Prostatakarzinome sind immer noch der zweithäufigste Krebs bei deutschen Männern. Bisher gilt die Tastuntersuchung als Goldstandard der Früherkennung. Das muss sich ändern, sagen Experten – und fordern eine PSA-basierte Untersuchung.
Der Europäische Rat zur Krebsfrüherkennung verschiedener Tumoren bezieht Stellung zur Früherkennung des Prostatakarzinoms: „Die an die Mitgliedsstaaten gerichteten Vorschläge sehen eine größere Bandbreite an Screeningverfahren und Programmgestaltungen vor. Zudem wird angeregt, bestehende Programme auf weitere Zielgruppen und andere Krebsarten auszuweiten. Unter Berücksichtigung der vorläufigen Evidenz und des beträchtlichen Maßes an opportunistischem Screening sollten die Länder einen stufenweisen Ansatz in Erwägung ziehen, der Pilotprojekte und weitere Forschungsarbeiten umfasst, um die Durchführbarkeit und Wirksamkeit systematischer Programme mit dem Ziel der Gewährleistung einer angemessenen Steuerung und Qualität auf der Grundlage von Untersuchungen auf das prostataspezifische Antigen (PSA) bei Männern in Kombination mit ergänzender Magnetresonanztomografie (MRT) als Folgeuntersuchung zu evaluieren.“
Die Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU) unterstützt die Empfehlung der EU und sieht diese als Bestätigung, das wichtige Thema der Früherkennung des Prostatakarzinoms auf nationaler Ebene voranzubringen. „Wir fordern basierend auf neuesten evidenzbasierten Studiendaten bereits seit Längerem, ein zeitgemäßes Verfahren auf den Weg zu bringen, welches nicht ausschließlich auf der Tastuntersuchung der Prostata beruht“, sagt DGU-Generalsekretär Prof. Maurice Stephan Michel. Der PSA-Test, gekoppelt mit einem modernen mpMRT als weiterführende Untersuchung bei Karzinomverdacht, sei hier auch nach Ansicht der DGU ein vielversprechender Ansatz, der die häufig kritisierten Übertherapien vermeiden kann.
Zur Unterstützung ihrer Argumente weist die DGU auf Ergebnisse der PROBASE-Studie hin. Dort wurde bei mehr als 23.000 Männern im Alter von 45 Jahren ein Baseline-PSA-Wert bestimmt. Bei einem PSA > 3ng/ml und einer bioptischen Abklärung mit Zuhilfenahme des mpMRT wurden schließlich 48 Prostatakarzinome entdeckt. Das entspricht einer Detektionsrate von 0,2 %. Der Kontrollarm verzichtete auf die initiale PSA-Bestimmung, sodass die Indikation zur Prostatastanzbiopsie alleinig auf Basis der digital rektalen Untersuchung gestellt wurde. Diese erfolgte bei 6.537 Männern. Bei einem auffälligen Tastbefund wurde biopsiert, bei 2 Männern wurde schließlich ein Karzinom detektiert (2/6537 = 0,03 %).
„Der Unterschied in der Detektionsrate mit und ohne Basis-PSA-Wert ist offensichtlich und unterstützt unsere Fortschrittsforderung in der Früherkennung des Prostatakarzinoms mittels PSA-Wert und multiparametrischem MRT der Prostata (mpMRT) als adäquate Folgeuntersuchung“, erklärt Prof. Peter Albers, Leiter der PROBASE-Studie, die aktuelle Datenlage.
Aus den USA gibt es ebenfalls unterstützende Studiendaten für die Anwendung des PSA-Wertes in der Früherkennung: Wurden mehr ehemalige US-Soldaten PSA-basiert untersucht und behandelt, so war die Anzahl metastasierter Erkrankungen nach 5 Jahren signifikant geringer als bei Patienten, die weniger oder gar keine PSA-basierten Untersuchungen erhalten hatten. „Das ist ein weiteres Indiz dafür, dass die PSA-Untersuchung sinnvoll ist, denn sie reduziert die Anzahl metastasierter Erkrankungsstadien“, ergänzt DGU-Präsident Prof. Martin Kriegmair.
Daher ergeht in Richtung des G-BA sowie des Bundesgesundheitsministeriums der eindringliche Appell der DGU, den Baseline-PSA und, bei entsprechender Befundkonstellation, das mpMRT der Prostata als Früherkennungsleistung zu verankern. Andernfalls drohe Deutschland mit Blick auf die Früherkennung des Prostatakarzinoms zum Entwicklungsland in der EU zu werden, betont Michel. „Hinsichtlich der Mortalität steht das Prostatakarzinom in Deutschland noch immer an zweiter Stelle der Krebserkrankungen des Mannes: Im Jahr 2019 wurden hierzulande 68.579 Neuerkrankungen dokumentiert; im gleichen Jahr verstarben 15.040 Männer an diesem Tumor“, gibt Prof. Axel Merseburger, Pressesprecher der DGU, zu bedenken.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Urologie. Den Appell an Gesundheitsminister Karl Lauterbach findet ihr hier und im Text verlinkt.
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