Forscher zeigten erstmals, wie eine COVID-19-Infektion die kleinsten Herzgefäße schädigen kann. Doch nicht nur das: Ein schwerer Verlauf scheint zu einem dauerhaften Umbau des Gefäßsystems zu führen.
Schwere Krankheitsverläufe einer COVID-19-Infektion beeinträchtigen nicht nur die Lungenfunktion, sondern können auch lebensbedrohliche Folgen für das Herz mit sich bringen. Das Spektrum reicht von Myokarditis bis zur chronischen Einschränkung der Pumpfunktion. Die grundlegenden Schädigungsmuster konnten bisher nicht gänzlich nachgewiesen werden.
Ein interdisziplinäres Forschungsteam um Prof. Danny Jonigk von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) hat jetzt mit Hilfe molekularer Verfahren und eines hochauflösenden Mikroskopieverfahrens gezeigt, wie die andauernde Entzündung bei COVID-19 das Herzgewebe angreift und langfristig die kleinsten Herzkranzgefäße umbaut. Hintergrund ist, dass spezielle Vorläuferzellen des Immunsystems aus dem Blut in das Herz gelotst werden.
Etwa jeder Dritte klagt nach einem schweren COVID-19-Verlauf über Beschwerden und Funktionseinschränkungen des Herzens. Um die Mechanismen dieser langanhaltenden Herzmuskelschädigung aufzuklären, haben die Forscher Herzgewebe von betroffenen Patienten untersucht und diese mit Gewebeproben nach schweren Infektionen mit dem Influenzavirus sowie nach schweren, durch andere Viren verursachte Herzmuskelentzündungen verglichen.
Obwohl bei der Herzschädigung durch COVID-19 – anders als bei den Vergleichsproben – äußerlich keine klassische Entzündung des Herzgewebes festzustellen war, fand das Forschungsteam jedoch eine große Ansammlung von fehlaktivierten Entzündungszellen: Makrophagen und Monozyten. „Diese Monozyten haben eine herausragende Bedeutung als Vorläuferzellen der Blutgefäßneubildung und können in kürzester Zeit das Blutgefäßsystem umbauen“, erklärt Christopher Werlein, Erstautor der Studie.
Ausgelöst durch die Infektion mit dem Coronavirus sammeln sich in den nur wenige Millimeter dicken Herzgefäßen kleinste Verstopfungen an. „Diese Ultrathromben verändern den Blutstrom erheblich und damit auch die Sauerstoffversorgung“, betont Studienautor Kühnel. Das ruft die Monozyten auf den Plan, die sich an die inneren Gefäßwände heften und dort neue Verzweigungen ausbilden. Diesen Gefäßumbau – eine intussuszeptive Angiogenese – hat das Team bereits zuvor in anderen Organen von COVID-19- Betroffenen als charakteristisches Schädigungsmuster beschrieben. Was möglicherweise als Rettungsreaktion des Körpers gedacht ist, um den verminderten Blutfluss und die Unterversorgung mit Sauerstoff auszugleichen, könnte zur chronischen Schädigung des Herzens und zu Long Covid führen, vermuten die Forscher. „Auf jeden Fall bestätigen die neuesten Untersuchungen unsere frühere Annahme, dass SARS-CoV-2 systemisch alle Gefäße im Körper angreift und diese langfristig umbaut“, betont Jonigk.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Medizinischen Hochschule Hannover. Hier findet ihr die Originalpublikation.
Bildquelle: Jeriden Villegas, unsplash.