögerter Zahndurchbruch und Dentindysplasie. Ein Mangel an befestigter Gingiva könnte ebenfalls ein pathognomonisches Merkmal sein. Daher spielen Zahnärzte eine entscheidende Rolle bei der Früherkennung und Behandlung.
Bei Verdacht auf EDS können CT, MRT und Echokardiographie verwendet werden, um häufige kardiovaskuläre Probleme wie Mitralklappenprolaps und Aortendilatation zu untersuchen. Behandlung und Management von Patienten mit EDS sollten einen multidisziplinären Ansatz verfolgen, der sich darauf konzentriert, das Fortschreiten der Krankheit und nachfolgende Komplikationen zu verhindern, da es keine Heilung für die Krankheit gibt. Beispielsweise werden kardiovaskuläre Probleme von einem Kardiologen überwacht und behandelt, Muskel-Skelett-Erkrankungen von einem Orthopäden.
Ein kardiovaskuläres Screening sollte regelmäßig durchgeführt werden, um Risikofaktoren so gut wie möglich zu mindern. Bluthochdruck zum Beispiel erhöht die Belastung des bereits fragilen Gefäßsystems und erhöht das Risiko von Komplikationen im Laufe der Zeit – und sollte deswegen unbedingt behandelt werden. Das Screening auf strukturelle Anomalien des Herzens, wie etwa Aortenwurzel- und Mitralklappenanomalien, sollte mittels Echokardiographie durchgeführt werden, da diese möglicherweise einen chirurgischen Eingriff erfordern, um die Komplikationen einer Ruptur bzw. kongestiven Herzinsuffizienz zu vermeiden.
Gefäß- und Organrupturen sind tödliche Komplikationen von EDS. Sie treten am häufigsten bei vaskulären und kyphoskoliotischen Subtypen auf, wurden aber auch bei den häufigeren Subtypen berichtet. Gefäßrupturen können überall im arteriellen System auftreten, sind aber im Thorax und Abdomen am häufigsten. Organrupturen treten am häufigsten in der Gebärmutter, im Sigma, in der Milz und in der Leber auf. Plötzliches Einsetzen von Schmerzen bei vermutetem oder bekanntem EDS sollte zu einer notfallmäßigen medizinischen Untersuchung führen – unabhängig davon, ob ein Trauma vorliegt oder nicht.
Wiederholte Gelenkverletzungen können zu einer früh einsetzenden Osteoarthritis und möglicherweise zu einer Vielzahl orthopädischer Eingriffe führen, insbesondere bei hypermobilen und klassischen Subtypen. Während diese Verfahren basierend auf der Verletzung gerechtfertigt sein können, wird davon ausgegangen, dass die Schlaffheit des betroffenen Bindegewebes mit der Zeit zunimmt, was zu einer zusätzlichen Verletzung führen kann.
Aufgrund unterschiedlicher Problematiken sind Operationen von Betroffenen nicht selten schwierig. Durch das hohe Risiko von Gefäßdissektionen wird die Vermeidung einer zentralvenösen und arteriellen Punktion für den (vaskulären) Typ IV (und Patienten anderer Subtypen) empfohlen.
Da bei Patienten mit EDS vom hypermobilen Typ auch die Knorpelgewebe von Larynx und Trachea betroffen sein können, sollte mit Schwierigkeiten bei der Intubation durch den Kollaps des fibroelastischen Gewebes und der trachealen Knorpelspangen gerechnet werden.
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