Wurst, Softdrinks und laute Musik – diese und weitere Lifestyle-Faktoren stehen im Verdacht, Demenz auszulösen. Erfahrt hier, was ihr Patienten zur Prävention raten könnt und welches Essen ein No-Go ist.
Die Prävalenz von Demenz nimmt weltweit zu – allein in Deutschland sind etwa 1,6 Millionen Menschen an Demenz erkrankt. Experten gehen sogar davon aus, dass die Zahl der Fälle bis 2050 auf 2,8 Millionen steigen wird. Als mögliche Präventionsmaßnahmen sind immer mehr Lifestyle-Modifikationen wie sportliche Aktivität und eine gesunde, ausgewogene Ernährung im Gespräch. In den letzten Jahrzehnten haben insbesondere die Produktion und der Konsum von ultraprozessierten Lebensmitteln zugenommen – ein möglicher Treiber für Demenz?
Ob Fertiggerichte, Wurstwaren, Müsliriegel, Chips oder Softdrinks: Hochverarbeitete Lebensmittel stehen häufig in der Kritik – und das zurecht. Zu den hochprozessierten Lebensmitteln gehören vor allem solche, die einen hohen Grad an industrieller Verarbeitung aufweisen und Zusatzstoffe enthalten. Der übermäßige Konsum dieser Nahrungsmittel wird mit zahlreichen Erkrankungen wie Adipositas, kardiovaskulären Krankheiten und dem metabolischen Syndrom in Verbindung gebracht. Eine kürzlich veröffentliche Studie ergänzt diese Liste nun mit einem weiteren Krankheitsbild: der Demenz.
Brasilianische Forscher haben genauer untersucht, ob der Konsum von hochverarbeiteten Lebensmitteln mit kognitivem Abbau assoziiert werden kann. Die Ergebnisse ihrer multizentrischen, prospektiven Kohorten-Studie veröffentlichten sie im Fachmagazin JAMA Neurology. Die Forscher nutzten für ihre Studie Daten von insgesamt 10.775 Beamten aus 6 brasilianischen Städten aus den Jahren 2008 bis 2017. Zunächst erhielten diese Fragebögen zu ihren Ernährungsgewohnheiten, dabei wurden Personen mit einer stark verminderten oder erhöhten Kalorienzufuhr (< 600 oder > 6.000 kcal/Tag) ausgeschlossen sowie Teilnehmer, die Medikamente einnahmen, die ihre Kognition beeinflussen könnte. Die kognitive Leistung bzw. Veränderungen wurden während einer Nachbeobachtungszeit von 8 Jahren mithilfe von unterschiedlichen Sprach- und Gedächtnistests ausgewertet.
Der Konsum von hochprozessierter Nahrung wurde prozentual abhängig von der gesamten Nahrungsaufnahme in vier Quartile eingeteilt. Personen, die oberhalb des ersten Quartils lagen – also verhältnismäßig viel ultraverarbeitete Lebensmittel zu sich nahmen – zeigten eine um 28 % schnellere Rate kognitiven Verlusts sowie eine um 25 % schnellere Rate des Rückgangs von Exekutivfunktionen im Vergleich zu Personen im ersten Quartil.
