Wer ein Haustier verloren hat, weiß, wie schwer die Trauer wiegen kann. Aber nicht jeder hat Verständnis dafür – selbst Profis tun sich schwer. Wie ihr Trauer-Shaming bei euren Patienten umgeht, lest ihr hier.
Haustiere werden immer beliebter. Im Jahr 2021 hielten rund 47 Prozent aller deutschen Haushalte mindestens ein Tier, im Jahr 2012 waren es noch 36 Prozent. Wie eng die jeweilige Bindung zwischen Mensch und Tier ist, unterscheidet sich von Halter zu Halter. Die Tendenz geht aber immer mehr dahin, dass Haustiere als Familienmitglieder gesehen werden und in Single-Haushalten kommt es vor, dass ein Tier den emotionalen Halt gibt, den sonst ein Partner geben würde. Kein Wunder also, dass so mancher Halter sehr daran zu knabbern hat, wenn sein Tier stirbt.
Die Trauer um ein verlorenes Haustier trifft aber nicht überall auf Verständnis. Tiere gelten, im Gegensatz zu Menschen, eher als ersetzbar. Wer es nicht am eigenen Leib erlebt hat, dem fällt es oft schwer, die unter Umständen tiefe Trauer und extreme Gefühlslage Betroffener nachzuvollziehen – das gilt auch für psychologische Betreuer. Ein Review nimmt sich diesem Aspekt nun an. Die Veröffentlichung wurde in der Fachzeitschrift Human-Animal Interactions veröffentlicht und soll Beratern neue Perspektiven für die Arbeit mit Klienten bieten, die um ihr Haustier trauern.
Im Paper wird hervorgehoben, dass viele Menschen während der Corona-Pandemie mehr Gelegenheit hatten, Zeit mit ihren Haustieren zu verbringen. Die Tiere halfen, ein Gefühl der Normalität aufrechtzuerhalten und vermittelten in Zeiten der Isolation Sicherheit – das stärkt natürlich die Bindung. Die Autorinnen Dr. Michelle Crossley (Rhode Island College) und Colleen Rolland (Präsidentin der Association for Pet Loss and Bereavement, APLB) weisen darauf hin, dass Haustiere oft eine wichtige Rolle im Leben ihrer Bezugspersonen spielen, gerade in Krisenzeiten, die Trauer um ihren Verlust gesellschaftlich jedoch oft nicht anerkannt werde. „Fühlen sich die Menschen verurteilt und unverstanden, kann das dazu führen, dass sie den Verlust ohne soziale Unterstützung betrauern“, sagt Crossley. Die Verdrängung der Trauer könne depressive Symptome verstärken.
Die Scham, die mit der öffentlich gelebten Trauer um einen Verlust eines tierischen Familienmitglieds verbunden ist, könne den Heilungsprozess erschweren, so die Forscherinnen. Empathie sei zwar häufiger gegeben, wenn es um den Tod eines Menschen gehe, es gebe aber auch hier Arten von Verlust, die von der Gesellschaft nicht anerkannt würden oder denen nicht die gleiche Aufmerksamkeit zuteil werde. Dazu gehörten Todesfälle durch Suizid, Fehlgeburten oder Todesfälle durch AIDS oder Drogenmissbrauch.
„Wenn Beziehungen von der Gesellschaft nicht gewürdigt werden, ist es wahrscheinlicher, dass der Einzelne nach einem Verlust eine ‚entrechtete Trauer‘ erlebt, die sich zu einer komplizierten Form von Trauer entwickeln kann“, so Rolland. „Die Hauptziele dieser Übersichtsarbeit bestehen darin, Beratern Aspekte an die Hand zu geben, die sie in ihrer therapeutischen Arbeit mit Klienten berücksichtigen können, und verschiedene Faktoren darzustellen, die sich auf die Art und Weise auswirken können, wie jemand den Verlust eines Haustieres betrauert. Wir erörtern Überlegungen, die genutzt werden können, um einen unterstützenden und nicht wertenden Raum zu schaffen, in dem die Traueräußerungen der Klienten validiert werden.“
Crossley und Rolland betonen in ihrem Bericht, dass ein geschützter Raum, in dem die Bedeutungen der Beziehung zum Haustier besprochen werden können, hilfreich sei, um den Verlust in einem unterstützenden Umfeld zu verarbeiten. „Der Verlust eines Haustieres kann eine traumatische Erfahrung sein“, sagt Crossley. „Vor allem, wenn man die Stärke der Bindung, die Rolle, die das Tier im Leben der Person gespielt hat sowie die Umstände und die Art des Verlustes bedenkt.“ Die Forscher sind der Ansicht, dass sowohl persönliche Gruppenberatungen als auch webbasierte Chatrooms als Heilungsräume für diejenigen dienen können, die ihre Trauer verarbeiten. Berater könnten sowohl Kinder als auch Erwachsene einbeziehen, indem sie ihnen Material und Raum zur Verfügung stellen, um zu malen, zu zeichnen oder Figuren zu verwenden, um ihre Ängste und Befürchtungen in Bezug auf den Verlust ihres Tieres auszudrücken.
Zusammenfassend argumentieren die Autoren, dass das Verständnis des Trauerprozesses von Haustierbesitzern Fachkräfte besser darauf vorbereiten kann, einen nicht wertenden Raum zu schaffen, in dem Klienten ihre Trauer offen zeigen können. Auch die Gesellschaft sehen sie in der Verantwortung: Empathie für und ein Anerkennen der Gefühle von Menschen, die mit dem Verlust ihres Haustieres zu kämpfen haben, sei wichtig für den Heilungsprozess. Ein offener Austausch in der Gesellschaft über Trauer als menschliche und verbreitete Erfahrung könne langfristig eine gesündere Gemeinschaft fördern.
Bildquelle: Charlotte Knight, Unsplash