Schon lange forschen Wissenschaftler an einem Impfstoff, der die Immunabwehr stärkt. VPM1002 ist ein vielversprechender Kandidat. Nun sind zwei Studien erschienen, die den potenziellen Immunbooster unter die Lupe genommen haben.
Bevor neue Impfstoffe auf den Markt kommen, müssen sie eine umfangreiche klinische Prüfung durchlaufen. Die Anforderungen an eine klinische Studie sind hoch, der bürokratische Aufwand bei Planung und Durchführung ist immens. Die Medizinische Hochschule Hannover hat daher das Zentrum für Klinische Studien (ZKS) eingerichtet, in dem wissenschaftliche Erkenntnisse klinisch umgesetzt werden.
Jüngstes Beispiel sind zwei Studien aus der Impfstoffforschung: In der einen untersuchten die Forscher, ob ein Immunbooster vor schweren Verläufen bei viralen Atemwegserkrankungen schützt. Die andere beschäftigte sich mit den molekularen Mechanismen für das unterschiedliche Ansprechen älterer Menschen auf eine Grippeimpfung. Die Arbeiten sind nun in Clinical Infectious Diseases und Nature Communications veröffentlicht worden.
Die Studie zur Immunantwort nach Grippeimpfung erfolgte in Kooperation mit dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI). Im Fokus der „VPM Elderly Impfstudie“ steht der Impfstoff VPM1002, der auf einem bereits Anfang des 20. Jahrhunderts entwickeltem Tuberkuloseimpfstoff beruht. Dieser ist gentechnisch so verändert, dass er bei weniger Nebenwirkungen eine bessere Immunantwort hervorruft. „VPM1002 ist ein Impfstoff, der nicht spezifisch gegen ein bestimmtes Virus schützt, sondern die Immunabwehr gegen virale Erreger oberer Atemwegsinfektionen generell stärkt“, erklärt ZKS-Leiter Prof. Schindler. Diese unspezifischen, immunitätsverbessernden Effekte auf das Immunsystem werden auch „trainierte Immunität“ genannt.
„Wir haben die Studie mit mehr als 2.000 Teilnehmenden ab 60 Jahren während der Corona-Pandemie an insgesamt zwölf Prüfzentren bundesweit durchgeführt und den Effekt einer VPM1002-Impfung auf den klinischen Verlauf bei oberen Atemwegsinfekten untersucht“, sagt Prof. Schindler. Das Ergebnis: Die Impfung konnte nicht nur die Krankheitsdauer insgesamt verkürzen, sondern auch die Schwere der Erkrankung war deutlich geringer. „Selbst Teilnehmende ohne SARS-CoV-2-Impfung waren dank des VPM1002-Boosters weniger Tage krank, mussten nicht so lange im Krankenhaus behandelt werden und hatten weniger Fiebertage“, betont der Pharmakologe.
Grundsätzlich sei VPM1002 gegen ein breites Spektrum an Atemwegserkrankungen wirksam. Bei möglichen zukünftigen Infektionswellen mit neu auftretenden Atemwegserregern könnte es daher als Brückenimpfstoff eingesetzt werden, bis spezifische Impfstoffe zur Verfügung stehen. „Damit hätten wir im Falle neuer Pandemien eine Abwehrwaffe in der Hand, die uns erstmal hilft, Zeit zu gewinnen“, so Schindler.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Medizinischen Hochschule Hannover. Die Originalpublikationen findet ihr hier, hier und im Text verlinkt.
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