„Wir fanden heraus, dass der Konsum hochprozessierter Lebensmittel von anteilig mehr als 19,9 % der täglichen Gesamtkalorien mit einem schnelleren Rückgang der globalen kognitiven Leistungsfähigkeit und der Exekutivfunktion verbunden war, verglichen mit einem Verbrauch von weniger als 19,9 % der täglichen Gesamtkalorien“, schreiben die Autoren zu ihren Ergebnissen. „Die Begrenzung des Konsums hochprozessierter Lebensmittel, insbesondere bei Erwachsenen mittleren Alters, könnte eine wirksame Form sein, um einen kognitiven Rückgang zu verhindern.“
Allerdings handelt es sich hierbei um eine Korrelationsstudie, daraus lassen sich nur begrenzt kausale Schlüsse ziehen. Hinzu kommen noch zahlreiche Limitationen – angefangen mit der Erfassung der Aufnahme von hochverarbeiteten Lebensmitteln. Diese wurde nur im Rahmen der Befragung zu Studienbeginn durchgeführt; Änderungen der Ernährungsweise über einen längeren Zeitraum wurden somit nicht erfasst. „Die Methode zur Messung der Aufnahme von ultra-verarbeiteten Lebensmitteln war nicht für diese Aufgabe konzipiert und stützte sich auf Annahmen“, erklärt Gunter Kuhnle, Professor für Ernährung und Lebensmittelwissenschaft an der University of Ready in England, gegenüber dem Science Media Centre. „Daraus lassen sich praktisch keine Rückschlüsse ziehen.“
„Auf jeden Fall wird die Beziehung zwischen Erkenntnissen aus Studien über ultra-verarbeitete Lebensmittel und Ernährungsempfehlungen durch die Tatsache erschwert, dass die Kategorie der ultra-verarbeiteten Lebensmittel sehr weit gefasst ist“, bemängelt auch Professor Kevin McConway. Der emeritierte Professor für Angewandte Wissenschaften der Open University in England fügt hinzu, dass bereits einige Korrelationsstudien zum Konsum verarbeiteter Lebensmittel und der Gesundheit gezeigt haben, dass die Zusammenhänge von der Art der Nahrungsmittel abhängen. Eine französische Studie kritisiert genau diese fehlende Klarheit und einheitliche Grundlage in der Klassifizierung verarbeiteter Lebensmittel. Darin beschreiben die Forscher, dass Lebensmittel- und Ernährungsexperten bei der Zuordnung von Lebensmitteln in die verschiedenen Kategorien verarbeiteter Lebensmittel durch das NOVA-System nicht übereinstimmen. „Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die aktuellen NOVA-Kriterien keine robusten und funktionalen Lebensmittelzuordnungen zulassen“, schreiben Braesco et al.
Nichtsdestotrotz wirft die Studie zum Zusammenhang zwischen Konsum verarbeiteter Lebensmittel und kognitivem Abbau eine wichtige Frage auf: Ist Demenzprävention möglich? In einer weiteren, erst kürzlich veröffentlichten Studie, bei der ein schlechtes Hörvermögen mit kognitivem Abbau in Verbindung gebracht wird, beschäftigen sich Forscher ebenfalls mit dieser Fragestellung.
Hörverlust bzw. Hörminderung werden signifikant mit dem Rückgang kognitiver Fähigkeiten und der Demenzprävalenz in Verbindung gebracht. Die Meta-Analyse untersuchte, ob diese Assoziation auch als Demenzprävention genutzt werden kann, indem im Umkehrschluss Hörgeräte oder Cochlea-Implantate verwendet werden, die einen positiven Effekt auf die kognitiven Fähigkeiten haben können. Die Analyse umfasst Daten von insgesamt 137.484 Teilnehmern aus 31 randomisierten Untersuchungen sowie Beobachtungsstudien mit Follow-ups von 2 bis zu 25 Jahren. Im Vergleich zu Personen ohne Hörhilfe zeigte die Verwendung von entsprechenden Geräten ein um 19 % signifikant niedrigeres Risiko für jede Art des kognitiven Abbaus (HR: 0,81). Elf Studien (n = 568) zeigten zudem eine Assoziation zwischen hörverbessernden Maßnahmen und einer Verbesserung kurzfristiger kognitiver Testergebnisse um 3 %.
„Dass Demenzprävention überhaupt möglich ist, ist bisher in unserer Gesellschaft noch gar nicht richtig angekommen – nicht bei jedem Einzelnen, besonders nicht in jungen Altersgruppen, auch nicht bei allen Ärzten“, erklärt DGN-Generalsekretär Prof. Peter Berlit. „Wie die aktuellen Studien zeigen, ist der positive Effekt, den Hörhilfen zur Korrektur von Schwerhörigkeit und eine gesunde, frisch zubereitete Kost auf unsere kognitive Gesundheit haben, sehr hoch.“ Er weist daher darauf hin, dass wir alle konsequent darauf achten sollten, bekannte Demenz-Risikofaktoren zu vermeiden und leicht umsetzbare Präventionsmaßnahmen im Alltag anzugehen.
Bildquelle: Jasrelle Serrano, Unsplash